DOMRADIO.DE: Wie viel war Gottesdienst und wie viel Mode-Präsentation bei Ihnen?
Michael Franke (Pfarrer in Ankum in Niedersachsen): Es war alles Gottesdienst und wir haben in diesem Gottesdienst Mode gezeigt –also betrachtet, reflektiert und darüber nachgedacht.
Es ging uns gar nicht darum, Mode zu präsentieren, um sie zu verkaufen, sondern es ging darum, aus biblischer Perspektive zu reflektieren, warum und wozu wir uns eigentlich anziehen. Hat das vielleicht sogar was mit der Bibel und dann mit unserem Glauben und mit Gott zu tun?
DOMRADIO.DE: Wie passen denn Bibel und Fashion zusammen?
Franke: Grundsätzlich haben wir im Vorbereitungsteam überlegt, was wir eigentlich in diesem Gottesdienst bewirken wollen. Dazu muss ich erzählen, dass das Ganze nicht nur ein Gottesdienst der Kirchengemeinde war, sondern auch noch andere daran beteiligt waren.
Wir haben hier in Ankum vor vier Jahren einen Verein gegründet, der heißt "Traumfänger" und kümmert sich um die Trauerbegleitung von Kindern und Jugendlichen. Wir haben festgestellt, dass es das in unserer Region nicht gab. Dieser Verein hat große Probleme, sich zu finanzieren, weil das Thema Trauer immer schwierig in die Öffentlichkeit zu bringen ist. Deswegen hatten wir schon vor zwei Jahren die Idee, eine Modenschau zu veranstalten. Wir werden nämlich durch Spenden von einem ganz normalen Modegeschäft hier vor Ort unterstützt.
Die Besitzerin dieses Modegeschäftes hat unsere Arbeit persönlich kennengelernt und wollte uns dabei unterstützen. Dieses Modegeschäft führt schon seit vielen Jahren Modenschauen in Kooperation mit lokalen Vereinen durch, wo ganz normale Leute, Vereinsvorstände vom Fußballverein, vom Schützenverein und was ist so hier auf dem Land gibt, Mode präsentieren.
Dann ist eben vor zwei Jahren die Besitzerin dieses Geschäftes auf uns als Verein "Traumfänger" zugegangen und hat vorgeschlagen, dass wir eine Win-Win-Situation machen: Ihr präsentiert meine Mode und wir sammeln Spenden für euren Verein. Das hat einen riesigen Absatz gefunden.
Die Leute haben mitbekommen, dass der Verein "Traumfänger", in dem auch noch unser Pfarrer im Vorstand ist, sogar auch Mode präsentiert. Auf einmal meldeten sich super viele Leute, die unbedingt die Modenschau mit dem Pfarrer sehen wollten. Es hätten wirklich fast dreimal so viele Leute zu dieser Modenschau kommen wollen, als überhaupt in den Raum reingepasst hätten. Deswegen hatten wir schon vor gut einem Jahr dann die Idee: Wir wiederholen das, wir müssen einen größeren Raum haben.
DOMRADIO.DE: Und da fiel Ihnen die Kirche ein?
Franke: Da fiel uns die Kirche ein, da habe ich aber gleich gesagt: Moment, dann aber ein komplett anderes Format. Wir können nicht einfach eine kommerzielle Modenschau – gut, die war es ja auch nicht, die war ja auch für einen guten Zweck – aber wir können das jetzt nicht einfach nur in den Raum verlagern, weil da erstens mehr Platz ist und weil das vielleicht eine coole Location ist und dadurch die Neugierde der Leute weckt. Wir wollen also nicht nur Effekthascherei.
Natürlich war uns von Beginn an klar, dass wir mit diesem Raum und mit diesem Ort bei den Leuten eine gewisse Reaktion von Neugier und Skepsis hervorrufen. Dann haben wir uns aber ans Werk gemacht und dann diesen Gottesdienst vorbereitet.
DOMRADIO.DE: Sie haben den Gottesdienst gefeiert als Pfarrer, aber Sie sind auch auf dem "Laufsteg" gelaufen. Wie hat sich das für Sie so angefühlt?
