Caritas-Chef in Kabul beklagt dramatische Lage der Frauen

Frauen sollen aus Öffentlichkeit verschwinden

Der Leiter des Caritas-Büros in Kabul, Stefan Recker, sieht derzeit keine Chancen für eine Rücknahme der drastischen Freiheitseinschränkungen für Frauen in Afghanistan. Vor den Universitäten stünden Soldaten, um Proteste zu verhindern.

Eine Frau in Afghanistan (CI)
Eine Frau in Afghanistan / ( CI )

Die Lage für Frauen sei dramatisch, sagte er am Mittwoch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Ziel der Taliban ist, Frauen aus der Öffentlichkeit verschwinden zu lassen. Vielleicht setzt irgendwann ein Wandel ein, wenn der letzte Taliban merkt, dass das Gesundheitswesen zusammenbricht, wenn es keine Ärztinnen und Krankenschwestern gibt."

Stefan Recker (CI)
Stefan Recker / ( CI )

Zuletzt hatten die islamistisch-fundamentalistischen Machthaber Frauen verboten zu studieren. Auch dürfen sie nur bis zur siebten Klasse Schulen besuchen. In vielen Bereichen gilt ein Arbeitsverbot. Frauen dürfen nur mit einem männlichen Begleiter in die Öffentlichkeit.

NGOs: Arbeitsverbot für Frauen

Recker schilderte, dass Frauen in Kabul jederzeit mit entsprechenden Kontrollen rechnen müssten. Vor den Universitäten stünden schwerbewaffnete Militäreinheiten, die etwaige Proteste gegen das Universitätsverbot verhindern sollen.

Imame fordern Recht auf Studium für Frauen in Afghanistan

Eine Initiative von Imamen in Deutschland hat den Ausschluss afghanischer Frauen von Universitäten durch die Taliban kritisiert. "Dies steht im fatalen Widerspruch zum Islam, wie wir ihn verstehen und vermitteln", hieß es am Dienstag in einer Erklärung der neu gegründeten Initiative "Begegnung zwischen Imamen, Wissenschaft und Gesellschaft", die der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorliegt. "Der Prophet Mohammed unterstrich, dass Bildung eine 'religiöse Pflicht für jeden Mann und für jede Frau ist'".

Mouhanad Khorchide, Leiter des Zentrums für Islamische Theologie und Professor für Islamische Religionspädagogik an der Universität Münster / © Lars Berg (KNA)
Mouhanad Khorchide, Leiter des Zentrums für Islamische Theologie und Professor für Islamische Religionspädagogik an der Universität Münster / © Lars Berg ( KNA )

Das an Heiligabend ausgesprochene Verbot, Frauen in Nichtregierungsorganisationen (NGO) zu beschäftigen, könnte nach Reckers Einschätzung mittelfristig überwunden werden. "Eine Brücke könnte sein, dass sich die NGOs förmlich verpflichten, die islamischen Kleidungsvorschriften und die strikte Trennung von Frauen und Männern einzuhalten. Aber ich habe bislang noch keine Signale aus dem für die internationalen Organisationen zuständigen Wirtschaftsministerium erhalten."

Das Verbot gilt indes nur für NGOs. Staatliche Akteure und die Vereinten Nationen können ihre Arbeit fortsetzen. Auch im Gesundheitsbereich sei noch einiges möglich. "Hier laufen drei Caritas-Projekte für Leprahilfe, zur Anpassung von Prothesen und zur Mutter-Kind-Gesundheit weiter - mit den dort bei Partnerorganisationen beschäftigten Medizinerinnen."

Büro koordiniert die landesweiten Projekte

Caritas international ist seit 1984 in Afghanistan engagiert, einem der ärmsten Länder weltweit. In Kabul gibt es ein Caritas-Büro, das die verschiedenen landesweiten Projekte koordiniert. Vor Ort sind - zumeist über lokale Partnerorganisationen - afghanische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig. Außer in humanitärer Nothilfe engagiert sich Caritas international etwa im Gesundheitsbereich. Recker ist bereits seit den 1990er Jahren in Afghanistan tätig.

Etwa die Hälfte der rund 40 Millionen Afghanen ist laut UN-Angaben von Hunger bedroht; etwa drei Millionen Menschen sind innerhalb des Landes geflohen. Geschätzte drei Millionen Kleinkinder unter fünf Jahren sind mangelernährt.

Quelle:
KNA
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