Kiew, eine europäische Hauptstadt mit drei Millionen Einwohnern, sei heute ein Schlachtfeld, so Sant'Egidio-Gründer Andrea Riccardi am Freitagabend in Rom. Die wehrlose Zivilbevölkerung suche vor Gefahr und Terror Schutz in unterirdischen Bunkern. "Die Schwächsten, von älteren Menschen bis hin zu Kindern und Obdachlosen, sind noch mehr gefährdet. Es gibt bereits die ersten zivilen Opfer", beklagte er.
Kultur und Geschichte Europas seien ohne Kiew mit seinem Weltkulturerbe nicht vorstellbar, "so wie man sich die russische Kultur, die Geschichte Russlands, nicht ohne Kiew vorstellen kann", erklärte Riccardi. Ebenso sei Kiew ein Wallfahrtsort vor allem für orthodoxe Christen in aller Welt, und "eine wertvolle Stadt für die gesamte christliche Welt". Die Glaubensgeschichte der ukrainischen, belarussischen und russischen Völker seien dort entstanden.
Appell an Entscheidungsträger
"Das Schicksal Kiews lässt diejenigen nicht gleichgültig, die in Ost und West mit Leidenschaft und Engagement auf die Stadt und ihre Menschen blicken", unterstrich der Sant'Egidio-Gründer. "Nach Sarajewo, nach Aleppo dürfen wir nicht noch einmal die Belagerung einer Großstadt erleben." Die Menschen in Kiew wünschten sich einen "Ruck der Menschlichkeit", so Riccardi. Ihr kulturelles Erbe dürfe nicht dem Risiko der Zerstörung ausgesetzt werden. "Die Heiligkeit Kiews für die christliche Welt verlangt Respekt", hieß es.
"Wir fordern eindringlich diejenigen auf, die darüber entscheiden können, in Kiew keine Waffen einzusetzen, einen Waffenstillstand für die Stadt auszurufen, Kiew zu einer 'offenen Stadt' zu erklären, ihre Bewohner nicht Opfer von Waffengewalt werden zu lassen und eine Stadt, auf die heute die ganze Menschheit schaut, nicht zu zerstören", appellierte die christliche Gemeinschaft Sant'Egidio. "Möge diese Entscheidung mit der Wiederaufnahme der Verhandlungen zur Erreichung des Friedens in der Ukraine einhergehen."