Debatte vor Klimagipfel in Nairobi

Afrika will nicht länger Opfer sein

Afrika hängt am Tropf des Westens - so die traditionelle Lesart. Doch was das Thema Treibhausemissionen betrifft, will der Kontinent den Spieß umdrehen. Das dürfte auch Thema beim ersten Afrika-Klimagipfel werden.

Autor/in:
Markus Schönherr
Experte: Afrika muss gemeinsame Stimme zu Klimawandel finden / © Allowosman (shutterstock)
Experte: Afrika muss gemeinsame Stimme zu Klimawandel finden / © Allowosman ( shutterstock )

Wie emanzipiert kann Afrika den Klimawandel bekämpfen, ohne den Westen als historischen Treibhausgasproduzenten aus dem Schneider zu lassen? Sollte der Kontinent für Fluten, Buschbrände und Wirbelstürme entschädigt werden? Und vor allem: wie? Diese Fragen stehen im Fokus des Afrikanischen Klimagipfels, der kommende Woche in Nairobi tagt. Neben Staatschefs aus Afrika und UNO-Generalsekretär Antonio Guterres werden mehrere tausend Delegierte in der kenianischen Hauptstadt erwartet. Einige Beobachter werten das Treffen als "historisch"; es sorgt aber auch für Kritik.

Malawi, Blantyre: Eine Straße, die die beiden Städte Blantyre und Lilongwe verbindet, ist nach den schweren Regenfällen des tropischen Wirbelsturms Freddy eingebrochen. Der außergewöhnlich langlebige Tropensturm Freddy hat zum zweiten Mal innerhalb eines Monats im Südosten Afrikas eine Spur der Verwüstung hinterlassen. / © Thoko Chikondi (dpa)
Malawi, Blantyre: Eine Straße, die die beiden Städte Blantyre und Lilongwe verbindet, ist nach den schweren Regenfällen des tropischen Wirbelsturms Freddy eingebrochen. Der außergewöhnlich langlebige Tropensturm Freddy hat zum zweiten Mal innerhalb eines Monats im Südosten Afrikas eine Spur der Verwüstung hinterlassen. / © Thoko Chikondi ( dpa )

"Es ist die richtige Zeit für Afrika, um zusammenzukommen und die gemeinsamen Herausforderungen zu diskutieren, vor die der Klimawandel uns stellt", sagt Brian Omenyi, Koordinator des kenianischen Sustainable Energy Access Forums (SEAF), dem Dachverband der Energieakteure in dem ostafrikanischen Land. Von dem ersten kontinentalen Klimatreffen wünscht sich der Experte, dass die mehr als 50 afrikanischen Länder eine gemeinsame Stimme zum Thema Klimawandel finden. Das erscheint drei Monate vor der UN-Klimakonferenz COP28 in Dubai wichtiger denn je.

Besonders betroffen vom Klimawandel

Obwohl Afrika mit seinen 1,3 Milliarden Einwohnern gerade mal vier Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verursacht, schlagen die Folgen des Klimawandels hier unverhältnismäßig stark zu. Im südlichen Afrika gab es in den vergangenen Jahren Millionen Tote und Obdachlose infolge von Zyklonen. Unterdessen leiden der Westen und Osten des Kontinents unter Jahrhundertdürren, die auch bewaffnete Konflikte neu anheizten.

Allerdings: Der Gastgeber macht einen Konsens unter den afrikanischen Staaten alles andere als leicht. Seit mehreren Monaten sorgt Kenias Präsident William Ruto durch seine revolutionären Töne für Aufsehen in Fachkreisen. Beim Gipfel zur Klimafinanzierung, der im Juni in Paris tagte, erklärte er, Afrika habe es satt, in der Ecke zu stehen. Stattdessen wolle man gemeinsam mit reichen Ländern an Lösungen arbeiten. Jetzt betonte sein Klimabotschafter Ali Mohamed: "Zweifellos trägt Afrika die Last der Klimakrise. Jedoch müssen wir uns auch der Realität bewusst sein, dass uns die Opferrolle in den vergangenen Jahren nicht weitergebracht hat."

