DOMRADIO.DE: 2003 gab es das erste Union Weihnachtssingen in Köpenick mit 89 Fans. Das war eigentlich damals nicht ganz legal. Sie waren damals noch nicht dabei. Aber sie wissen, wie das war 2003...
Pfarrer Ulrich Kastner (Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Bohnsdorf Grünau Berlin): Genau, das war eine Aktion der Fans um den Fan Thorsten Eisenbeiser. Und der kletterte damals über den Zaun beziehungsweise ein ganz fest verschlossenes Tor und ist dann mit einigen Fans aufs Feld gegangen. Sie waren an der Seitenlinie aus Respekt vor dem Rasen und haben dort Weihnachtslieder gesungen.
Sie merkten dann aber bald, so nach dem zweiten Mal, dass ihnen das viel Hoffnung gegeben hat und sie aber auch gerne ein bisschen mehr wüssten über die Hintergründe der Weihnachtslieder. Die Weihnachtslieder beschäftigen sich ja nun ganz dezidiert mit der Geburt Jesu zu Bethlehem, dem Kern des Weihnachtsfestes. Dann wollte man doch gerne wissen, was es damit auf sich hat.
Deswegen hat man den damals schon im Ruhestand befindlichen Pfarrer Peter Müller aus Köpenick gefragt, ob er nicht die Weihnachtsgeschichte vorliest und auch betet. So ist es entstanden und daraus ist dann auch das Weihnachtssingen geworden.
Heute ist eine große Veranstaltung daraus geworden, die bundesweit nachgeahmt wird. Ich glaube sogar fast international. Und heute kriegt man kaum noch Karten.
DOMRADIO.DE: Sie selbst sind dann 2017 fester Bestandteil des Weihnachtssingens geworden als Nachfolger von Pfarrer Müller. Sie lesen die Weihnachtsgeschichte, beten mit den Menschen. Sie sorgen also für die biblischen Grundlagen. Wie kommt das bei den Fans an?
Kastner: Also dafür, dass die meisten Menschen eher nicht so sehr Kirchenaffin sind, ist es doch äußerst erfreulich. Und wenn plötzlich jemand auf den Pfarrer zukommt und fragt "Kannst du uns mal etwas aus der Bibel vorlesen und kannst du mit uns beten?", dann macht man das auch sehr gerne.
Es ist schon klar, dass natürlich nicht alle 28.000 Menschen mit voller Inbrunst dabei sind. Das ist völlig klar, aber das ist auch okay. Wer will, der kann mit uns beten und das tun auch viele.
DOMRADIO.DE: Wir stehen alle noch unter dem Eindruck des Attentats auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt. Wie werden Sie morgen Abend darauf eingehen?
Kastner: Wir werden auf jeden Fall darauf eingehen. Das ist schon ein sehr drastisches Ereignis. Und das gehört bei aller Weihnachtsfreude natürlich dazu, der Opfer zu gedenken. In welcher Form, das werden wir noch sehen.
DOMRADIO.DE: Beschreiben Sie mal die Atmosphäre beim Weihnachtssingen. Wie hört sich das an? Wie fühlt sich das an?
Kastner: Das ist wirklich toll. Es ist sehr beeindruckend. In der Alten Försterei, im alten Stadion in Berlin-Köpenick, wo die Entfernungen nicht so groß sind, hat man eine große räumliche Nähe. Das ist eine sehr schöne Atmosphäre und das spiegelt auch die Werte des Vereins wider.
DOMRADIO.DE: Die Veranstaltung ist lange ausverkauft. Und dann wird 90 Minuten plus Nachspielzeit gesungen. Was steht alles auf dem Programm?
Kastner: Durch die Bank werden die klassischen Weihnachtslieder und einige Unionhymnen gesungen. Und dann gibt es immer zwischendurch auch mal spontane Vereinsgesänge, die angestimmt werden. Aber das ist wirklich ein ausgesprochen fröhliches und lebendiges Miteinander.
DOMRADIO.DE: Warum ist diese Form des gemeinsamen Weihnachtssingen so erfolgreich?
Kastner: Ich denke, weil Gemeinschaft etwas ganz Zentrales ist. Im Kern der Zivilgesellschaft begegnen sich die Menschen. Und das ist nicht nur zu Weihnachten so, sondern insgesamt wichtig für unser Leben. Keiner lebt für sich allein und in solchen Situationen verdichtet sich das noch mal und man spürt es auch stärker.
Das Interview führte Carsten Döpp.