DOMRADIO.DE: So eine wichtige Versammlung für die katholische Kirche in Deutschland und dann in einer "Ecke", wo sie deutlich weniger Mitglieder hat als in anderen Regionen. Wie passt das für Sie zusammen?
Thomas Arnold (Direktor der Katholischen Akademie im Bistum Dresden-Meißen): Seit der Wiedervereinigung ist es das dritte Mal, dass die Vollversammlung im Osten Deutschlands ist, eigentlich 2021 zum Bistumsjubiläum, jetzt zwei Jahre verspätet wegen Corona. Ich kann Ihnen sagen, in Dresden ist die Freude groß.
Es gibt ein Interesse in der säkularen Öffentlichkeit. Es gibt eine Freude bei den Katholiken. Das hat man in der Hofkirche beim Eröffnungsgottesdienst erlebt. Ich würde auch sagen: Kirche kann noch mal anders wahrgenommen werden. Es ist eine Chance für unsere Region zu sagen: Hier ist ein Player, der als Hoffnungsmacher in dieses Land hineinstrahlen kann.
DOMRADIO.DE: Was erhoffen Sie sich jetzt von der Vollversammlung der Bischöfe, auch mit Blick auf die Katholiken in der Diaspora?
Arnold: Wir haben ja viele Briefwechsel in den letzten Wochen und Monaten hinter uns. Wir haben eine Verunsicherung bei den Gläubigen hinter uns. Erstens wünsche ich mir, dass die Bischöfe ehrlich miteinander sprechen und schreiben. Statt heimlicher Briefe also offen ansprechen, wo sie mit dem Synodalen Weg, mit Reformen und der aktuellen Situation der Kirche Probleme haben.
Zweitens hoffe ich, dass man akzeptiert, dass die Kirche mit einem Relevanzverlust in den kommenden Jahren leben wird. Das kann man nämlich in Sachsen schon hautnah erleben, wie das sein wird, wenn Kirche nicht mehr in allen Prozessen und Strukturen mittendrin ist, sondern wenn sie ein Angebot mit ihrer Botschaft unter vielen ist. Diese Situation kreativ zu gestalten, statt zu jammern und schönzureden, das ist die zweite Chance in Dresden.
Drittens brauchen wir Mut statt Angst vor Strukturveränderungen. Das wünsche ich mir, dass dieses Signal von Dresden und dieser Vollversammlung ausgeht. Lingen war am Anfang, jetzt ist Dresden kurz vor Ende des Synodalen Wegs. Ich hoffe auf einen Beginn des Beginns.
DOMRADIO.DE: Dem Synodalen Weg haben gerade einige Leute den Rücken zugekehrt: Vier einflußreiche Frauen und auch der Bonner Dechant Wolfgang Picken. Der Grund ist die Sorge, dass man sich von der Weltkirche entfernt. Wie schätzen Sie das ein als Delegierter des Synodalen Wegs? Entfernt man sich von der Weltkirche?
Arnold: Ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich hätte mir gewünscht, wenn die Synodalen bis zum Ende dabeigeblieben wären. Nicht, weil man sich am Anfang mal verpflichtet hat, sondern weil die Positionen gutgetan haben. Wir brauchen diese Stimmen, und zwar nicht, weil die vier Frauen sind, sondern weil wir diese Positionen brauchen.
Frau Gerl-Falkovitz war beispielsweise im Januar noch in Dresden, wo wir öffentlich auch über diese Themen miteinander diskutiert haben. Ich habe gemerkt, wir brauchen diese Auseinandersetzung. Wir können doch nicht von Synodalität reden und dann alle im eigenen Saft schmoren.
Insofern hätte ich mir sehr gewünscht, deswegen bedauere ich es, dass die fünf Synodalen bis zum Ende sehr aktiv dabei geblieben wären. Nicht unbedingt, um alles auszudiskutieren, aber um in dieser Versammlung, in den Synodalforen miteinander zu streiten und zu ringen. Sie müssen nicht überall am Ende zustimmen, aber sie müssen sich einsetzen und ihre Positionen einbringen.
Diese Chance ist jetzt verwirkt. Es wird jemand nachberufen, wie ich vom Vorsitzenden der Bischofskonferenz vernommen habe. Das wird spannend, wer das wird. Trotzdem muss man sagen: Es ist die letzte Versammlung. Es ist für diejenigen dann auch schwierig, reinzukommen.
DOMRADIO.DE: Noch mal zurück zur Bischofsvollversammlung. Da weiß man, es wird viel geredet. Wie groß ist denn Ihre Hoffnung, dass auch wirklich was folgt? Gerade wenn wir auf die Aufarbeitung des Missbrauchs schauen und auf die geforderte Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der katholischen Kirche?
Arnold: Ich hoffe, dass wir bei der synodalen Versammlung zu Ergebnissen kommen. Ich denke aber, die Vollversammlung der Bischöfe muss jetzt einen Weg des Miteinandersprechens finden. Ich erwarte nicht die großen Beschlüsse, die jetzt die Reform der katholischen Kirche von links auf rechts drehen und alles verändern, sondern dass davon eine Stimmung ausgeht. Man merkte das gestern schon, es ist auch eine Anspannung im Raum.
Ich erwarte, dass am Donnerstag die Bischöfe miteinander sagen können: Wir schaffen es, miteinander zu sprechen, damit wir die innerkirchliche Krisensituation beenden, bei allem, was passiert ist, jetzt wieder nach vorne blicken und Reformen tatkräftig anpacken können, dabei auch streiten müssen, aber vor allem in die Gesellschaft und in Glaubensprozesse hinein wirken können.
Ich will das noch mal wiederholen, was Theologin Rahner sagte und Kardinal Marx heute in der Predigt wiederholte: Wir brauchen den Beginn des Beginns. Nicht, dass wir sagen, jetzt ist der Synodalen Weg geschafft, Ende und aus. Manche ziehen sich zurück, manche setzen Reformen um, sondern dass wir wirklich Luft holen und jetzt den Dauerlauf beginnen und Glaubwürdigkeit wieder zurückgewinnen mit den Strukturen, die wir am anfanghaft geschaffen haben.
Das Interview führte Tobias Fricke.