Stadionseelsorger freut sich auf das EM-Finale in Berlin

"Wir sind das Herz des Stadions"

Besonders hat den Berliner Stadionseelsorger Gregor Bellin das Miteinander der Fans während der EM beeindruckt. Fußball kann genau so verbinden wie Religion, sagt er. Bellin betreut die Kapelle im Herzen des Olympiastadions.

Autor/in:
Tobias Fricke
Olympiastadion Berlin / © immodium (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Sie betreuen die “Goldene Kapelle” im Berliner Olympiastadion. Wie sieht Ihre Arbeit als Stadion-Seelsorger aus? 

Gregor Bellin, ständiger Diakon im Erzbistum Berlin und der katholische Geistliche in der Stadionkapelle / © Markus Nowak (KNA)
Gregor Bellin, ständiger Diakon im Erzbistum Berlin und der katholische Geistliche in der Stadionkapelle / © Markus Nowak ( KNA )

Gregor Bellin (Diakon und Stadionseelsorger im Berliner Olympiastadion: Das ist erstmal ein Titel, der ziemlich abstrakt klingen mag, aber grundsätzlich ist es so, dass es in Berlin im Olympiastadion, wo das Endspiel stattfindet, seit der WM 2006 eine Kapelle gibt, die von den beiden großen Kirchen gemeinsam verantwortet wird und wo regelmäßig Gottesdienste anlässlich von Fußballspielen oder bei Leichtathletik-Meisterschaften stattfinden.

Der eine oder andere Spieler oder andere Athleten möchten dort heiraten, das Kind taufen und auch Fans der Berliner Hertha haben diesen Wunsch.

Gregor Bellin

"Wir sind die Prayers Lounge, die eigentlich die entscheidendere ist."

DOMRADIO.DE: Wo ist die Kapelle zu finden?

Bellin: Man muss im Olympiastadion mit dem Aufzug in das vierte Untergeschoss hinunterfahren oder über die Stadientreppen runtergehen, dann ist man auf Höhe der Rasenfläche. Das Altarkreuz, was wir haben, ist sozusagen die Mittellinie des Stadions. Deshalb können wir immer behaupten, dass wir das Herz des Stadions sind, da schlägt das Herz dieser Kapelle. Weil auf der Rückseite der Kapelle die Players Lounge für die Fußballer ist, sind wir die Prayers Lounge, die eigentlich die entscheidendere ist.

DOMRADIO.DE: Wie bereiten Sie sich als Stadionseelsorger auf ein großes Ereignis wie die Europameisterschaft vor? 

Bellin: Das Schwierige bei so großen Ereignissen ist, dass die Verantwortlichen nicht im Blick haben, dass es dort so etwas gibt. Man muss sich quasi anbieten. In diesem Jahr war das Pech, dass zwar die Mitarbeiter für die Kapelle akkreditiert wurden, aber dann von der UEFA die Aussage kam, dass keine Veranstaltungen im Bereich der Kapelle stattfinden sollen. Das war nicht gewünscht. 

Die Kapelle im Berliner Olympiastadion / © Soeren Stache (dpa)
Die Kapelle im Berliner Olympiastadion / © Soeren Stache ( dpa )

Das finde ich persönlich schon immer sehr nachteilig. Man kann den Personenkreis aussuchen, der dorthin geht. Das könnten zum Beispiel nur die Spieler sein, wie im Jahr 2006. Damals hat die deutsche Nationalmannschaft bei der Sommermärchen-WM dort Andachten gefeiert.

Beim DFB-Pokalendspiel liegt es oft in der Sicherheitszone, da wird es dann schwierig. Aber bei normalen Bundesligaspielen gibt es vor jedem Spiel einen Gottesdienst, den mein evangelische Freund und Kollege und ich dann gemeinsam machen. 

Gregor Bellin

"Man sieht, wie Fußball verbinden kann, sowie auch Religion verbinden kann."

DOMRADIO.DE: Am Sonntag tritt das katholisches Land Spanien gegen das anglikanische Land England an und das mitten im säkularen Berlin. Stadion-Seelsorge findet da wahrscheinlich gar nicht statt, oder? 

Bellin: An diesem Sonntag überwiegt für die meisten der Eventcharakter. Die eigentlichen Fußballfans kommen kaum ins Stadion, damit fängt es schon an. Aber im Stadion selber wird kein Gottesdienst stattfinden. Das ist richtig.

Aber eine schöne Geschichte kann ich noch erzählen: Als 2006 das Endspiel stattfand, gab es ein Sportfoto des Jahres im Kicker. Italienische Spieler sind vor dem Endspiel in der Kapelle gesehen worden, die französischen Spieler nicht. Wie es ausgegangen ist, das wissen Sie. Ich sage immer: Nicht wer am lautesten in der Kapelle betet, gewinnt Titel, sondern jeder, der in der Kapelle betet, ist schon Gewinner.

Die Em 2024 hat ein Gemeinschaftsgefühl in Deutschland ausgelöst, sagt Pfarrer Schießler / © Christoph Soeder (dpa)
Die Em 2024 hat ein Gemeinschaftsgefühl in Deutschland ausgelöst, sagt Pfarrer Schießler / © Christoph Soeder ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie kann die Bundesliga von dieser EM Ihrer Meinung nach profitieren? 

Bellin: Wenn man sich die Spiele der vergangenen Wochen angeschaut hat, finde ich es beeindruckend zu sehen, welche Formen an Fankulturen sich gezeigt und entwickelt haben. In den wenigsten Fällen war es ein Gegeneinander, sondern oft ein Miteinander. Das würde ich mir für die Bundesliga und auch die zweite Liga wünschen, dass die Fans miteinander agieren und nicht gegeneinander. Dann würden uns viele unschöne Szenen im Bereich und im Umfeld der Spiele erspart bleiben. 

Man sieht, wie Fußball verbinden kann, sowie auch Religion verbinden kann. Ich finde es immer besonders beeindruckend, wenn bei uns im Stadion Fans unterschiedlicher Mannschaften zusammenkommen, man sich beim Vaterunser an die Hand fasst und wir uns vergewissern, dass Gott unser aller Vater ist. Dann heißt das, dass wir untereinander Schwestern und Brüder sind. 

Das Interview führte Tobias Fricke.

Erzbistum Berlin

Das Erzbistum Berlin umfasst das Land Berlin, den größten Teil Brandenburgs sowie Vorpommern und einen kleinen Teil Sachsen-Anhalts. In seinen Kirchengemeinden leben rund 362.000 Katholiken. In seiner jetzigen Form wurde das Erzbistum 1994 errichtet. Erzbischof Dr. Heiner Koch übernahm die Bistumsleitung am 19. September 2015. Bischofssitz ist die St.-Hedwigs-Kathedrale in Berlin-Mitte.

Sankt-Hedwigs-Kathedrale in Berlin / © frantic00 (shutterstock)
Sankt-Hedwigs-Kathedrale in Berlin / © frantic00 ( shutterstock )
Quelle:
DR