Kirche in Venezuela pocht auf Menschenrechte

Weiter Chaos in Caracas

Auch knapp drei Monate nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen ist in Venezuela noch keine Lösung der innenpolitischen Krise in Sicht. Die Kirche stellt klare Forderungen - und bietet sich als Vermittlerin an.

Autor/in:
Tobias Käufer
Eine junge Frau hält ein Schild mit der Aufschrift "Pope pray for Venezuela" / © Paul Haring (KNA)
Eine junge Frau hält ein Schild mit der Aufschrift "Pope pray for Venezuela" / © Paul Haring ( KNA )

Die Kirche in Venezuela fordert die Freilassung aller Demonstranten, die während der Proteste gegen das umstrittene Ergebnis der Präsidentschaftswahlen verhaftet wurden. Es war Ende Juli offiziell verkündet worden. Zum Abschluss ihrer Vollversammlung heißt es nun in einer Stellungnahme der Venezolanischen Bischofskonferenz: "Wir lehnen die Unterdrückung von Demonstrationen, willkürliche Verhaftungen und Menschenrechtsverletzungen, die nach den Wahlen stattgefunden haben, kategorisch ab."

Zugleich bekräftigten die Bischöfe ihre Aufforderung an den Nationalen Wahlrat, die Ergebnisse der Wahlen vom 28. Juli im Detail zu veröffentlichen. Sie zeigten den Willen des venezolanischen Volkes zu einem verfassungs- und gesetzeskonformen Wandel. Die Bekanntmachung dieser Dokumente sei ein wesentlicher Schritt, um das Vertrauen der Bürger in die Wahl zu erhalten und die wahre Bedeutung von Politik wiederherzustellen.

Ein Mann trägt ein Portrait des venezolanischen Präsidenten Maduro / © Ruben Sevilla Brand (dpa)
Ein Mann trägt ein Portrait des venezolanischen Präsidenten Maduro / © Ruben Sevilla Brand ( dpa )

"Nur so können wir gemeinsam auf dem Weg zum Aufbau eines demokratischen und friedlichen Venezuela vorankommen", schreiben die Bischöfe. Mit Blick auf die "schwierige Situation in unserem Land" bekräftigen sie ihre Vermittlungsbereitschaft. Zudem wollen sie Initiativen fördern, die zur friedlichen Beilegung von Differenzen beitragen.

UN sehen Verbrechen gegen Menschlichkeit

Das Regime von Staatspräsident Nicolas Maduro hatte im Sommer regierungskritische Proteste gegen das Wahlergebnis blutig niederschlagen lassen: Zwei Dutzend Tote, mehr als 60 verhaftete Oppositionelle und 18 verhaftete Journalisten meldeten einheimische Medien. Eine unabhängige Beobachterkommission der Vereinten Nationen warf der Regierung in einem jüngst veröffentlichten Bericht in der Nachwahlphase Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor.

Zuletzt hatten Wahlbeobachter des Carter Center aus den USA die Ergebnisse ihrer Ermittlungen der Organisation Amerikanischer Staaten mitgeteilt. Nach diesen Erkenntnissen hatte Oppositionskandidat Edmundo Gonzalez die Wahlen gewonnen. Das Carter Center bestätigt damit die eigenen Auszählungen des Oppositionslagers - auf Basis der Wahlakten, zu denen die Fachleute Zugang hatten. Die Maduro-Regierung hatte das Carter Center selbst eingeladen.

Stillstand bis zu den US-Wahlen?

Anerkannt haben seinen Wahlsieg engste Verbündete aus Kuba, Nicaragua, Bolivien, Russland und China. Die Nachbarländer Brasilien und Kolumbien, ebenfalls links regiert und als Vermittler aktiv, bestehen bislang vergeblich auf der Veröffentlichung der Wahlakten, mit denen Maduro seine Behauptung vom Wahlsieg belegen soll.

Chiles linker Präsident Gabriel Boric wirft Maduro offen Wahlbetrug und die Errichtung einer Diktatur vor. Mexiko hat sich aus der Vermittlerkommission mit Brasilien und Kolumbien zurückgezogen. Wie es nun weitergeht, ist unklar. Beobachter gehen davon aus, dass sich bis zu den US-Wahlen am 5. November nichts mehr tun wird.

Der mutmaßliche Wahlsieger Edmundo Gonzalez hat auf Druck der venezolanischen Justiz das Land verlassen und befindet sich im Exil in Spanien. Oppositionsführerin Maria Corina Machado dementiert Gerüchte, sie werde Venezuela ebenfalls den Rücken kehren: "Ich bleibe an der Seite des venezolanischen Volkes". Gonzalez kündigte an, sich am 11. Januar vor der Nationalversammlung in Caracas als neuer Präsident vereidigen lassen zu wollen.

Ein Viertel will das Land verlassen

Laut einer jüngst veröffentlichten Umfrage des Instituts "Poder y Estrategia" (dt.: Macht und Strategie) erwägen 26 Prozent der noch in Venezuela lebenden Menschen, ihre Heimat in den kommenden Jahren zu verlassen. Bereits in den vergangenen Jahren hatten rund acht Millionen Venezolaner dem Land den Rücken gekehrt. Die meisten flohen wegen der katastrophalen Versorgungslage sowie der staatlichen Repression in die lateinamerikanischen Nachbarländer oder die USA.

Der ersten großen Migrationswelle vorausgegangen war 2015 ein klarer Wahlsieg der Opposition bei den Parlamentswahlen. Statt die Niederlage zu akzeptieren, ließ Maduro seinerzeit die Nationalversammlung auflösen.

Venezuela - Lage und Hintergrund

In Venezuela wächst die Angst vor einem Bürgerkrieg. Bei Massendemonstrationen gegen die sozialistische Regierung von Präsident Nicolas Maduro sind in den vergangenen Tagen mehrere Menschen getötet worden. Die Polizei setzt Tränengas ein, um die Oppositionsanhänger auseinanderzutreiben. Das Militär wurde in Alarmbereitschaft versetzt, 500 000 Milizen sollen mit Gewehren ausgerüstet werden. Zudem wurde der sogenannte "Plan Zamora" aktiviert, der den Sicherheitskräften Sondervollmachten bei der Bekämpfung "feindlicher Kräfte" verleiht.

Kirche in der neuen Diözese Petare in Caracas, Venezuela / © Erik Gonzalez (shutterstock)
Kirche in der neuen Diözese Petare in Caracas, Venezuela / © Erik Gonzalez ( shutterstock )
Quelle:
KNA