Debatte über Demonstrationsverbote und über Israelkritik 

Was ist eigentlich Antisemitismus?

Brandanschläge auf Synagogen, Rufe nach der Vernichtung Israels: Der Krieg im Gazastreifen hat in Deutschland zu antiisraelischen und antisemitischen Vorfällen geführt. Hier werden Begriffe im Kontext der Judenfeindschaft erklärt.

Autor/in:
Christoph Arens
Plakat mit der Aufschrift: Gegen Antisemitismus / © Christophe Gateau (dpa)
Plakat mit der Aufschrift: Gegen Antisemitismus / © Christophe Gateau ( dpa )

Antijudaismus

Der Antijudaismus hat seine Wurzeln in religiösen Vorurteilen, vor allem in der Ablehnung des Judentums durch das Christentum. Manche Historiker vermuten eine religiös bedingte Judenfeindschaft auch jenseits des Christentums: In der antiken Welt, die viele Götter akzeptierte, sei der jüdische Monotheismus eine Provokation gewesen.

Der christliche Antijudaismus hat andere Gründe: Mit seinem missionarischen Anspruch sah sich das Christentum in Konkurrenz zum Judentum, aus dem es hervorging. Schon frühe Bischofsversammlungen und mehrere Kirchenväter warfen den Juden Verstocktheit vor, weil sie Jesus nicht als Messias anerkannten.

Kruzifix auf Melaten. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Kruzifix auf Melaten. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Schuld am Kreuzestod

Ihnen wurde zudem die Schuld am Kreuzestod Jesu zugeschoben. Dennoch stand laut christlicher Verkündigung am Ende der Heilsgeschichte die Bekehrung der Juden. Daraus wurde die Berechtigung abgleitet, sie auszugrenzen, aber nicht, sie zu vernichten.

Das führte dazu, dass Juden im Mittelalter in Judengassen und Judenvierteln leben mussten; sie wurden durch Kleiderordnungen oder gelbe Flecken auf der Kleidung stigmatisiert. Da Juden viele Handwerksberufe verwehrt wurden, der Geldverleih aber offenstand, entstand eine auf Neid gegründete Feindschaft: Juden wurden als Wucherer und Spekulanten gebrandmarkt.

Progrome durch Christen im Mittelalter

Höhepunkte der Judenfeindschaft waren blutige Pogrome durch Kreuzritter sowie gewalttätige Reaktionen auf die Pestepidemie im 14. Jahrhundert. Ende des 13. Jahrhunderts wurden die Juden von den britischen Inseln vertrieben, während des 14. Jahrhunderts aus Frankreich und im 15. Jahrhundert von der iberischen Halbinsel.

Antisemitismus

Im Laufe des 19. Jahrhunderts veränderte sich der Charakter der Judenfeindschaft. Nachdem die meisten jungen Nationalstaaten die Juden zunächst rechtlich gleichgestellt hatten, richteten sich bald radikal-nationalistische Strömungen gegen sie; Juden wurden als fremdes und heimatloses Volk verunglimpft. Zugleich wurden sie für Fehlentwicklungen verantwortlich gemacht, die im Zuge der Modernisierung und Industrialisierung auftraten.

Hakenkreuz und durchgestrichener Davidstern an einer Gedenkstätte / © Daniel Reinhardt (dpa)
Hakenkreuz und durchgestrichener Davidstern an einer Gedenkstätte / © Daniel Reinhardt ( dpa )

Diese Form der Judenfeindschaft wird als Antisemitismus bezeichnet. Sie verband sich mit Rassentheorien, die seit Ende des 17. Jahrhunderts aufkamen. Vor allem die Darwinsche Theorie vom "survival of the fittest" wurde zum "Kampf ums Dasein" zwischen "höheren" und "niederen" Rassen umgedeutet.

Rassenlehre 

Die Juden wurden nun von Gegnern als Mitglieder einer Rasse verortet, die sich grundlegend von der germanischen, arischen oder romanischen Rasse unterscheide. Ihnen wurden typische Merkmale zugeschrieben – es entstanden Karikaturen vom hässlichen, gebückten und hakennasigen Juden.

Holocaust-Gedenkstätte Berlin / © michelangeloop (shutterstock)
Holocaust-Gedenkstätte Berlin / © michelangeloop ( shutterstock )

Während konservative und linke Vordenker das Judentum für Ungerechtigkeit und Elend und allgemein für den weltweiten Kapitalismus verantwortlich machten, tauchte auf der anderen Seite das Stereotyp des jüdischen Revolutionärs und Unruhestifters auf. Beide Strömungen verbanden sich mit dem Vorwurf, das Judentum wolle die Völker zersetzen und strebe die Weltherrschaft an.

In Nazi-Deutschland und im faschistischen Italien wurde der Antisemitismus Grundlage staatlichen Handelns. Im Zweiten Weltkrieg führte die NS-Judenpolitik zum Holocaust, dem Versuch der militärisch-industriell organisierten Auslöschung der europäischen Juden. Sechs Millionen Menschen fielen ihm zum Opfer.

Antiisraelische Judenfeindschaft / Antizionismus

Auch nach 1945 wurden antisemitische Denkmuster auf der Linken und der Rechten weiter entwickelt. Das gilt für Deutschland und andere europäische Länder, wo solche Haltungen in der Öffentlichkeit weithin tabuisiert sind, sich aber oft mit pauschaler Kritik an Israel Bahn brechen.

Schon in den 1970er Jahren, aber auch aktuell, kommt es zu einem Brückenschlag zwischen linken Bewegungen und islamischer Israelfeindschaft. Israel wird dabei als Agent des Imperialismus und Kolonialismus verteufelt; der Holocaust wird mit den Opfern des Kolonialismus parallel gesetzt.

Pro-palästinensische Demonstration in Berlin / © Paul Zinken (dpa)
Pro-palästinensische Demonstration in Berlin / © Paul Zinken ( dpa )

"Entlastungsantisemitismus"

In Deutschland kommt zum sogenannten Antizionismus ein Motiv hinzu, das auch als "Entlastungsantisemitismus" bezeichnet wird. Dabei geht es um Abwehr von Scham- und Schuldgefühlen gegenüber den Juden. Elemente sind die Auschwitz-Leugnung, das Einfordern eines Schlussstrichs unter die Vergangenheit und bagatellisierende Vergleiche des Holocaust mit anderen Menschheitsverbrechen sowie aggressive Vorwürfe an "die" Juden oder "den" Staat Israel.

Ein spezieller Antizionismus hat sich in der islamischen Welt entwickelt. Im jüdisch-arabischen Konflikt wird Israel von radikalen Kräften die Existenzberechtigung abgesprochen. Religiöse Gegnerschaft spielt dabei eine untergeordnete Rolle, auch wenn sich bisweilen traditionelle islamische Stereotype gegen die Juden darunter mischen.

Quelle:
KNA