Der Apostel Thomas passt hervorragend in die heutige Zeit

Schutzpatron aller Zweifelnden?

Verklärter Blick nach oben, nur leicht seufzend die mörderischen Schmerzen beim Märtyrertod ertragend. Heilige kommen oft perfekt und überlebensgroß daher. Als Glaubensvorbilder schüchtern sie eher ein. Der Apostel Thomas ist anders.

Autor/in:
Mathias Peter
Jesus erscheint nach seiner Auferstehung dem Apostel Thomas / © Nancy Bauer (shutterstock)
Jesus erscheint nach seiner Auferstehung dem Apostel Thomas / © Nancy Bauer ( shutterstock )

"Oh, Montag ist das Fest des Apostels Thomas" – "Glaub' ich nicht!" Die schlagfertige Antwort eines Domradio-Redakteurs bei einer Terminbesprechung bringt die hervorragendste Eigenschaft des Jünger Jesu auf den Punkt: der Apostel Thomas steht für den Zweifel, für einen eher skeptischen Blick auf den Glauben.

Am 3. Juli ist sein Fest, berühmt ist er vor allem für diese Passage: "Thomas, genannt Didymus – Zwilling –, einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. Die anderen Jünger sagten zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er entgegnete ihnen: Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht."

Glaube erst durch Sehen

Das Evangelium nach Johannes schildert dann die bemerkenswerte Begegnung zwischen Thomas und dem Auferstandenen. Jesus geht dabei auf den Zweifelnden ein, er schimpft ihn nicht aus, sondern gibt ihm die Chance, sein Fragen zu klären: "Die Türen waren verschlossen. Da kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte: Friede sei mit euch! Dann sagte er zu Thomas: Streck deinen Finger aus – hier sind meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! Thomas antwortete ihm: Mein Herr und mein Gott! Jesus sagte zu ihm: Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben." 

Bemerkenswert ist, dass nicht überliefert ist, dass Thomas Jesus tatsächlich berührt, sondern er glaubt Jesus, als er ihn sieht.

Thomas, der moderne Skeptiker?

Im DOMRADIO.DE-Gespräch erklärt der Theologe und Pastoralreferent Thomas Macherauch, warum er von seinem Namenspatron so fasziniert ist: "Für mich ist sehr gut nachvollziehbar, dass er da erst mal zweifelt. Er kann es nicht glauben: Wie? Jesus soll auferstanden sein? Was ist das für eine Nachricht? Und daher kommt auch dieser Satz: Bevor ich nicht wirklich meine Finger in seine Wunde oder meine Hand in seine Seite gelegt habe, tut mir leid, liebe Mitjünger, kann ich euch nicht glauben, dass Jesus lebt. Und genau diese Aussage hat ihm den Beinamen des Ungläubigen, des Skeptikers, des Zweiflers eingebracht."

Das letzte Abendmahl, Öldruck, Kopie nach Leonardo da Vinci / ©  akg-images GmbH (epd)
Das letzte Abendmahl, Öldruck, Kopie nach Leonardo da Vinci / © akg-images GmbH ( epd )

Denn nach christlichem Verständnis heißt Glauben eben nicht etwas im naturwissenschaftlichen Sinne zu wissen – da gehört Zweifel dazu, sagt Macherauch: "Ich bin rund 2000 Jahre weg von diesem Jesus und bin in einer ähnlichen Situation wie Thomas. Ich höre von anderen über Jesus. Es braucht aber diesen entscheidenden Moment, in dem ich mich mit Jesus direkt auseinandersetze und mich nicht nur auf das verlasse, was Andere mir erzählen."

Schon zu Lebzeiten des irdischen Jesus stellt Thomas beim Letzten Abendmahl eine entscheidende Frage, zögert aber auch nicht, Jesus bei der riskanten Reise nach Bethanien zu begleiten: "Dann lasst uns mit ihm gehen, um mit ihm zu sterben."

 © Francesco Pistilli (KNA)
© Francesco Pistilli ( KNA )

An Entschiedenheit scheint es dem Apostel also prinzipiell nicht gefehlt zu haben, im entscheidenden Moment wollte er aber doch eine Art Beweis. Dieser Gedanke dürfte für viele Menschen nachvollziehbar sein. "Alle großen Heiligen gehen davon aus, dass wir Gott nicht fassen können", so formulierte es der Jesuit und Kinderschutzexperte Hans Zollner im Jahr 2020 im DOMRADIO.DE-Gespräch. Gott sei größer als unser Denken. Man erlebe immer wieder Dinge, die einen zweifeln ließen: "Das ist ein ständiges Weitersuchen!"

Apostel Thomas in Indien

Nach dem Bekenntnis des Apostels Paulus zu Jesus nach dessen "Beweis" seiner auferstandenen Existenz wird es mit der Spurensuche schwieriger. Denn auch wenn Thomas als Apostel in allen Evangelien genannt wird und das Johannesevangelium ausführlich seine Zweifel beschreibt, sein weiteres Leben und Sterben bewegen sich dann weitgehend im Bereich der Legende.

Schriften ab dem Jahr 250 nach Christus – und damit rund 200 Jahre nach seinem Tod – berichten von Missionstätigkeiten in Indien und dem Gebiet des heutigen Iraks, auch ein Tod als Märtyrer in Indien wird beschrieben. Berühmt ist auch ein Thomasevangelium, das ihn zwar als Verfasser nennt, aber lange nach seinem Wirken entstand.

Viele Legenden über Thomas

Das Thema Skepsis lässt ihn übrigens auch in den Legenden über ihn nicht los, so soll er die Himmelfahrt Mariens bezweifelt haben – doch nachdem die Gottesmutter erschien, zog Thomas seine Bedenken zurück.

Aber so ist das nun mal bei den Legenden über Heilige: Zweifel, ob es wirklich so war, sind berechtigt, aber gerade dieser Heilige dürfte es verstehen.

Quelle:
DR