Franke: Total gut, denn ich bin nicht wirklich auf dem Laufsteg gelaufen, um das zu sagen. Wir haben bewusst einfach nur die Gänge zwischen den Kirchenbänken gewählt und sind dort gelaufen. Natürlich wollten die Leute auch sehen, was da diese Models tragen. Auch hier galt dasselbe Prinzip: Alte Leute und junge Leute haben als sogenannte Models dort mitgemacht, der Pfarrer genauso wie andere Menschen, die in unserem Verein und in der Kirchengemeinde aktiv sind.
Ich hatte nicht das Gefühl, wie ein Model behandelt zu werden. Ich bin ja auch keins. Ich habe keine Modelmaße und bin da weit von entfernt. Es ging wirklich darum, aus einem biblischen Impuls heraus - von Genesis bis hin zu Apokalypse des Johannes - Kleidung zu betrachten und sie natürlich auch schick zu finden und zu applaudieren. "Mensch, das ist toll, was du anziehst."
Gleichzeitig haben wir dann immer wieder in einem Wechsel von Lektorinnen und Lektoren biblische Verse gehört oder ganze Abschnitte. Ich habe Kurzpredigten gehalten, wir haben gebetet, wir haben einfach auch über Kleidung neu nachgedacht. Denn kurz vorher war ja das Erntedankfest.
Die Kirche war noch, wie es im ländlichen Raum ja vielerorts noch üblich ist, festlich geschmückt mit Erntegaben. Wir haben in diesem Gottesdienst einfach auch unsere Alltagskleidung, unsere Arbeitskleidung mit all den Aspekten, die dazu gehören, mit zum Altar gebracht. Das haben die Leute auch wirklich gut verstanden und auch mit vollzogen. Das fand ich eigentlich am schönsten daran.
DOMRADIO.DE: Wie haben die Leute reagiert? Waren sie neugierig oder skeptisch? Wie ist Ihr Fazit?
Franke: Alle, die dabei waren, waren begeistert. Dabei waren sie positiv überrascht und haben gesagt, dass die Kirche eben nicht zu einer Markthalle gemacht worden sei, sondern dass sensibel mit diesem Bereich umgegangen wurde. Kleidung ist neben Essen eines der häufigsten Gesprächsthemen. Sei es bei der Kaffeepause, bei der Arbeit oder im Kaffeeklatsch, ist immer wieder Thema, was die Leute anhatten und was dabei schick aussah.
Kleidung ist ja wirklich ein Thema, mit dem wir uns jeden Tag beschäftigen, einfach schon aus der Notwendigkeit heraus, um uns zu schützen, zu wärmen. Aber auch um aus uns etwas zu machen und das als Auftrag Gottes zu verstehen, der uns aus dem Paradies heraus geschickt hat in die Welt - mit allen Konsequenzen und eben auch mit der Alltagsfrage: Was ziehe ich denn an?
Weil Kleidung vielleicht wie eine zweite Haut ist, dürfen wir sie aus einer Schöpfungstheologie heraus betrachten oder aus einer christlichen Anthropologie heraus. Das ist ein sehr elementares und basales Lebensthema, das die Menschen beschäftigt.
Warum sollten wir dann nicht auch noch mal auf das Hören und das reflektieren, was die Heilige Schrift dazu sagt? So kommen wir dann zu einem Ergebnis, das in einer Glaubenskommunikation der heutigen Zeit gebracht werden soll. Darum geht es ja schließlich. Wir sollen die Themen der Menschen im Lichte unseres Glaubens betrachten und vor Gott bringen. Da gehört Kleidung einfach dazu.
DOMRADIO.DE: Die Kirche steht ja nun oft in der Kritik, da läuft vieles nicht so rund. Schaffen Sie mit solchen Aktionen eine andere, eine offene Kirche?
Franke: Ja, das glaube ich. Wobei es mir gar nicht darum geht, Gegenbilder zu den kritischen Dingen, die unsere Kirche beschäftigen, zu produzieren.
Es geht vielleicht eher mal darum, in einer Zeit wie heute zu versuchen, neben dem großen Schatz unserer liturgischen Traditionen und Feiern, andere Wege zu gehen, um in eine Glaubenskommunikation zu treten, die vielleicht auch andere Menschen, die nicht mehr so in unserer klassischen Liturgietradition stehen, zu erreichen. Das ist auf jeden Fall gelungen.
Das Interview führte Carsten Döpp.