Betroffenen-Sprecher kritisiert Missbrauchsaufarbeitung

Kirche drückt sich vor Verantwortung

Der Sprecher des Betroffenenbeirats bei der Deutschen Bischofskonferenz, Johannes Norpoth, beklagt eine fehlende Bereitschaft der Kirche, Verantwortung für Missbrauchsfälle zu übernehmen. Auch den Klerikalismus kritisiert er.

Johannes Norpoth / © Max von Lachner (SW)
Johannes Norpoth / © Max von Lachner ( SW )

"Nicht nur Kleriker und Leitungsverantwortliche sind als Täter, Vertuscher und Strafvereitler im Amt für die Missbrauchskrise verantwortlich", schreibt Norpoth in einem am Mittwoch veröffentlichten Beitrag für das Internetportal katholisch.de.

Auch der Klerikalismus der Basis – also Laien vor Ort, die von Taten und Opfern wussten, aber schwiegen und bewusst wegsahen – habe Missbrauch ermöglicht. "Durch ihr Verhalten, oder besser Nichtverhalten, haben sie wesentlich zum Fundament einer täterfreundlichen Organisation beigetragen, in der sich die Täter vor Strafverfolgung und Restriktion sicher sein konnten." Aus Sicht von Norpoth nehmen nur wenige Menschen in den Gemeinden und katholischen Verbänden die eigene Verantwortung wahr. "Die zwingend notwendige eigene Aufarbeitung bleibt aus."

Beharren auf geltendem Anerkennungssystem

Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA)

Die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen, kurz UKA, hat die Aufgabe, darüber zu entscheiden, wie viel Geld Missbrauchsopfer in der katholischen Kirche in Anerkennung des ihnen zugefügten Leids erhalten. Dazu nimmt sie Anträge der Betroffenen über die jeweiligen Ansprechpersonen der Bistümer oder Ordensgemeinschaften entgegen, legt eine Leistungshöhe fest und weist die Auszahlung an Betroffene an.

Symbolbild Geld und Kirche / © Grzegorz Zdziarski (shutterstock)
Symbolbild Geld und Kirche / © Grzegorz Zdziarski ( shutterstock )

Der Sprecher des Betroffenenbeirats verwies zugleich auf neue Erkenntnisse, nach denen Bischöfe über die von der Bischofskonferenz gegründete Koordinationsstelle "Fidei Donum" Missbrauchstäter durch Entsendung nach Südamerika den deutschen Strafverfolgungsbehörden vorsätzlich entzogen hätten. "Ein solches geplantes und gezieltes Vorgehen ist letztlich Ausdruck erheblicher krimineller Energie der handelnden Personen und macht die Täterorganisation Kirche zusätzlich zu einem Ort organisierter Kriminalität", schreibt er. "Diese zusätzliche Dimension bedingt letztlich auch eine deutliche Ausweitung der institutionellen Verantwortung, die von den heutigen Bischöfen zu übernehmen ist."

Norpoth begrüßte die erste Klage eines Betroffenen auf Schadensersatz über 725.000 Euro gegen das Erzbistum Köln. "Solche Klagen sind schlicht Ausdruck dafür, dass die katholische Kirche in Deutschland bis heute nicht in der Lage ist, ein dem erlittenen Leid und der institutionellen Verantwortung Rechnung tragendes Anerkennungssystem umzusetzen." Die Bischofskonferenz und ihr Sekretariat beharrten darauf, dass man der institutionellen Verantwortung allein schon durch das geltende Anerkennungssystem nachkommen würde – und das trotz der von den Betroffenen kritisierten Systemmängel.

Deutliche Kritik am Erzbistum Köln

Deutliche Kritik übte Norpoth am Erzbistum Köln und der bekannt gewordenen PR-Strategie. Hier zeige sich, dass Kirche sehr wohl konkret und konsequent Verantwortung übernehme, wenn es um den Schutz der Institution und ihrer Würdenträger gehe. "Da werden eigene Ressourcen mobilisiert, da werden unter hohem Aufwand externe Berater hinzugezogen, Strategien entwickelt und versucht, unabhängige Berichterstatter auf die eigene Seite zu ziehen und zu vereinnahmen." Selbst die erneute und fortgesetzte Schädigung von Missbrauchsbetroffenen werde dafür bewusst in Kauf genommen.

Norpoth sieht den Reformprozess Synodaler Weg in der Verantwortung, konkrete Folgen aus dem Missbrauchsskandal zu ziehen und die Kirche zu einem sicheren Ort zu machen.

Quelle:
KNA
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