Kardinal Kurt Koch äußerte sich im steirischen "Sonntagsblatt". Der 'Ökumene-Minister' des Papstes sei allerdings nicht von Kyrills Sicht auf Russland überrascht gewesen. Der orthodoxe Patriarch habe immer wieder die Meinung geäußert, "dass Russland eine besondere Aufgabe bei der Verteidigung der christlichen Werte gegen den in seiner Sicht dekadenten Westen zukommt".
Den innerorthodoxen Konflikt um die Ukraine wollte Koch nicht für den russischen Angriff verantwortlich machen. Es wäre in seinen Augen "erbärmlich", so Koch, "wenn die innerorthodoxen Konflikte den Krieg verursacht hätten". Kirchliche Probleme dürften nie mit Gewalt "gelöst" werden.
Schon länger Schwierigkeiten mit Kyrill
Allerdings sei der Dialog mit der Orthodoxie durch den innerorthodoxen Konflikt massiv belastet, räumte der Ökumene-Beauftragte ein. Das sei freilich keine aktuelle Entwicklung.
Die Auswirkungen hätten schon früher begonnen, nämlich mit der Verleihung der Autokephalie (kirchlichen Selbstständigkeit) an die orthodoxe Kirche der Ukraine durch den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios 2018/19. Daraufhin habe das russisch-orthodoxe Patriarchat nicht nur die Beziehungen mit Konstantinopel abgebrochen, sondern auch entschieden, nicht mehr in der Internationalen Gemischten Kommission für den theologischen Dialog zwischen der katholischen Kirche und der Orthodoxie insgesamt teilzunehmen.
Beziehungen belastet
Koch wörtlich: "Aufgrund des schrecklichen und absurden Krieges in der Ukraine und der völlig unverständlichen Gutheißung dieses Krieges durch Patriarch Kyrill ist die Uneinheit innerhalb der Orthodoxie nochmals verschärft worden." Diese Lage belaste natürlich auch die ökumenischen Beziehungen.
Die traditionell engen Beziehungen zwischen staatlicher Herrschaft und kirchlicher Hierarchie in der Orthodoxie beurteilte der vatikanische "Ökumene-Minister" kritisch; noch dazu, da diese Beziehungen oft "mit nationalistischen Tendenzen" verbunden seien.
Nationalismus sei ohnehin die "Ursünde der Neuzeit", so der Schweizer Kardinal. Davor seien freilich auch einzelne Katholiken nicht gefeit.
Da aber die Orthodoxen Kirchen wesentlich nationalkirchlich strukturiert sind, sei das Verhältnis von Kirche und Staat auch ekklesiologisch festgelegt, sagte Koch. Diese "Symphonie von Kirche und Staat" sei nun aber durch die Position von Patriarch Kyrill zum Krieg "massiv infrage gestellt". Diese Frage sei in den bisherigen ökumenischen Dialogen weitgehend ausgeblendet worden; sie müsse daher nun "eingehend besprochen werden".