Es gibt Themen, die sich wie ein roter Faden durch das Pontifikat von Papst Franziskus ziehen. Dazu zählt der "Primat der Evangelisierung". Sein erstes programmatisches Schreiben am Anfang seines Petrusdienstes - "Evangelii gaudium" - war der Freude des Evangeliums gewidmet. Fast neun Jahre später stellte er das Apostolische Schreiben zur Reform der vatikanischen Kurie unter die Überschrift "Praedicate evangelium" - "Verkündet das Evangelium!". Damit unterstreicht er, dass die erste Mission, die Sendung der Kirche in der Verkündigung des Evangeliums besteht. Nicht die Kirche hat eine Mission, sondern die Mission hat eine Kirche.
Diese Mission der Kirche besteht darin, als in der Geschichte fortlebender und weiterwirkender Leib Christi die Grundhaltungen Jesu zu verkörpern: tiefe Gottesverbundenheit, Barmherzigkeit, Mitleid, Menschenfreundlichkeit.
In seinem Buch "Gottes Name ist Barmherzigkeit" beschreibt dies Papst Franziskus so: "Die Kirche ist nicht in der Welt, um zu verurteilen, sondern um die Begegnung mit dieser ursprünglichen Liebe zu ermöglichen, die die Barmherzigkeit Gottes ist. Damit dies geschehen kann, ist es nötig, hinauszugehen und die Menschen dort zu suchen, wo sie leben, wo sie leiden, wo sie hoffen. Ein Feldlazarett, das ist das Bild, mit dem ich am liebsten diese hinausgehende Kirche beschreibe."
Eine solche Kirche wurde auf der diesjährigen Weltkunstausstellung documenta in Kassel in einer Installation erfahrbar, die die Künstlerin Birthe Blau gestaltet hat. Sie räumte die Kirche Sankt Elisabeth leer und verwandelte sie durch eine sich über Innenraum und Seitenhöfe erstreckende, täuschend echt aussehende Kunstrasenfläche in einen Paradiesgarten.
"Lagern auf grünen Auen"
In einer Übergangszone im Eingangsbereich waren die Besucher eingeladen, ihre Schuhe auszuziehen. Dann tauchten sie in die Stille der Kirchenraumes ein, in dem sie sich gehend bewegen oder auch hinlegen konnten. Die grüne Rasenfläche weckte Assoziationen an Psalm 23: "Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen. Er lässt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser". In der Mitte der Kirche stand eine große Feuerschale voll echter Perlen - Symbole für die Seele. Diese Perlen gaben der Installation ihren Namen: "Poem of Pearls" - "Gedicht von Perlen". Als Symbol und Erinnerung konnten die Besucher eine Perle mitnehmen.
Hier war Kirche erlebbar als Ort des Aufatmens, der Ruhe, der Erholung. Sie war für alle offen: für Getaufte und Ungetaufte, Angehörige anderer Religionen und Ungläubige. Die Kirche Jesu ist besonders für diejenigen da, die an schweren persönlichen Lasten tragen und Trost und Erleichterung brauchen.
Kirche verurteilt nicht
Vor allem verurteilt sie niemanden, sondern heißt im Gegenteil die Sünder und Sünderinnen willkommen: "Ich bin gekommen, um die Sünder zu rufen, nicht die Gerechten." (Mk 2,17) So hat ein fantasievoller Pfarrer an der Eingangstür seiner Kirche ein Schild mit der Aufschrift angebracht: "Nur für Sünder geöffnet".