Das katholische Entwicklungshilfswerk Misereor hat einen neuen Chef. Der ehemalige Generalvikar des Bistums Aachen, Andreas Frick (60), löst Pirmin Spiegel (66) ab, der zwölf Jahre Hauptgeschäftsführer war. Bei einem Gottesdienst und einem Festakt in Aachen gab es neben Lob und Dank auch mahnende Worte zur aktuellen Situation in der Entwicklungszusammenarbeit.
Spiegel warb in seinen Abschiedsworten darum, Menschen aus dem Globalen Süden weniger als Hilfsbedürftige zu sehen, sondern vor allem ihre Stärken und Potenziale in den Vordergrund zu rücken: "Wir sollten nicht annehmen, dass Ärmere nicht in der Lage sind, ihr eigenes Überleben zu organisieren. Sie sind keine Hilfsobjekte. Sie sind Akteure des Wandels."
Gegen ein "Wir-Zuerst-Denken"
In einem Bilanz-Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) äußerte er sich kritisch zum aktuellen Stellenwert der Entwicklungspolitik. "Mich besorgt sehr, dass die Debatten immer häufiger mit der Ansage 'Wir zuerst' verbunden werden - nicht nur bei Donald Trump mit seinem 'America first'. Immer wieder heißt es: Was bringt uns das? Was haben wir davon? Wenn wir in Entwicklungspolitik investieren, dann muss auch für uns was dabei rausspringen."
Diese Verschiebung des Diskurses mache ihn sehr nachdenklich, fügte er hinzu: "Denn das ist natürlich das Gegenteil von unserer Arbeit bei Misereor! Da darf Solidarität nicht an Eigennutz gekoppelt sein, sondern nur davon abhängen, was die Ärmsten brauchen in ihrer Not." Das müsse auch in den aktuellen Debatten um Kürzungen im Entwicklungsetat stärker im Blick sein.
Dank von Misereor-Bischof Burger
Beim Gottesdienst dankte der für Misereor zuständige Freiburger Erzbischof Stephan Burger insbesondere für Spiegels "Klarheit, der faule Kompromisse fremd sind". Auf etlichen gemeinsamen Reisen zu Hilfsprojekten sei ihm klar geworden, dass trotz des großen Engagements die Not weltweit weiter greifbar sei. Dennoch, so Burger weiter an Spiegel, stelle sich für ihn die berühmte Frage nach dem Tropfen Wasser auf den heißen Stein nicht: "Mit Dir habe ich erfahren und erleben dürfen, was Tropfen für jene bedeuten und bewirken, die sie abbekommen."
Entwicklungszusammenarbeit sei so viel mehr als ein Verteilen von Almosen aus Mitleid, fügte der Bischof hinzu. "Nein, es geht um Würde, um Gerechtigkeit, um Anerkennung, um Übernahme von Verantwortung und das in ganz konkreten Projekten."
Lobende Worte aus Brasilien und NRW
Der in Brasilien lebende katholische Theologe Paulo Süss überbrachte den Dank aus Lateinamerika - insbesondere für Spiegels Einsatz für die Rechte der indigenen Völker: "In der solidarischen und geschwisterlichen Nähe Misereors kam stets eine tiefe Verbundenheit und Weggemeinschaft mit den indigenen Völkern zum Ausdruck."
Der Leiter der NRW-Staatskanzlei, Nathanael Liminski (CDU), dankte Spiegel und erinnerte daran, dass Christentum und Kirche nicht dafür da seien, "auf das Jenseits zu vertrösten, sondern diese Welt zum Besseren zu verändern, menschlicher zu machen. Und um das zu erreichen, haben Sie auch der Politik mächtig ins Gewissen geredet."