DOMRADIO.DE: Wie bewerten Sie das Urteil der deutschen Bischöfe?
Dr. Claudia Pfrang (Direktorin der Domberg Akademie der Erzdiözese München und Freising und Verantwortliche für das Kompetenzzentrum Demokratie und Menschenwürde der Katholischen Kirche Bayern): Ich finde es wunderbar und ganz wichtig, dass diese klare Positionierung der Bischöfe kommt, und zwar aller Bischöfe in Deutschland. Hoffentlich kommt sie noch zur rechten Zeit. Ich hätte es nicht gewagt, daran zu glauben, dass die Bischöfe sich wirklich so klar positionieren.
Ich finde, in diesen Zeiten, wo wir mittlerweile wissen, dass die AfD und ein rechtsextremes Netzwerk gesellschaftlich ganz stark wirken, ist es notwendig, dass alle gesellschaftlichen Kräfte und allen voran die Kirchen ganz deutlich gesagt haben, dass sie für Menschenwürde stehen. Das ist für uns die Grundlage. Diese Partei, die ein völkisches, nationalistisches Bewusstsein hat, ist einfach mit unserem christlichen Menschenbild nicht vereinbar und daher nicht wählbar.
Die Bischöfe gehen noch weiter und sagen, auch im Inneren unserer Kirche dürften solche Personen keine Ämter haben, weder ehren- noch hauptamtlich tätig sein. Auch das halte ich für ein ganz wichtiges Signal. Das versteht sich eigentlich von selbst. Wir als Kompetenzzentrum für Demokratie und Menschenwürde setzen uns beispielsweise gerade dafür ein, dass in den Satzungen der Pfarrgemeinderäte entsprechende Passagen stehen, die genau dies besagen.
DOMRADIO.DE: Es gibt wahrscheinlich viele Menschen, auch in Kirchenvorständen oder in Pfarrgemeinderäten, die entweder Mitglied der Partei sind oder mit ihr sympathisieren. Wie sollte man mit ihnen umgehen?
Pfrang: Ich finde, man muss da klare Kante zeigen. Wenn so was öffentlich wird, muss das thematisiert werden. Das wird für viele Gemeinden nicht einfach werden, glaube ich, weil da die Auseinandersetzungen erst wirklich losgehen werden. Da werden Diskussionen beginnen. Da sind die Verantwortlichen in den Pfarreien, wahrscheinlich vor allem die Hauptamtlichen, gefragt, sich damit auseinanderzusetzen und auch klare Haltung zu zeigen.
Der nächste Schritt ist, dass die Hauptamtlichen das vor Ort in den Gemeinden rechtzeitig erkennen und diese Positionen ernst nehmen. Das heißt, klar dazu Stellung beziehen.
Wenn es dann heißt, dass es gar nicht so schlimm sei oder man mit denen reden müsste, hat das eine klare Grenze. Ja, ich bin ganz klar für den Dialog, auch ganz klar für den Dialog in der Gesellschaft. Aber wo Menschen in ihrer Würde angetastet werden, wo es in der Migrationsdebatte heißt, nur die Deutschen könnten bleiben, alle anderen sollten auswandern - das ist ganz klar menschenfeindlich.
DOMRADIO.DE: Sie in dem Kompetenzzentrum setzen sich für Demokratie und gegen Diskriminierung ein. Was konnten Sie bis jetzt da schon bewirken?
Pfrang: Wir konnten eine größere Sensibilität für das Thema bewirken. Uns gibt es seit 2018. Die Debatte innerhalb der Kirche ist jetzt offen da. Auch wenn das nicht unser Verdienst ist, aber die Bischöfe führen innerhalb von Kirche diese Debatte nun offener, man schleicht um dieses Thema nicht mehr rum, weil es einfach unangenehm ist.
Wir führen offenbar nicht so gern gute Debatten innerhalb von Kirche. Inzwischen haben wir das etwas mit dem Synodalen Weg gelernt, aber vor Ort führen wir diese Debatten, diese Auseinandersetzung, nicht so gern. Wir machen viele Argumentationstrainings: Wie hebelt man aus, wie hört man zu, wir lernen, wie wichtig es ist, seine eigene Haltung zu reflektieren? Denn das ist ganz wichtig, selbst zu wissen, wo ich eigentlich stehe, um dann auch argumentieren zu können?
DOMRADIO.DE: Gibt es vielleicht eine Art Faustformel zum "Aushebeln"?
Pfrang: Es ist wichtig, sich selber klar darüber zu sein, wo ich eigentlich stehe und was meine Positionen sind und da wachsam zu sein. Wenn jemand anfängt mit, "das wird man ja mal sagen dürfen", werde ich sehr hellhörig und höre noch genauer hin. Überall da, wo "wir Deutschen" in den Vordergrund gestellt wird, höre ich gut hin und mache noch mal deutlich, wie wichtig mir beispielsweise Vielfalt in der Gesellschaft ist.
Das Interview führte Tim Helssen.