Kirche erwägt weiter Entfernung der Wittenberger "Judensau"

Weg mit der Sau?

Die evangelische Stadtkirchengemeinde Wittenberg will sich noch klarer von der antijüdische Skulptur an der Fassade der Schlosskirche distanzieren. Auch ein "Ortswechsel" der Plastik wird von der Kirchengemeinde nicht ausgeschlossen.

Eine als "Judensau" bezeichnete mittelalterliche Schmähskulptur an der Außenwand der Wittenberger Stadtkirche Sankt Marien / © Hendrik Schmidt (dpa)
Eine als "Judensau" bezeichnete mittelalterliche Schmähskulptur an der Außenwand der Wittenberger Stadtkirche Sankt Marien / © Hendrik Schmidt ( dpa )

Der Bundesgerichtshofs (BGH) hatte Mitte Juni entschieden, dass die Schmähplastik nicht entfernt werden muss. "Zugleich machten die vorausgehende Verhandlung sowie viele Einzelgespräche, öffentliche Wortmeldungen und begleitende Briefwechsel klar, dass eine deutlichere Distanzierung der Kirchengemeinde vom Antisemitismus der Plastik nötig ist", erklärte der Vorsitzende des Gemeindekirchenrates, Jörg Bielig, am Freitag in Wittenberg. Auch ein "Ortswechsel" der Plastik werde von der Kirchengemeinde nicht ausgeschlossen.

Die "Judensau" ist in etwa vier Metern Höhe angebracht. Dargestellt ist eine als Rabbiner karikierte Figur, die den Schwanz eines Schweins anhebt und das im Judentum als unrein geltende Tier von hinten betrachtet. Zwei weitere als Juden gezeigte Figuren saugen an den Zitzen. Eine vierte Figur hält Ferkel von der Muttersau fern.

Vom Schandmal zum Mahnmal

Durch eine Bodenplatte und eine Schrägaufsteller unterhalb des Reliefs wurde nach Überzeugung der Richter am BGH das Schandmal in ein Mahnmal umgewandelt. Dabei gehe es um die Erinnerung an die jahrhundertealte Diskriminierung und Verfolgung von Juden bis hin zum nationalsozialistischen Völkermord. In Europa gibt es geschätzte 50 weitere ähnliche Darstellungen an Kirchen.

Bielig erklärte, eine textliche Neufassung der Erklärungstafel wurde bereits beschlossen. "Die Neugestaltung des Aufstellers ist jedoch nur ein erster Schritt, dem weitere folgen müssen, um dieser in Stein gehauenen Beleidigung aller Juden und ihres Glaubens einen deutlicheren und sichtbareren Ausdruck für die christliche Umkehr von Judenfeindlichkeit entgegenzusetzen." Am 25. Juli trete zum ersten Mal nach dem BGH-Urteil der Beirat zur "Stätte der Mahnung" wieder zusammen, um Handlungsempfehlungen zu erarbeiten und der Kirchengemeinde konkrete Vorschläge zur Umsetzung zu unterbreiten.

Judenfeindliche Schmähplastiken

Schmähplastiken oder Schmähskulpturen waren in der christlichen Kunst des Mittelalters fester Bestandteil und Ausdruck von Antijudaismus der Kirchen. Juden wurden in den Darstellungen an den Kirchen verhöhnt, verspottet und gedemütigt. Ein prominentes Beispiel ist die Schmähskulptur "Judensau" an der Wittenberger Stadtkirche.

Auf dem um 1300 entstandenen Relief in etwa vier Metern Höhe ist ein Rabbiner zu sehen, der den Schwanz eines Schweins anhebt und ihm in den After sieht. Zwei weitere Juden saugen an den Zitzen des Tiers. Das Schwein gilt den Juden als unrein.

Darstellung an der Stadtkirche in Wittenberg / © Norbert Neetz (KNA)
Darstellung an der Stadtkirche in Wittenberg / © Norbert Neetz ( KNA )

 

 

Quelle:
KNA