Freifahrtschein für den Westen?

Diplomaten und Experten sind in Sorge: Stellt Ruto dem Westen dadurch einen Freifahrtschein aus? Seit Jahrzehnten hatten Afrika und andere Entwicklungsregionen auf das Finanzierungskonzept "Loss & Damage" (Verlust und Schaden) gepocht. Demnach sollen Europa, die USA und andere Treibhausgasverursacher für ihre historische Verantwortung für den Klimawandel zur Kasse gebeten werden. 2022 hatten sich die Staaten beim Weltklimagipfel COP27 in Ägypten auf einen Entschädigungsfonds geeinigt. Wer profitiert und wer einzahlt, bleibt aber offen. Ohnehin stehen Industrieländer in der Kritik, nur einen Bruchteil ihrer Klima-Zusagen an ärmere Länder tatsächlich zu bedienen.

Landwirtschaft in Afrika / © mbrand85 (shutterstock)

Saliem Fakir, Direktor der African Climate Foundation (ACF) in Kapstadt, wittert bei der Debatte um Afrikas erstarkte Rolle ein großes Missverständnis. Klimaentschädigungen seien nach wie vor ein Thema, sagt er. Dafür werde Afrika - nicht zuletzt auch Kenia - bei COP28 im November kämpfen. "Es geht viel eher darum, was Afrikaner zusätzlich beitragen können, ohne aus den Augen zu verlieren, dass Loss & Damage eine wichtige politische Angelegenheit bleibt."

Kritik von Klimaschützern

Wenige Wochen vor dem afrikanischen Klimagipfel sah sich Gastgeber Ruto massiver Kritik gegenüber. In einem Protestbrief behaupteten Aktivisten, das Treffen sei von westlichen Regierungen und Organisationen gekapert worden. Demnach versuchten Lobbyisten wie der US-Strategieberater McKinsey, eine prowestliche Agenda voranzutreiben. Dazu gehöre etwa der umstrittene Handel mit CO2-Emmissionen; der gehe auf Kosten Afrikas. Inzwischen hat die Petition mehr als 400 Unterzeichner, darunter auch Kirchen.

Trotz allem glaubt Klimaexperte Fakir an Afrikas Eigeninitiative; und das sowohl mit Blick auf den Gipfel als auch auf die Zukunft von Klimafinanzierungen. So sollten Afrikas Staaten Wege finden, wie ausländische Investitionen in Klimatechnologien und -infrastruktur gleichzeitig auch ihre Entwicklung vorantreiben.

Auch in Nairobi rät Energiefachmann Omenyi zu einem Spagat. Einerseits müsse Afrika für seine Energiewende bedingungslose Unterstützung der Industriestaaten einfordern. Andererseits könne man nicht länger warten: "Wenn Menschen bei Dürren und Fluten ihr Leben, ihren Besitz und Lebensunterhalt verlieren, können wir nicht dasitzen und warten, dass Industrieländer endlich liefern, was sie versprechen."

Klima- und Umweltschutz in der Kirche

Die Deutsche Bischofskonferenz beschäftigt sich seit den 1980er Jahren mit ökologischen Fragen. Papst Franziskus’ Enzyklika Laudato si’ – Über die Sorge für das gemeinsame Haus hat im Jahr 2015 dem christlichen Auftrag zur Schöpfungsverantwortung auf weltkirchlicher Ebene Aufmerksamkeit verschafft. Daran anschließend hat der Papst im Februar 2020 mit dem Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Querida Amazonia die Themen der Enzyklika am Beispiel Amazoniens konkretisiert.

Symbolbild Biodiversität, Biene, Artenvielfalt. Natur / © Kateryna Ovcharenko (shutterstock)
Symbolbild Biodiversität, Biene, Artenvielfalt. Natur / © Kateryna Ovcharenko ( shutterstock )
Quelle:
KNA