Stohr übte das Amt von 1935 bis 1961, Volk von 1962 bis 1982 und Lehmann von 1983 bis 2016 aus.
Dem populären Kardinal Lehmann wird ein Gegensatz zwischen seinem öffentlich-medialen Auftreten und seinem persönlichen Handeln attestiert. Betroffene hätten fast nie eine Rolle gespielt. Vielmehr hätten die Verantwortlichen darauf geachtet, das System katholische Kirche zu schützen.
Kohlgraf an Aufarbeitung interessiert
Dem amtierenden Bischof Peter Kohlgraf sprechen die Studienautoren Ulrich Weber und Johannes Baumeister die Bereitschaft zu, lernen und aufarbeiten zu wollen. Kohlgraf nehme Vorwürfe sehr ernst und verhalte sich im Umgang mit Beschuldigten sehr konsequent.
Von den Betroffenen sind laut Studie 59 Prozent Jungen oder Männer sowie 41 Mädchen oder Frauen. Die Hälfte sei Opfer einer schweren oder besonders schweren Straftat geworden - und zwar mehrfach.
Zeitlicher Schwerpunkt der Taten sei Volks Amtszeit gewesen. Immer noch sei aber das Dunkelfeld groß und habe nur in Teilen erhellt werden können.
Stohrs Umgang mit Missbrauch etikettieren die Autoren mit den Worten "ermahnen und versetzen"; bei Volk heißt es "verharmlosen und verschweigen". Lehmanns Bischofszeit wird in drei Phasen unterteilt, die mit den Begriffen "abwehren und vortäuschen", "herausreden und verteidigen" und zuletzt "eingestehen und bewältigen" umschrieben werden. Lehmann habe Missbrauch nie als Chefsache gesehen und ein mangelndes Problembewusstsein gehabt. Seinem eigenen Anspruch sei der Bischof "zu keiner Zeit gerecht geworden".
Bistum hat für Studie kooperiert
Die Studienautoren betonten, bei der Erarbeitung der Untersuchung habe das Bistum kooperiert. Weber wörtlich: "Wir konnten tun und machen, was wir wollten." Als Risikofaktoren für Missbrauch macht die Studie etwa eine sehr enge Bindung an die Kirche und eine schwierige persönliche Situation Betroffener aus. Oft habe auch ein falscher Umgang mit Macht und Vertrauen Missbrauch begünstigt. Weitere Gründe seien eine Überhöhung des Priesteramtes und mangelnde persönliche Reife von Klerikern im Umgang mit dem Zölibat, also der Ehelosigkeit.
Notwendig sei, jeden Fall einzeln zu sehen, weil viele kirchliche Strukturen Missbrauch begünstigt und ein Umfeld dafür geschaffen hätten. Gelegentlich gebe es heute noch Strukturen "wie vor 30 Jahren". Notwendig sei an allen Orten eine "Bereitschaft zum Lernen".
Dieses "Lernen aus der Vergangenheit" bedeute "Steuerung der Gegenwart" und "Gestaltung der Zukunft". Überall brauche es eine "Kultur der Achtsamkeit". Der Bericht mit dem Titel "Erfahren - Verstehen - Vorsorgen" (EVV) ist nach Angaben der Autoren nicht mit anderen Untersuchungen wie etwa der 2018 veröffentlichten bundesweiten MHG-Studie vergleichbar. So ging es in Mainz nicht nur um Taten von Klerikern, sondern von allen kirchlichen Mitarbeitenden.
Zudem wurden Beziehungen unter Erwachsenen einbezogen. Die Kosten für die Studie bezifferten ihre Autoren mit einer "hohen sechsstelligen Summe".