Ratzingers Brief sei ein Wendepunkt, sagte der Erzbischof von Bologna, Kardinal Matteo Zuppi, der Zeitung "La Stampa" (Donnerstag). Die Bitte um Vergebung für das Versagen, das Zeigen von Schmerz und tiefer Scham, erteile eine Lektion in Demut und Verantwortung und beweise Mut, so der 66-Jährige, der Papst Franziskus nahe steht.
Zuppi lobte die Offenheit des emeritierten Papstes und den "edlen, geistlichen und menschlichen Text". Dass der Brief einen Schatten auf Benedikt als Papst und Person werfe, glaube er nicht. Im Gegenteil sehe er mit diesem Eingeständnis dessen Autorität als Mensch, Priester, Bischof und emeritierter Papst gestärkt.
Im Dienst der Wahrheit
Auch Mailands früherer Erzbischof, Kardinal Angelo Scola, lobte den Brief von Benedikt XVI. in einem Interview von "La Repubblica". Dieser habe ihm wieder bestätigt, dass Ratzinger ein Mann sei, der sich im Dienst der Wahrheit sehe. Es sei absurd zu behaupten, er habe gelogen, um sich zu verteidigen. Für Scola ist der "tiefgründige Brief" mit der Übernahme der Verantwortung für jedes Mitglied der Kirche ein "überwältigendes Zeugnis in einer Zeit des Individualismus".
Großer Gläubiger und Humanist
Ähnlich positionierte sich der Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben, Erzbischof Vincenzo Paglia. Der Brief sei das Dokument "eines großen Gläubigen und eines großen Humanisten", sagte Paglia am Donnerstag dem italienischen Nachrichtensender Radio 24. Benedikt sei ein Beispiel für die ganze Kirche, aber auch für die ganze Gesellschaft, denn Gewalt gegen Kinder betreffe alle Institutionen der Gesellschaft.
Der emeritierte Papst Benedikt XVI. hatte sich in einem am Dienstag veröffentlichte Brief erneut zum Münchner Missbrauchsgutachten geäußert. Darin entschuldigt er sich bei den Betroffenen und drückt seine "tiefe Scham" und seinen "großen Schmerz" aus. Zugleich wehrt sich der frühere Papst gegen den Vorwurf, als Erzbischof von München (1977-1982) Missbrauchsfälle aktiv vertuscht zu haben.