Ehemalige Kölner Dombaumeisterin zum Kathedralbrand in Rouen

"Dieser Turm kann doch gar nicht brennen"

Fünf Jahre nach dem verheerenden Feuer von Notre-Dame in Paris, hat der große Turm der Kathedrale von Rouen gebrannt. Die ehemalige Kölner Dombaumeister Barbara Schock-Werner kennt die Kirche. Deshalb war sie zunächst irritiert.

Kathedrale von Rouen / © EBASCOL (dpa)
Kathedrale von Rouen / © EBASCOL ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie ist es Ihnen heute ergangen, als Sie davon hörten, dass die Kathedrale von Rouen in Flammen steht?

Barbara Schock-Werner / © Julia Steinbrecht (KNA)
Barbara Schock-Werner / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Prof. Barbara Schock-Werner (Architektin und Kunsthistorikerin sowie frühere Kölner Dombaumeisterin): Ich war erschrocken. Mein erster Gedanke dazu war aber, dass dieser Turm doch gar nicht brennen kann. Dieser Vierungsturm ist doch ein Element der technischen Neuerungen, er besteht ganz aus Gusseisen. Dann habe ich mir das genauer angeguckt.

Barbara Schock-Werner

"Es war also nicht der Turm selber, sondern das Gerüst, beziehungsweise die Ummantelung des Gerüstes."

Der wird gerade restauriert und im oberen Teil ist ein Auslegergerüst aufgebaut worden. Dieses Gerüst ist offenbar mit Kunststoffplanen zugedeckt worden, die in Brand geraten sind. Es war also nicht der Turm selber, sondern das Gerüst, beziehungsweise die Ummantelung des Gerüstes, das Feuer gefangen hat. Es ist ganz offenbar ein Restaurierungsschaden. Es könnte sein, dass geschweißt wurde oder sowas. Dabei ist dann eben die Ummantelung in Brand geraten. 

Zwischen 1877 und 1880 war das übrigens der höchste Turm der Welt, bis die Kölner Türme fertig geworden sind. 

DOMRADIO.DE: Wenn es ein Holzgerüst gewesen wäre, ähnlich wie in Notre Dame, dann hätte es zu einer großen Katastrophe kommen können?

Schock-Werner: Der Vorgängerturm war ein gewaltiges Element aus dem 16. Jahrhundert. Der ist im 19. Jahrhundert abgebrannt, vermutlich in einem riesigen Feuer. Daraufhin wurde er durch diesen gusseisernen, sehr hohen und sehr schlanken Vierungsturm ersetzt, der eigentlich gar nicht brennen kann.

DOMRADIO.DE: Da gibt es auch Parallelen zum Kölner Dom. Weil er ein Stahlgerüst hat, ist er wahrscheinlich im Krieg verschont geblieben. Im Ursprung war auch dort ein Holzgerüst vorgesehen.

Barbara Schock-Werner

"Details werden wir erst morgen erfahren, es ist aber keine Katastrophe wie in Notre Dame." 

Modelle der Holz-Kathedralen (u.a. Köln und Rouen) / © Luciano Xavier (privat)
Modelle der Holz-Kathedralen (u.a. Köln und Rouen) / © Luciano Xavier ( privat )

Schock-Werner: Es sind einzelne Brandbomben gefallen. Wenn die mehr Nahrung gehabt hätten, wäre das sicher auch anders ausgegangen.

Jetzt in Rouen scheint aber nur das Gerüst beziehungsweise die Ummantelung des Restaurierungsgerüsts in Brand geraten zu sein. Das ist auch nicht ganz ungefährlich. Wenn diese Plastikplanen brennen und runterfallen, hätten sie Leute verletzen oder den Dachstuhl aus Holz in Brand setzen können. Aber das scheint alles nicht passiert zu sein. So ist man mit Glück davongekommen. Details werden wir erst später erfahren, es ist aber keine Katastrophe wie in Notre-Dame. 

DOMRADIO.DE: Wie kann es passieren, dass so ein Brand überhaupt ausbricht?

Schock-Werner: Gerade bei Restaurierungsarbeiten passieren solche Unglücke oder Brände. Da geht man relativ leichtfertig damit um. Viele vergessen auch, wo sie eigentlich sind. Man schweißt vielleicht, und dann ist das eine sehr enge Baustelle, da der Turm ja sehr schlank ist. Es muss sich nur ein Funken in die falsche Richtung bewegt haben und schon ist es um die Kunststoffummantelung geschehen.

Es heißt, es waren Arbeiter dort, die es gemeldet hätten und geflüchtet sind. Es ist also sehenden Auges passiert. Aber das darf eigentlich überhaupt nicht passieren. 

DOMRADIO.DE: Wahrscheinlich ist man hier mit dem Schrecken davongekommen, oder?

Schock-Werner: So kann man das auch ausdrücken. Demnächst wissen wir mehr.

Das Interview führte Johannes Schröer.

Die Kathedrale von Rouen

Die Kathedrale von Rouen zählt zu den Meisterwerken der Gotik und zu den bedeutendsten Kirchen Frankreichs. Der Kirchenbau war der Krönungsort und die Grablege der Herzöge der Normandie und die zentrale Kirche dieser Region in Nordfrankreich. Im Inneren der Kathedrale befinden sich die Grabstätte von Rollon, dem Gründer des Herzogtums Normandie, und das Herz des englischen Königs Richard Löwenherz (1157-1199). Notre-Dame de l'Assomption ist bis heute Kathedrale des Erzbischofs von Rouen, der auch Primas der Normandie ist.

Kathedrale von Rouen / © Sameer Al-Doumy (dpa)
Kathedrale von Rouen / © Sameer Al-Doumy ( dpa )
Quelle:
DR