Christen laut Patriarch besorgt über politische Umbrüche in Syrien

"Es herrscht Angst"

Der chaldäisch-katholische Patriarch warnt nach dem Machtwechsel in Syrien vor Unsicherheiten. Die Christinnen und Christen in der Region seien zunehmend besorgt. Er hofft auf die richtigen Entscheidungen der neuen syrische Regierung.

Syrische Christen in Damaskus tragen Kreuze / © Hussein Malla (dpa)
Syrische Christen in Damaskus tragen Kreuze / © Hussein Malla ( dpa )

Nach dem Machtwechsel in Syrien zeigen sich die Christinnen und Christen in der Region zunehmend besorgt. Die Ereignisse in Syrien hätten auch Auswirkungen auf die Nachbarländer, erklärte der chaldäisch-katholische Patriarch Louis Sako in einem Interview mit dem vatikanischen Nachrichtenportal "Vatican News". 

"Es herrscht Angst unter den Menschen, und man fragt sich, welche Konsequenzen dieser Wandel für den Irak haben könnte", so Sako. Er bezeichnete die Machtübernahme der Rebellenallianz unter Führung der Islamistengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) und den Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad als "eine große Überraschung" für die Syrer und den gesamten Nahen Osten.

Ein Kreuz steht auf dem Gelände des griechisch-orthodoxen Klosters Saint Takla in Maaloula / ©  Leo Correa (dpa)
Ein Kreuz steht auf dem Gelände des griechisch-orthodoxen Klosters Saint Takla in Maaloula / © Leo Correa ( dpa )

Die syrische Übergangsregierung unter Mohammad al-Bashir, die nach dem Sturz des Regimes von Präsident Baschar al-Assad eingesetzt wurde, versprach, die Rechte aller Menschen und Konfessionen in Syrien zu respektieren. Es sei zu hoffen, dass dies aufrichtig sei, meinte Sako. Unter Christinnen und Christen herrsche jedenfalls Skepsis; Hintergrund ist die Verbindung der führenden Rebellengruppe HTS zur Terrorgruppe al-Qaida.

Der chaldäisch-katholische Patriarch betonte im "Vatican News"-Interview trotz allem seine Zuversicht: "Wir hoffen, dass die neue syrische Regierung die richtigen Entscheidungen trifft, um das Land und die Bürger, die bisher stark gelitten haben, zu schützen."

Rückgang der christlichen Bevölkerung

Die Zahl der Christen in Syrien ist seit Beginn des Bürgerkriegs drastisch gesunken, berichtete das asiatische Portal UCA News: von etwa 1,5 Millionen im Jahr 2011 auf nur noch 300.000 im Jahr 2022. Mehr als 120 christliche Gotteshäuser wurden seit 2012 zerstört.

Auch der Irak erlebte ähnliche Entwicklungen, als während der Herrschaft des "Islamischen Staates" Zehntausende Christen flohen. Rund 60 Prozent von ihnen kehrten nach der Befreiung 2017 zurück, "die anderen blieben in Kurdistan, wo sie eine neue Heimat und einen neuen Arbeitsplatz fanden", erläuterte Sako.

Menschen in Damaskus halten die Flagge Syriens hoch / © Leo Correa (dpa)
Menschen in Damaskus halten die Flagge Syriens hoch / © Leo Correa ( dpa )

Trotz der Rückkehr vieler Christen sieht Kardinal Sako keine Grundlage für eine nachhaltige Stabilität im Irak. "Es gibt keine Bedingungen für dauerhafte Sicherheit und Stabilität, um in Freiheit und mit Respekt für die Rechte zu leben." Zusätzlich hätten die Anwesenheit bewaffneter Milizen, die alles kontrollieren, und auch der tragische Brand vom 26. September 2023, bei dem während einer Hochzeit in einem Empfangssaal in Karakosch 133 Menschen starben und Hunderte verletzt wurden, eine starke Auswanderungsbewegung ausgelöst.

Trennung von Religion und Staat gefordert

Die interreligiösen Bindungen sind laut Sako im Irak sehr lebendig, "auch wenn wir nicht oft die Gelegenheit haben, uns zu treffen, weil das Umfeld es nicht zulässt, reden wir doch oft". Christen würden trotz der Hindernisse freundschaftliche Beziehungen zu Schiiten, Sunniten und anderen Religionsgemeinschaften pflegen und hätten daran gearbeitet, den Hass zu besiegen. "Das Problem sind nicht die religiösen Führer, sondern die Politiker", so der Patriarch wörtlich.

Den Beitrag der Religionen zum Frieden erklärte er mit deren Auftrag, ein freies, liebevolles Verhältnis zu Gott zu fördern. Keinesfalls dürften sie zu einem politischen Instrument werden, kritisierte Sako jeden Fundamentalismus. Der Kardinal forderte zudem auch eine Trennung von Religion und Staat und begründete dies mit deren "unterschiedlichen Realitäten": "Religion ist für den Einzelnen da und der Staat ist für alle da. Der Staat darf keine Religion haben."

Christen in Syrien

Syrien gilt als Wiege des Christentums. Vor dem 2011 ausgebrochenen Bürgerkrieg waren laut Daten der Linzer "Initiative Christlicher Orient" etwa 7 Prozent der damals 21 Millionen Syrer christlich. Aktuelle Zahlen sind schwer zu ermitteln, auch weil mindestens 5,5 Millionen Syrerinnen und Syrer aus dem Land geflohen sind. Nach verschiedenen Schätzungen soll es noch maximal 500.000 Christen in Syrien geben. Rund drei Viertel der Syrer sind sunnitische Muslime, etwa 12 Prozent gehörten vor dem Krieg der Sekte der Alawiten an, darunter auch der nun gestürzte Assad-Clan. 

Außenansicht der Kirche Sankt Georg in Izra (Syrien) / © Karin Leukefeld (KNA)
Außenansicht der Kirche Sankt Georg in Izra (Syrien) / © Karin Leukefeld ( KNA )
Quelle:
KNA