Spaniens Bischöfe haben sich gegen eine unabhängige Aufklärung von Fällen sexuellen Missbrauchs ausgesprochen. Anders als in anderen Ländern wie Deutschland oder Frankreich sollen dort "keine soziologischen oder statistischen Untersuchungen vorgenommen" werden, stellte der Generalsekretär der Spanischen Bischofskonferenz, Weihbischof Luis Argüello, bei einer Pressekonferenz in Madrid klar.
Argüello erklärte am Wochenende, die Bischöfe wollten lieber jeden Fall einzeln untersuchen. "Wir möchten, dass jedes Opfer das Gefühl bekommt, dass die Kirche in jedem Bistum bereit ist, Fälle konkret zu prüfen", so Argüello. Alle Bischöfe hätten dem zugestimmt. Die katholische Kirche sei sich der "Schwere" der Taten und auch der Bedeutung von Prävention bewusst.
Neue Akzente beim Umgang mit sexuellem Missbrauch
Darum hat die Bischofskonferenz ein aus ihrer Sicht weltweit einmaliges "Generaldekret" zum Jugendschutz verabschiedet. Es handelt sich den Angaben zufolge um eine Sammlung kirchenrechtlicher Vorgaben aus verschiedenen Dokumenten, die nun in konzentrierter Form zusammengefasst seien. Damit setze die Kirche in Spanien neue Akzente beim Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen und geistig Behinderten.
In diesem Zusammenhang hat die Bischofsvollversammlung auch die Ausbildung sowie die Arbeit der Koordinierungs- und Jugendschutzberatungsstellen konkretisiert. Das Generaldekret werde "in allen spanischen Diözesen" und in "allen religiösen Institutionen des Diözesanrechts" gültig sein und eine bessere Koordination und Schnelligkeit bei der Aufklärung, aber auch der Wahrung der Rechte aller Beteiligten garantieren, so Generalsekretär Argüello. Zuvor würden die neuen Richtlinien allerdings noch einer Prüfung durch den Vatikan unterzogen.
Kirche stark in der Kritik der spanischen Medien
Trotz des - laut Argüello - "großen Schritts" steht die Ablehnung einer kirchenunabhängigen Missbrauchsaufklärung stark in der Kritik der spanischen Medien. Vor allem die Begründung stieß auf Verwunderung. Tatsächlich wies der Bischofssprecher darauf hin, dass in den vergangenen Jahrzehnten lediglich 0,8 Prozent der Klagen und Anzeigen wegen sexuellen Missbrauchs katholische Kirchenvertreter betroffen hätten und man für die vergangenen 80 Jahren auf weniger als 1.000 Fälle komme. "Warum steht nur die katholische Kirche im Fokus?", fragte er. Es gebe auch Fälle in Sportvereinen, aber niemand fordere das spanische olympische Komitee oder den Fußballverband Fifa auf, Ermittlungen einzuleiten.
Spaniens größte Tageszeitung "El Pais" berichtete kürzlich, dass es in der katholischen Kirche des Landes nach eigenen Schätzungen - basierend auf Medienberichten und Gerichtsurteilen aus den vergangenen vier Jahrzehnten - mindestens 945 Missbrauchsfälle gegeben habe. Mindestens 173 Opfer wurden demnach mit Geldbeträgen von insgesamt zwei Millionen Euro finanziell entschädigt. Diese Personen machten jedoch vermutlich nur "einen sehr geringen Teil" der Gesamtzahl der Opfer aus, so "El Pais". In vielen Fällen sei nie eine Anzeige erfolgt. Die meisten Taten verjährten ohne Prozess.