Mit mahnenden Worten an die Adresse der Staaten Europas in Zeiten des Krieges hat Papst Franziskus am Donnerstag seinen Besuch in Luxemburg und Belgien begonnen.
In seiner ersten Rede in Luxemburg sagte der Papst: "Leider muss man feststellen, dass auch auf dem europäischen Kontinent wieder Gräben und Feindschaften entstehen, die zu offenen Feindseligkeiten mit ihren zerstörerischen und tödlichen Folgen führen."
In einem dramatischen Appell beschwor der Papst: "Das tägliche Leben der Völker und ihrer Herrscher muss von herausragenden geistigen Werten bestimmt sein, die den Verlust der Vernunft und die unverantwortliche Rückkehr zu den Fehlern der Vergangenheit verhindern, welche durch die größeren technischen Möglichkeiten, über die der Mensch heute verfügt, noch verschlimmert werden."
Allein die christliche Botschaft sei in der Lage, "die menschliche Seele tiefgreifend zu verwandeln und sie fähig zu machen, auch in den schwierigsten Situationen das Gute zu tun, den Hass zum Erlöschen zu bringen und Konfliktparteien zu versöhnen."
Papst sieht Luxemburg als Vorbild
An den Großherzog gewandt schloss der Papst: "Luxemburg kann allen zeigen, welche Vorteile der Frieden gegenüber den Schrecken des Krieges hat, welche Vorteile die Integration und Förderung von Migranten gegenüber ihrer Ausgrenzung hat, welchen Gewinn die Zusammenarbeit der Nationen darstellt."
Mit Blick auf den Krieg im Osten Europas forderte der Papst, dass "diejenigen, die mit besonderer Autorität ausgestattet sind, mit Ausdauer und Geduld ehrliche Verhandlungen zur Lösung von Konflikten führen, mit der Bereitschaft, ehrliche Kompromisse zu finden, die nichts gefährden und stattdessen Sicherheit und Frieden für alle schaffen können".
Zuvor hatte Franziskus an die Besetzungen des kleinen Landes durch deutsche Truppen in den beiden Weltkriegen und an dessen besondere Rolle in der EU erinnert. Weiter betonte der Papst, dass in einem solidarischen Europa "Spaltungen, Streitigkeiten und Kriege, die durch extremen Nationalismus und schädliche Ideologien verursacht waren, endlich der Vergangenheit angehören".
Ausdrücklich würdigte Franziskus Luxemburgs "solide demokratische Struktur, welche die Würde der menschlichen Person und die Verteidigung ihrer Grundfreiheiten hochhält". Für die Rolle eines Staates in der Weltgemeinschaft sei nicht die Größe des Territoriums oder die Zahl der Einwohner ausschlaggebend.
Entscheidend seien vielmehr "vernünftige Institutionen und Gesetze, die, indem sie das Leben der Bürger nach Kriterien der Gerechtigkeit und unter Achtung der Rechtsstaatlichkeit regeln, den Menschen und das Gemeinwohl in den Mittelpunkt stellen und den Gefahren von Diskriminierung und Ausgrenzung vorbeugen und entgegenwirken".
Mahnung an das reiche Großherzogtum
Zugleich mahnte er die durch Banken und Industrie wohlhabende Luxemburger Bevölkerung, dass eine "ganzheitliche Entwicklung unser gemeinsames Haus nicht plündern und entwürdigen und keine Völker und sozialen Gruppen außen vor lassen darf. Der Reichtum - vergessen wir das nicht - beinhaltet eine Verantwortung."
Die reichen Länder müssten den benachteiligten Nationen helfen, aus ihrer Verarmung herauszukommen. "Dies ist ein Königsweg zur Verringerung der Zahl derer, die, oft unter unmenschlichen und gefährlichen Bedingungen, zur Auswanderung gezwungen sind."
In diesem Kontext lobte er die Aufnahmebereitschaft des kleinen Landes für Menschen aus anderen Ländern als vorbildlich und sagte: "Möge Luxemburg mit seiner besonderen Geschichte, mit seiner ebenso besonderen geografischen Lage, mit knapp der Hälfte seiner Einwohner, die aus anderen Teilen Europas und der Welt stammen, eine Hilfe und ein Beispiel sein, das den Weg für die Aufnahme und Integration von Migranten und Flüchtlingen weisen kann."
Für Donnerstagnachmittag war eine Begegnung des Papstes mit katholischen Gläubigen und Geistlichen in der Kathedrale von Luxemburg vorgesehen. Anschließend sollte er nach Belgien weiterreisen.