DOMRADIO.DE: Bald ist Auftakt der neuen Karnevals Session am 11.11. Bevor es im Rheinland wieder so richtig rund geht, laden die Roten Funken zu einer Diskussion über Kirche und Karneval ein. Geschichtlich und kulturell hängen beide eng zusammen. Auf einem Podium soll es darum gehen, was Kirche und Karneval verbindet und was sie trennt. Sie sitzen als Aktivistin bei Maria 2.0 ebenfalls auf dem Podium. Sind Sie selbst karnevalsjeck?
Maria Mesrian (Aktivistin Maria 2.0): Nein, ich bin Immigrantin. Ich komme ja aus Süddeutschland und bin im Kölner Karneval noch nicht richtig angekommen - außer im Straßenkarneval.
DOMRADIO.DE: Das heißt, Sie bringen eine gewisse Distanz zum Karneval mit. Welche Gemeinsamkeit zwischen Kirche und Karneval fällt Ihnen auf? Ziemlich viele Männer?
Mesrian: Überragend viele Männer. Ich habe ein Bild von den Blauen Funken gesehen, auf dem nur Männer und in der Mitte das Mariechen zu sehen waren. Es ist ein männerbündisches oder männerdominiertes System wie in der katholischen Kirche.
DOMRADIO.DE: Das Dreigestirn besteht nur aus Männern, die großen Vereine fast nur Männer, Karnevalsbands - auch fast alles nur Männer. Das Interessante ist ja, in der katholischen Kirche passiert ja doch ein bisschen was. Da gibt es immer mehr Widerstand gegen die Männerdominanz. Im Karneval, so kann einem das vorkommen, nehmen auch die allermeisten Frauen das irgendwie stillschweigend hin, dass da eigentlich alle wichtigen Personen Männer sind. Haben Sie eine Erklärung?
Mesrian: Ich habe mir das auch überlegt, warum es da keinen Widerstand gibt. Ich kann mir das nur so erklären, dass Frauen dieses Setting wahrscheinlich so absurd finden, was die Männer mit ihren Fantasie-Uniformen und ihrem Bierkonsum da vollführen, obwohl Frauen ja auch gerne Bier trinken, dass sie es sich gar nicht vorstellen könnten, für eine Durchmischung zu sorgen. Vielleicht wäre die Variante "Frauen gründen eigene Vereinigungen" sinnvoll.
DOMRADIO.DE: Aber da ist noch nicht so richtig viel passiert. Es gibt ja zum Beispiel tolle Sachen wie die Mitsing-Aktion "Loss mer singe" und auch da gibt es fast nur männliche Bands.
Mesrian: Carolin Kebekus ist da eine rühmliche Ausnahme, die ja versucht, da die Frauen auch nach vorne zu bringen. Sie hat mir allerdings erzählt, dass sie mit den Männervereinigungen auch keine guten Erfahrungen gemacht hat. Da werden Frauen einfach nicht nach vorne gelassen, es sei denn, um ein Pferd beim Zug zu halten.
DOMRADIO.DE: Würden Sie sagen, diese Männerdominanz, das Männerbündische ist wirklich die größte, offensichtlichste Gemeinsamkeit zwischen Kirche und Karneval?
Mesrian: Ja und das Geklüngel. Der Kölsche Klüngel ist ja Kirche, Karneval, Wirtschaft. Dahinter steckt ja, dass Frauen letztlich von diesen Verbindungen ausgeschlossen werden. Sie sind da einfach nicht sichtbar. Das hat außerhalb des Karnevals tatsächlich Auswirkungen auf das reale Leben, weil im Karneval Netzwerke geknüpft werden, die Frauen einfach ausschließen.
Letztlich, was mich beschäftigt in diesem System wie in allen gesellschaftlichen Systemen, auch in der Kirche: Was für ein Frauenbild wird dadurch transportiert? Wenn wir das Mariechen oder in der katholischen Kirche die demütige Maria sehen, diese Figuren transportieren ja ein ganz bestimmtes Frauenbild. Das ist hochproblematisch, weil es nicht die Frau als selbständiges Wesen ernst nimmt, sondern eine Karikatur von Frau zeigt. Und das hat letztlich entscheidenden Einfluss, wie Männer und Frauen gemeinsam in einer Gesellschaft agieren. Das finde ich hochproblematisch.
DOMRADIO.DE: Ganz interessant ist ja, dass die Roten Funken wirklich so ein klassischer Kölscher Karnevalsverein sind, der Sie eingeladen hat, um mitzudiskutieren, oder?
Mesrian: Ich bin sehr gespannt auf diesen Abend, weil dieser organisierte Karneval ist Neuland für mich und ich bin wirklich gespannt, in welche Richtung diese Diskussion geht.
DOMRADIO.DE: Es ist ja schon so ein bisschen vorprogrammiert, dass Sie da leicht als karnevalsfeindliche Spaßbremse dastehen werden. Ich nehme an, damit können Sie dann ganz gut leben.
Mesrian: Das werden wir sehen, ob ich die Spaßbremse bin. Ich glaube nicht. Ich glaube, es wird spannend und bestimmt auch nicht ohne Humor. Denn bei allen Revolutionen, auch bei der, die wir betreiben, darf der Spaß nicht zu kurz kommen, sonst wird man verbittert und eng. Aber ich denke, wir kriegen das gut auf die Reihe.
Das Interview führte Hilde Regeniter.