DOMRADIO.DE: Was erwartet denn die Pilger auf so einer Wallfahrt?
Rolf Geus (Vorstandssprecher der Bonner Kevelaer-Brurderschaft): Rund 25 Kilometer am Tag im Durchschnitt, sind natürlich nicht jedermanns Sache. Man sollte also schon gutes Schuhwerk haben und recht fit sein.
Bei uns laufen Menschen mit, die schon 70 oder 75 Jahre alt sind, die schaffen das auch. Man muss sich keine großen Sorgen machen. Wenn es nicht mehr geht, dann wird man halt ein Stück gefahren. Wir sind eine gute Gemeinschaft.
Wenn wir uns am 29. Juli morgens in Bonn treffen, dann ist das wie eine Familienzusammenkunft. Nach dem Gottesdienst geht es auch los, direkt an den Rhein. Da bekommen wir von unserem Präses noch den Reisesegen und dann geht es am Rhein entlang bis nach Köln-Weidenpesch. Zwischendurch machen wir Pause in Hersel und in Wesseling.
Es ist eine tolle Geschichte zu erfahren, wie herzlich wir willkommen sind. Wie selbstverständlich das ist, dass da Menschen sind, die uns einfach bewirten und dafür sorgen, dass wir eine Tasse Kaffee bekommen, ein Glas Wasser da stehen haben und nach einer Pause gut gestärkt wieder weitergehen können.
Das alles ist überschaubar organisiert. Man muss da nicht hunderte von Euro auf den Tisch legen.
DOMRADIO.DE: Sondern?
Geus: Wenn man nachts in einem Hotel schlafen will, was einige Pilger machen, dann muss man das Hotel bezahlen. Aber ansonsten schlafen wir in Pfarrheimen auf der Luftmatratze. Das ist dann für kleines Geld zu bekommen. Tagsüber organisieren wir das meistens auch so, dass es für kleines Geld geht.
Die ganz Sparsamen kommen sicher mit 250 Euro für die Woche hin, schätze ich mal. Ein Hotel ist ein bisschen teurer, aber dann hat man eben auch ein bisschen mehr Luxus. Aber manchmal ist auch das Wenige mehr.
DOMRADIO.DE: Das Ziel Kevelaer hat mit Marienverehrung zu tun und geht zurück auf eine alte Geschichte. Was war da los?
Geus: Das ist schon sehr lange her. Da gab es einen Menschen, der eine Madonnenfigur gefunden und da aufgebaut hat. In der Folge hat es ganz schnell wundertätige Dinge gegeben. Es hat sich auch sehr schnell eine Wallfahrt entwickelt.
Wallfahren bedeutet ja nur einmal irgendwo anzukommen. Aber das Unterwegssein, die Gemeinschaft zu spüren, Kirche zu erleben, das ist, glaube ich, für viele viel entscheidender, als irgendwo anzukommen.
Man muss ein Ziel haben, sonst würde man wahrscheinlich gedankenlos in der Gegend rumrennen. Aber für die meisten ist das Unterwegssein, die Gemeinschaft zu erleben, viel entscheidender.
Der Pfarrer von Pulheim, Thomas Kuhl, geht mit uns, wird uns begleiten, um das mitzunehmen. Wobei ganz viele in Kevelaer auch beim Reinkommen wie beim Rausgehen gerührt sind, weil es Gefühle sind, die wirklich berühren.
DOMRADIO.DE: Jetzt muss man gut zu Fuß sein, damit man mitgehen kann. Aber man kann ja auch mit dem Bus hinterher kommen.
Geus: Es gibt zwei Optionen. Man kann mal einen Tag mit uns gehen oder eine andere Teilstrecke, zwei Tage oder einen halben Tag, einfach um zu probieren, ob das geht. Und dann gibt es am 1. August noch eine Buswallfahrt. Vier Busse aus der Region fahren über die Dörfer und sammeln Pilger ein und bringen die mit nach Kevelaer. Das ist für die Fußpilger natürlich auch sehr schön, wenn da am Rand ein paar Bekannte stehen und sich freuen, dass man den Weg geschafft hat.
Früher haben wir immer gesagt, das sind die "Salon-Pilger." Aber mittlerweile denke ich, wenn da Menschen über Jahre immer mit dem Bus fahren, dann haben sie auch ein Anliegen und wollen dabei sein. Vielleicht können sie auch nicht so weit laufen und dann ist das auch eine gute Sache.
DOMRADIO.DE: Wer geht denn bei Ihnen mit? Sind das Katholiken oder sind auch schon mal Protestanten oder Atheisten dabei, die sagen: Ich probier das einfach mal aus?
Geus: Wir nehmen jeden mit und wir haben tatsächlich auch jeden dabei. Wir haben jemanden aus einer Freikirche dabei, wir haben evangelische Christen dabei, wir haben aber auch Menschen dabei, die mit der Kirche ansonsten nichts zu tun haben. Die werden unterwegs nicht katholisch missioniert. Aber sie schätzen die Gemeinschaft und schätzen das, was unterwegs passiert. Das ist ein wirkliches Erlebnis.
DOMRADIO.DE: Sie selber organisieren das Ganze mit. Ist so eine Pilgergruppe eine ganz brave Gesellschaft oder macht auch schon mal einer was verkehrt?
Geus: Es gibt solche und solche. Wenn man mal ein paar Tage gelaufen ist, dann ist der Kopf auch manchmal sehr leer. Dann macht man manchmal auch ein bisschen verrückte Dinge. Aber was uns extrem hilft, ist die Unterstützung unterwegs. Egal in welchem Pfarrbüro wir anrufen, die Pfarrsekretärinnen sind super nett und kümmern sich und organisieren. Manchmal reicht ein Anruf und dann ist für 60 Leute der Tisch gedeckt. Das ist wirklich genial.
Für uns vom Organisationsteam, aber auch für die Pilger unterwegs ist das ein Punkt, wo sie Kirche erleben, wo die christlichen Werte noch eine Rolle spielen.
Das Interview führte Heike Sicconi.