DOMRADIO.DE: Die Päpste haben sich das Konsistorium von den römischen Kaisern abgeguckt. Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Päpsten und Kaisern?
Ulrich Nersinger (Vatikanjournalist und Buchautor): Wenn wir in die Geschichte zurückblicken, können wir die ersten Anfänge etwa im ersten Jahrtausend unter Augustus verorten.
Der Begriff "Konsistorium" taucht dann erstmals unter Kaiser Diokletian auf, der von 284 bis 305 regierte. In den Quellen aus dieser Zeit finden wir diesen Begriff.
Ursprünglich war das Konsistorium ein Beratungsgremium oder besser gesagt ein Kronrat des Kaisers.
DOMRADIO.DE: Das entspricht in etwa der Funktion, die es im Zusammenhang mit den Päpsten hat. Lief denn das Konsistorium – der Begriff ist fast 1800 Jahre alt – immer auf dieselbe Weise ab?
Nersinger: Nein, das kann man so nicht sagen. Im Hinblick auf das Grundmuster schon, aber hinsichtlich der Bedeutung war es nicht immer ganz das Gleiche.
Es war schon immer als Beratungsgremium oder Kronrat des Papstes konzipiert. Zwischen dem 14. und 15. Jahrhundert konnte das Konsistorium sogar gewisse Entscheidungsbefugnisse wahrnehmen.
Später wurde es jedoch zu einem reinen Beratungsgremium, in dem sich der Papst mit seinen höchsten Mitarbeitern – das sind in der Regel die Kardinäle – zusammensetzt oder zusammenstellt, denn das lateinische "consistere" heißt eigentlich "sich aufstellen".
Heutzutage ist das Konsistorium eine in der Kirche fest verwurzelte Institution – übrigens nicht nur in der katholischen Kirche. Viele evangelische Mitchristen kennen den Begriff ja auch.
DOMRADIO.DE: In einer Zeit, in der wir digital vernetzt sind, stellt sich die Frage, ob das Konsistorium als beratendes Gremium überhaupt noch notwendig ist. Könnten es diese beratende Funktion nicht auch online ausüben?
Nersinger: Prinzipiell schon, aber die Päpste werden sich gedacht haben, dass es besser ist, wenn man den persönlichen Kontakt hat.
Das Konsistorium als Beratungsgremium hat man erst unter den Päpsten Johannes Paul II. und Benedikt XVI. so ein bisschen wiederentdeckt, vorher war es ein rein zeremonielles Geschehen – selbst wenn der Papst bei Entscheidungen um Rat fragte.
Die Abgabe der Voten war eigentlich eine reine Zeremonie. Man hat nie gegen die Entscheidungen des Papstes opponiert. Es gab immer eine typische Formulierung, die in den alten Quellen steht: "Was dünkt euch?"
Aber Konsistorien verbinden wir in der heutigen Zeit eher mit den Kardinalserhebungen, die für die Kirche ja auch ein wichtiges Zeichen sind.
DOMRADIO.DE: Gestern wurden 242 Kardinäle zusammenberufen. Wie läuft das denn jenseits des Protokolls ab? Wohnen sie alle im Vatikan? Gibt es große Bankette, wie muss man sich das vorstellen?
Nersinger: Große Bankette gibt es nicht, so viel ich weiß. Das habe ich eigentlich in der Form noch nie erlebt. Das gab es auch früher in der in der Art und Weise nicht.
Sie leben auch nicht im Vatikan. Sie kommen nach Rom und wohnen dann entweder in einem Kolleg oder in einem Hotel. Sie kommen dann nur zu den Beratungen oder zum Konsistorium selber in den Vatikan.
DOMRADIO.DE: Gibt es bei diesen Treffen auch ungeplante oder unvorhergesehene Ereignisse?
Nersinger: Ja, es gibt eigentlich zwei Grundformen von Konsistorien: außerordentliche und ordentliche Konsistorien. Das außerordentliche Konsistorium, wie wir es gestern erlebt haben, dient der Ernennung neuer Kardinäle.
Es gibt dann jedoch normalerweise auch jedes Jahr mindestens zwei ordentliche Konsistorien in Rom, bei denen nur die Kardinäle, die in Rom leben, anwesend sind.
Dort werden in der Regel verschiedene Angelegenheiten aus dem Leben der Kirche, wie zum Beispiel die Seligsprechungs- und Heiligsprechungsverfahren behandelt.
Diese ordentlichen Konsistorien sind eigentlich recht langweilige Zeremonien. Da passiert nichts Großes. Es sei denn, es gibt eine Überraschung, wie es 2013 der Fall war.
Am Rosenmontag 2013 fand ein Konsistorium statt, und da spielte sich vieles auf Latein ab. Die Sprache des Konsistoriums ist noch immer Latein.
Aber Papst Benedikt XVI. hat sich sogar entschieden, seine Ansprache auf Latein zu halten. Man muss nur bedenken: Die meisten Kardinäle, aber auch die anderen Anwesenden, waren nicht mehr allzu sehr des Lateins mächtig.
Auch in der Sala Stampa, dem Pressesaal des Vatikans, saßen Zuhörer und auch die waren nun nicht mehr so mit der lateinischen Sprache vertraut.
Nun kündigte der Papst seinen Rücktritt an, ebenfalls auf Latein. Nur eine Journalistin, die sehr gut Latein konnte, begriff sofort, was für eine Sprengkraft dieses Konsistorium haben würde.
Die meisten in der Sala Stampa dürften das erst gar nicht mitbekommen haben. Das zeigt, dass auch ein langweiliges Konsistorium doch ziemlich viel Power haben kann.
DOMRADIO.DE: Wie war es denn gestern beim Konsistorium? Gab es für Sie Überraschungen oder verlief alles wie erwartet?
Nersinger: Es verlief wie erwartet, aber es gab einen kleinen negativen Aspekt, der mir aufgefallen ist. Normalerweise sind bei Papstfeiern viele Menschen anwesend, aber gestern schien der Petersplatz relativ leer zu sein.
Es gab zwar Delegationen aus verschiedenen Ländern, aber die Beteiligung der Gläubigen erschien mir für ein so bedeutendes Ereignis wie die Ernennung von 21 neuen Kardinälen etwas gering.
Das Interview führte Bernd Hamer.