DOMRADIO.DE: Seit Wochen hört man von einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Donald Trump und Kamala Harris. Mal ist die eine vorne, mal der andere. Wo sehen die Umfragen die beiden heute, genau eine Woche vor der Wahl?
Klaus Prömpers (Journalist und USA-Experte): Nach wie vor im Kopf-an-Kopf-Rennen. Denn wenn man die etwa 30 Umfrageinstitute gesamt betrachtet, dann sieht man mal Kamala Harris vorne, mal Donald Trump. Die Zusammenfassung ist, dass alles noch sehr eng ist. Entscheidend wird sein, wie die sieben Swing States abstimmen: Arizona, Michigan, North Carolina, Pennsylvania, Georgia, Nevada und Wisconsin.
In Wisconsin, Nevada und Pennsylvania liegen beide gleichauf. Das heißt, der eine oder die andere kann gewinnen. In Michigan hat die Demokratin Harris ein Prozent Vorsprung. In North Carolina, Georgia und Arizona hat Trump einen Vorsprung von ein bis zwei Prozent.
Das heißt noch nichts, denn das liegt jeweils im Rahmen der Irrtumswahrscheinlichkeit, die solche Umfragen immer noch haben. Die liegt bei 2,8 bis 3,4 Prozent.
DOMRADIO.DE: Bei Männern liegt Trump deutlich vorne. Harris überzeugt klar die Frauen. Jetzt versucht sie auch männliche Wähler mehr anzusprechen. Wird das jetzt die Strategie von Harris in den letzten Tagen vor der Wahl sein?
Prömpers: Im Endspurt auf jeden Fall. Bei Frauen hat sie durch ihr Eintreten für Demokratie und für die Rechte der Frau in Sachen Abtreibung und künstliche Befruchtung einen klaren Vorteil. Bei Männern liegt sie insbesondere bei den eher zu Demokraten neigenden Latinos und African Americans, also den Schwarzen, etwas gegenüber Trump zurück.
Das muss sie versuchen auf den letzten Metern wettzumachen. Ob das in einer knappen Woche gelingt, ist fraglich. Sie versucht es mit Macht und wir werden sehen, ob es ihr gelingt.
DOMRADIO.DE: Donald Trump hat sich zuletzt auf einer Großveranstaltung im Madison Square Garden in New York präsentiert. Harris war in Philadelphia und hat dort den dritten Gottesdienst in kürzester Zeit besucht. Wie bewerten Sie diese Auftritte?
Prömpers: Trumps Präsentation am Sonntagabend im Madison Square Garden war hoch umstritten. Denn 1938 war die Institution des Madison Square Gardens ein Heim für eine Demonstration deutscher Nationalsozialisten. Das, was am Abend im Vorprogramm zu Trump gesagt worden war, waren viele Beleidigungen von unterschiedlichsten Gruppen, sodass Trump da in Schwierigkeiten gekommen sein könnte, zumal Kamala Harris ihm ohnehin vorwirft, dass er ein Faschist sei.
Sie begründet das mit der Aussage einer von Trumps engsten Mitarbeitern aus seiner erster Präsidentschaft. Dieser hatte der New York Times in einem Interview gesagt, Trump habe hinter verschlossenen Türen mal gesagt, Hitler habe ja nicht nur Schlechtes gemacht.
Harris wird heute eine aus ihrer Sicht hoffentlich große nationale Abschlusskundgebung machen. Genau an jener Stelle in Washington D.C., wo am 6. Januar 2021 Donald Trump mutmaßlich Männer und Frauen zum Sturm aufs Kapitol, Repräsentantenhaus und Senat geschickt hatte. Das führte zu fünf Toten. Das Rennen geht bis zur letzten Sekunde nächsten Montagabend.
DOMRADIO.DE: Welche Rolle spielen insbesondere der Swing State Pennsylvania und die Katholiken dort?
Prömpers: Erstens hat Pennsylvania unter den Swing States die größte Anzahl von Wahlmännern und Wahlfrauen zu vergeben, nämlich 19. Ein Sieg ist dort für beide Kandidaten besonders wichtig. Eine zwei Wochen alte Umfrage des National Catholic Reporter unter katholischen Wählern ergab, dass Donald Trump in allen sieben Swing States mit seiner Botschaft fünf Punkte vor Kamala Harris liegt.
Sie allerdings dominiert dort bei Latinos und African Americans. Sieben von zehn Spanischsprachigen wählen dort Harris und dreiviertel der Schwarzen wollen für sie stimmen, wenn man den Umfragen glaubt. Sie verfügt bei beiden Gruppen immer noch über mehr Glaubwürdigkeit und Vertrauen als Trump. Ob das ausreicht, wird sich zeigen.
DOMRADIO.DE: Am Morgen des 6. Novembers unserer Zeit wird es spannend, wenn die Ergebnisse so nach und nach eintrudeln. Aber es wird mit Sicherheit ein sehr langer Wahltag, oder?
Prömpers: Auf jeden Fall. Vor fünf Uhr wird es keine Tendenz geben. Ich glaube nicht mal, dass wir an dem Tag bereits das Endergebnis haben werden. Sollte Trump verlieren oder sollte es sich in Richtung Wahlverlust entwickeln, dann wird es erst recht länger dauern. Dann wird Trump wieder von Betrug und gestohlenen Stimmen sprechen. Er wird Anwälte losschicken, für die auf der republikanischen Seite jetzt schon Geld gesammelt wird, und er wird Nachzählungen einfordern.
Endgültig wird das erst am 6. Januar 2025, wenn die Wahlmänner im US-Kongress ausgezählt werden. Es kann sein, dass vorher noch der von Trump konservativ besetzte Supreme Court, das Oberste Gericht, eine Entscheidung treffen muss. Wie 2000 als der Demokrat Al Gore und der Republikaner George Bush kandidierten.
In Florida gab es lange Auszählungsgeschichten, wer vorne liegt. Schließlich entschied der Supreme Court, dass Schluss sei. Bush hat gewonnen und Al Gore akzeptierte das. Das kann passieren. Wir wissen also noch nicht, was nach dem Wahltag wirklich abgeht.
Das Interview führte Carsten Döpp.