DOMRADIO.DE: Die ersten sechs Spaziergänge liegen hinter Ihnen. Diese haben in der Fastenzeit immer montags um 17 Uhr stattgefunden. Wie haben Sie diese Bewegung erlebt, die Sie organisiert haben?
Dr. Werner Kleine (Pastoralreferent in der Katholischen Citykirche Wuppertal): Ich bin ein Teil der Solidargemeinschaft Wuppertal, die ich initiiert habe. Und diese Solidargemeinschaft Wuppertal lädt zu den Spaziergängen ein.
Zu dem allerersten Spaziergang am ersten Montag in der Fastenzeit haben wir 50 Leute erwartet. Gekommen sind dann 250. Das hat sich so fortgesetzt.
Seitdem sind wir an den Montagen immer um 17 Uhr in Wuppertal unterwegs, mit bisher insgesamt über 1.400 Teilnehmern.
DOMRADIO.DE: Was sagen die Menschen, warum sie gerade jetzt auf die Straße gehen?
Kleine: Die Leute sind über die Entwicklung in der Welt und in Deutschland besorgt. Wir haben vielfältige Themen, die bearbeitet werden müssen. Dazu gehören die Energie-Fragen, die Klimakrise sowie die großen Konflikte, die es in der Welt gibt.
Jetzt kommen Parteien mit ganz einfachen Antworten auf diese komplexen Fragen. Wenn solche Parteien an die Macht kommen würden, wäre aber unser Land nicht mehr dasselbe. Auch Freiheit, Demokratie und Toleranz würden auf der Strecke bleiben.
Deswegen gehen die Menschen für die Demokratie auf die Straße. Uns als Solidargemeinschaft ist es wichtig, dass wir nicht gegen etwas demonstrieren. Man sagt schnell, man sei "gegen rechts". Aber je nachdem, wo man sich politisch verortet, ist man auch in der Mitte schon rechts. Deswegen sagen wir, dass wir für die Demokratie auf die Straße gehen, um dort ein Zeichen zu setzen.
DOMRADIO.DE: Warum sind es bei Ihnen die "Spaziergänge"?
Kleine: Zunächst einmal sind wir in Bewegung. Wer in Bewegung ist, wer geht, ist auf jeden Fall schon mal aufrecht. Das wäre man sicherlich auch bei einer Demonstration, wenn man eine Kundgebung machen würde. Aber wir zeigen uns dann auch einem breiteren Publikum in den Innenstädten.
Wenn wir uns nur auf den Rathausvorplatz und auf den Laurentiusplatz stellen würden, dann würden uns nur die mitbekommen, die gerade da sind. Dadurch, dass wir uns durch die Stadt bewegen, erhalten wir eine viel höhere Aufmerksamkeit.
Wir haben es bewusst Spaziergang genannt, weil es während der Corona-Pandemie diese merkwürdigen Spaziergänge aus einem - sagen wir mal - verschwörungstheoretischen Zirkel gab. Wir wollen uns aber diesen wunderbaren Begriff des Spaziergangs, der ja was Tolles ist, nicht wegnehmen lassen. Vielmehr holen wir uns einen Begriff zurück, der in die bürgerliche Mitte gehört.
DOMRADIO.DE: An diesem Montag geht es um 17 Uhr in Wuppertal-Elberfeld mit den "Spaziergängen für Demokratie" weiter. Was war der Ansporn für Sie, nicht locker zu lassen und einfach weiterzumachen?
Kleine: Es ist schlicht und ergreifend der Zuspruch der Wuppertaler Bevölkerung. Wir haben fast bei jedem Spaziergang über 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer gehabt. Nur ein einziges Mal hat uns das Wetter einen Streich gespielt. Aber selbst da waren über 150 Leute da.
Zunächst haben wir gesagt, dies sei ein Thema, das mindestens bis zur Europawahl im Juni aktuell bleibt. Solange wollten wir das weitermachen. Dann haben wir aber gesagt, das wir das auf jeden Fall bis zu den Sommerferien durchziehen. Was danach passiert, werden wir sehen.
DOMRADIO.DE: Wie wird denn so ein "Spaziergang für Demokratie" ablaufen?
Kleine: Wir wechseln immer zwischen den Stadtteilen Elberfeld und Barmen hin und her. Heute wird es am Bahnhof in Elberfeld eine kurze Ansprache von Klaus Schneider-Ott geben, der auch Mitglied in der Solidargemeinschaft ist. Dann zieht die Gruppe mit einem Transparent vorweg durch die Elberfelder Fußgängerzone los in Richtung Laurentiusplatz.
Dort gibt es immer noch ein Schlusswort. Es hat sich zudem sehr gut etabliert, dass zum Schluss immer noch etwas gesungen wird. Wir haben schon den "Irischen Reisesegen" gesungen oder "Die Gedanken sind frei" und zum Schluss war es "Freude schöner Götterfunken", also gewissermaßen die Europahymne.
Das Interview führte Carsten Döpp.