DOMRADIO.DE: Sie als Caritas leisten einen großen Beitrag bei der Versorgung von Flüchtlingen. Sitzen Sie denn an diesem Donnerstag mit der Bundesinnenministerin Nancy Faeser mit am Tisch, um beim Flüchtlingsgipfel mit zu diskutieren?
Ulrike Kostka (Direktorin des Caritasverbandes für das Erzbistum Berlin): Es ist absolut nicht sinnvoll, dass die Zivilgesellschaft, die Kirchen und die Wohlfahrtsverbände bei diesem Treffen nicht mit am Tisch sitzen. Denn wir leisten gemeinsam ganz viel für die Betreuung von Flüchtlingen und auch die Integration. Und deswegen ist dieser Gipfel aus meiner Sicht zu kurz gedacht.
DOMRADIO.DE: Was können Sie denn über die aktuelle Lage aus der Sicht der Caritas sagen? Stoßen Sie bei der Unterbringung und Versorgung der Schutzsuchenden an Ihre Grenzen?
Kostka: Wir stoßen nicht an die Grenzen, aber wir merken natürlich, dass das ein Arbeitsgebiet ist, das deutlich zunimmt und das vor allen Dingen immer da ist. Wir müssen dies als Caritas, aber auch als Kirche insgesamt, als eine Daueraufgabe sehen und uns entsprechend aufstellen.
Insgesamt muss unsere Gesellschaft erkennen, dass Migration und Flüchtlinge in unserer Weltsituation dazugehören und dass wir keine Migrationsbremse einfügen können und dann ist das Thema erledigt. Vielmehr geht es darum, wie die Strukturen langfristig und nachhaltig aufgesetzt werden können.
DOMRADIO.DE: Ein großes Problem ist die Unterbringung der Geflüchteten. Wohnraum in Deutschland ist ohnehin schon sehr knapp. Ist das nicht ein Thema, das soziale Spannungen nach sich ziehen kann?
Kostka: Das führt zu sozialen Spannungen, das ist absolut richtig. Deswegen sind Flüchtlingspolitik und Integrationspolitik immer eng mit der Wohnungspolitik verknüpft. Ich sehe auch die Wohnungspolitik als einen Schwerpunkt der Caritas.
Es ist absolut wichtig, dass wir uns als Caritas noch stärker bundesweit dafür einsetzen, dass Wohnraum an allen Ecken erstellt wird. Da haben auch die Kirchen und Pfarrgemeinden noch Potenziale zu schauen, wie sie ihre kirchlichen Gebäude nutzen können, um mit Wohnraum zu schaffen. Ich glaube, das ist eine Zukunftsaufgabe der Kirchen und der Caritas.
DOMRADIO.DE: Wo liegen weitere Stellschrauben Ihrer Meinung nach?
Kostka: Ganz wichtig ist, dass wir aus dieser Projektitis rauskommen müssen. Wir erleben es immer wieder, dass eine Flüchtlingssituation kommt und wir dann die Strukturen aufbauen. Wir haben natürlich auch langfristige Strukturen, aber das hängt sehr stark mit der Finanzierung zusammen. Wir merken aber einfach, dass ehrenamtliche Pfarrgemeinden beispielsweise erschöpft sind, immer wieder neu anzufangen.
Das ist aus meiner Sicht ganz wichtig, dass die Bistümer einen Schwerpunkt darauf setzen, dass die Flüchtlingsarbeit einen der großen Schwerpunkte in den Pfarreien und bei der Caritas bildet, damit wir auch entsprechend weiter finanziell unterstützt werden.
Natürlich brauchen wir die staatliche Unterstützung. Wir hatten jetzt beispielsweise ganz tolle Ehrenamts-Projekte entwickelt, auch gerade in den neuen Bundesländern. Dann hat die Bundesintegrationsbeauftragte kurzfristig die Mittel gestrichen. Schließlich konnte das dann nicht in der gleichen Form weitergehen. Wir haben dann versucht, das mit Spenden und anderen Mitteln zu kompensieren. Aber das macht keinen Sinn und frustriert.
Die staatlichen Strukturen müssen die Zivilgesellschaft so ausstatten, dass sie das als nachhaltige Aufgabe gestalten kann. Deswegen wollen wir weg von dieser Projektitis und hin zum Aufbau von langfristigen Strukturen. Das heißt auch, dass die Ehrenamts-Koordination nicht jedes Jahr enden darf, weil das Projekt endet. Vielmehr muss das langfristig aufgestellt sein.
Das Interview führte Tobias Fricke