Mit scharfen Worten verurteilt der katholische Theologe Jan-Heiner Tück die russisch-orthodoxe Kirche und ihren Patriarchen Kyrill für ihre Unterstützung des Putin-Regimes.
In einem Gastkommentar in der Zeitung "Die Presse" (Dienstag) ruft der Wiener Dogmatik-Professor die russische Orthodoxie dringend auf, ihre fragwürdige Symbiose mit Putins Regime zu lösen. Stütze sie dieses weiter, sei sie nichts anderes als eine "Hure der Macht".
Um der Kriegspolitik des Kreml theologische Weihen zu geben, bemühe die russisch-orthodoxe Kirche neuerdings das sperrige Motiv des "Katechon", schreibt Tück. Im Neuen Testament gebe es eine "dunkle Stelle", in der von dem "Aufhalter" (griech. Katechon) die Rede ist. Er solle das Kommen des Antichristen verhindern.
Russland als "Aufhalter"
Die russische Kirche bezeichne nun in einem neuen Strategiepapier unter Verwendung des Motivs des "Katechon" Russland als Bollwerk gegen die westliche Dekadenz. Schon der umstrittene deutsche Staatsrechtler Carl Schmitt habe in der Weimarer Krisenzeit ein Interesse an stabilen Ordnungsmächten entwickelt und dem autoritären Staat die Rolle des "Katechon" zugeschrieben.
Unter Rückgriff auf Schmitt habe nun der russische Ideologe Alexander Dugin, Mitglied des Moskauer Thinktanks Katehon, Russland als "Aufhalter" bezeichnet und die militärische Expansion Wladimir Putins begrüßt.
Militanter Dschihadismus
Erstaunlich sei, so Tück, dass sich die Kirche diese Ideologie zu eigen gemacht habe. Der Westen, der das angeblich "verbrecherische Regime in Kiew" unterstütze, werde in dem Strategiepapier als satanisch eingestuft. Dem widersetze sich Russland in einem "Heiligen Krieg". Bislang seien aber Heilige Kriege eine Spezialität des militanten Dschihadismus gewesen, gibt der Wiener Theologe zu bedenken.
"Der Schulterschluss des Moskauer Patriarchen mit Putin fußt auf wechselseitigen Interessen", so Tück. "Die Kirche erhält vom Staat Geld und Privilegien; die Politik bekommt von der Kirche ideelle Unterstützung und Segen."
Patriarch Kyrill maße sich an, "gleichsam mit Gottes Auge zwischen guten und bösen Mächten in der Geschichte unterscheiden zu können", kritisiert der Theologe. Stütze sie weiter Putins Kriegspolitik, sei sie freilich nicht "Aufhalter", sondern "Verstärker der Zerstörung und damit Hure der Macht".