Vor zehn Jahren war mit Blick auf die Ökumene oft von einer "Eiszeit" die Rede. Zu Beginn des Reformationsgedenkjahrs ist dagegen eine Erwärmung feststellbar. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, zeigte sich jüngst optimistisch, dass er die Einheit der Kirche noch erleben werde - eine ehrgeizige Zielvorgabe für einen 63-Jährigen.
Unverkennbar ist, dass sich die Bekenntnisse zur Ökumene derzeit häufen. Die Entscheidung der evangelischen Kirchen, ihr Reformationsjubiläum diesmal ökumenisch zu feiern, hat dabei wie ein Katalysator gewirkt: Auf vielen Ebenen setzten sich Vertreter der jeweiligen Partnerkirchen zusammen, um ihr Verhältnis zur Reformation zu justieren und Möglichkeiten des gemeinsamen Feierns zu finden.
Dass Martin Luther ursprünglich keine neue Kirche gründen, sondern als "Reformkatholik" seine Kirche erneuern wollte, ist inzwischen längst eine auf beiden Seiten geteilte Überzeugung.
Heilung der Erinnerung
Nicht zu unterschätzen ist auch der von manchen erst bespöttelte Prozess der "Heilung der Erinnerung": Er hat nicht nur zu einem gemeinsamen Dokument geführt, sondern bildet auch die Grundlage für Buß- und Versöhnungsgottesdienste in den kommenden Monaten. Auch die anglikanische Staatskirche von England bat soeben um Vergebung für die blutige Gewalt im Zuge der Reformation.
Als besonders fruchtbar erwiesen sich Formate wie die gemeinsame Pilgerfahrt des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Deutschen Bischofskonferenz ins Heilige Land - die dabei gewachsenen persönlichen Beziehungen könnten noch für manche Überraschung gut sein. Die bereits vorher guten Beziehungen zwischen Kardinal Marx und dem EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm - beide mit Amtssitz in München - sind dadurch noch enger geworden. Und nun begleitet Marx am 6. Februar eine EKD-Delegation zur Audienz bei Papst Franziskus.
Dieser trägt auch selbst wesentlich zum ökumenischen Klimawandel bei. Weltweite Beachtung fand seine Reise nach Lund am 31. Oktober 2016, um zusammen mit dem Lutherischen Weltbund (LWB) das Reformationsgedenkjahr zu eröffnen. Seine Betonung der Barmherzigkeit und seine Appelle, ungeachtet bestehender Differenzen gemeinsam zu handeln, stoßen auch bei Nichtkatholiken auf große Zustimmung.
Zugleich hat das gemeinsame Engagement vieler Gemeinden in der Flüchtlingsarbeit Rückwirkungen auf die ökumenischen Beziehungen. Bewegung gibt es auch bei einem anderen Thema: Im Dezember gab die Deutsche Bischofskonferenz neue Empfehlungen für die Kooperation des katholischen mit dem evangelischen Religionsunterricht heraus.
Vereinbarungen zur Zusammenarbeit
Immer häufiger gibt es Vereinbarungen von benachbarten katholischen Bistümern und evangelischen Landeskirchen zur Zusammenarbeit, zuletzt zwischen dem Bistum Essen und der rheinischen sowie der westfälischen Landeskirche. Der rheinische Präses Manfred Rekowski hob aus diesem Anlass hervor: "Ich bin zunehmend davon überzeugt, dass im ökumenischen Miteinander mehr Bewegung durch 'Beten und Tun des Gerechten' als durch Lehrgespräche zu erwarten ist."
Das macht die Lehrgespräche aber nicht überflüssig. Denn noch ist nicht absehbar, wie angesichts des unterschiedlichen Kirchenverständnisses bei Katholiken (sowie Orthodoxen) und den aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen die angestrebte Einheit überhaupt zu beschreiben ist. Das protestantische Konzept der gegenseitigen Anerkennung - "Einheit in versöhnter Verschiedenheit" - greift aus katholischer Sicht zu kurz. Das katholische Bild der "sichtbaren Einheit" - auch mit dem Papst - geht vielen Protestanten zu weit.
Abendmahlsgemeinschaft von Katholiken und Lutheranern?
Im Dialog zwischen dem Päpstlichen Einheitsrat mit dem LWB wird im Anschluss an die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre von 1999, der in diesem Jahr die Anglikaner und die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen beitreten wollen, über eine neue Erklärung zu Kirche, Eucharistie und Amt nachgedacht. Könnte sie die Grundlage für eine Eucharistie- oder Abendmahlsgemeinschaft von Katholiken und Lutheranern sein? Innerevangelisch wird dies mit großer Aufmerksamkeit beobachtet. Dies berühre "auch die Einheit der EKD", meinte unlängst der unierte Theologe Wilhelm Hüffmeister in der "Evangelischen Zeitung".
Es bleiben also noch dicke Bretter zu bohren - und die parallelen Dialoge müssen besser vernetzt werden. Die aktuell ökumenefreundliche Grundstimmung bietet aber gute Voraussetzungen, um auch hier weiterzukommen.