Eine Sonntagsmesse mit MP-Bewachung - für die deutschsprachige Gemeinde in Tunis schon lange Gewohnheit. Für die rund zwei Dutzend Gäste aus Deutschland will man an diesem Sonntag erst recht nichts riskieren. Dafür gibt es heute einen richtigen Festgottesdienst - und als Geschenk der Deutschen Bischofskonferenz überbringt die Katholische Akademie in Bayern einige Dutzend Exemplare des neuen "Gotteslob".
Präsenz der Gemeinde – eine Frauengeschichte
Die Geschichte der im Stadtteil La Marsa ansässigen Gemeinde ist derzeit eine Frauengeschichte. Man könnte von einem "Triumvirat" sprechen - bedeutete das nicht "Drei-Männer-Regierung". Ein deutschsprachiger Priester (aus Paris) kommt in der tunesischen Hauptstadt nur alle paar Monate vorbei; heute zelebriert der Akademie-Direktor aus Bayern, Florian Schuller.
Die deutsche Community besteht zumeist aus jungen Familien. Die Erwachsenen arbeiten im diplomatischen Dienst oder bei deutschen Firmen oder sind in Tunesien verheiratet. Normalerweise feiert sie die Gemeindemesse in französischer Sprache mit, gemeinsam mit Menschen aus bis zu 80 Nationen. Ansonsten lässt der örtliche Pfarrer "seine" deutschen Frauen machen.
Rückgrat der Seelsorge in Tunis ist die aus der Schweiz stammende Don-Bosco-Schwester Maria Rohrer. Die 70-jährige Ordensfrau lebt seit 2010 in Tunesien, kümmert sich als ein Schwerpunkt um Studentinnen aus Schwarzafrika. Die Zahl der Schwarzafrikaner habe zuletzt stark zugenommen, berichtet sie. "Fast alle wollen in Tunesien Geld verdienen, um damit den Schlepper nach Europa zu bezahlen."
Ertrunkene Migranten bestatten
Immer wieder werden tote Flüchtlinge an die Küste gespült; Namenlose, denen die Schleuser in Auffanglagern Geld, Handys und Papiere abgenommen haben. In der Hafenstadt Sfax werden die ertrunkenen Migranten von den Ordensleuten der Weißen Väter bestattet - anonym. "Eine harte Aufgabe", sagt Schwester Maria.
Die tunesische Kirchengeschichte des 20. Jahrhunderts ist eine von Triumphalismus und Verlust. Seit den 1880er Jahren trumpfte das Christentum unter dem kolonialen Protektorat Frankreichs zunächst auf - um dann umso tiefer zu fallen.
Im Zuge der staatlichen Unabhängigkeit Tunesiens 1956 verließen Zehntausende ausländische Christen das Land; die Sozialisten verstaatlichten das allermeiste Kirchengut. Die im Land Verbliebenen mussten einen schmerzhaften Mentalitätswandel vollziehen, so Schwester Maria.
Christen in der Diaspora
Von den 11,2 Millionen Bewohnern Tunesiens sind derzeit rund 25.000 Katholiken, vor allem Studenten, Migranten, Botschafts- und Gastarbeiter aus Schwarzafrika oder aber Europäer. Sie werden betreut von landesweit etwa 40 Priestern und 90 Ordensfrauen. Schon seit den 1970er Jahren kamen - nicht zuletzt durch die massiven Anstrengungen des sozialistischen Gründungspräsidenten Habib Bourguiba - zahlreiche schwarzafrikanische Studenten nach Tunesien.
Für die Christen unter ihnen wurde seit den 80er Jahren eine Studentenseelsorge aufgebaut. Diese kommt heute auch den Migranten zugute, die vielfach unter prekären Verhältnissen leben. Die Gemeinde St. Cyprien hat eine große Fluktuation. Jedes Jahr geht ein Drittel; andere kommen hinzu: Studenten machen ihren Abschluss, Arbeitsverträge enden, Migranten sind irgendwann weg.
Auch die deutschsprachige Community ist ständig im Wandel - ein "Durchlauf alle drei bis fünf Jahre", wie Marion Kasten beschreibt, Referentin an der österreichischen Botschaft in Tunis. Sie ist ein weiteres Mitglied des Frauen-Triumvirats, ebenso wie die junge Erfurter Theologin Lucia Kremer. Sie ist vor kurzem mit ihrem Mann hergekommen, der eine Korrespondentenstelle angetreten hat.
Ein reizvolles pastorales Experiment
Die Kinder der Gemeinde - von denen es überraschend viele gibt - wachsen viersprachig auf: mit Deutsch zuhause, Französisch und Arabisch im Alltag und Englisch in der internationalen Schule. Religionsunterricht gibt es in der Gemeinde. "Ein bisschen funktioniert das hier wie eine Studentengemeinde in Deutschland", so die promovierte Liturgiewissenschaftlerin Kremer: in Abstimmung mit dem Pfarrer, doch im Grunde ziemlich autonom.
Eigentlich ein reizvolles pastorales Experiment, noch dazu an einem ganz frühen Ort des Christentums. Die kleine Gemeinde St. Cyprien ist benannt nach dem antiken Märtyrerbischof Cyprian von Karthago (um 200/210-258).
Allerdings sind Martyrium und Missionierung weder Weg noch Ziel, sagt Schwester Maria: "Wir wollen vor allem präsent sein, den christlichen Glauben leben." Darin stehen sie wiederum in der Tradition zweier antiker Frauen der Region: Felicitas und Perpetua, die 203 in Karthago als Märtyrerinnen hingerichtet wurden. Auch diese jungen Frauen wollten in einer weitgehend heidnischen Umgebung vor allem überzeugen - durch einen alternativen Lebensentwurf als Christen.
Glaubensvollzüge im Verborgenen
Auf dieses Denken geht auch Gastpriester Schuller in der Messe ein: Der heilige Augustinus, im 5. Jahrhundert Bischof im benachbarten Hippo, predigte einst in Karthago, Christus sei nach seiner Auferstehung nur seinen Leuten erschienen, nicht den anderen, etwa um sie zu provozieren. Augustinus: "Es war nämlich wichtiger, die Freunde Demut zu lehren, als die Feinde mit der Wahrheit herauszufordern."
Und so vollziehen sich viele Glaubensvollzüge eher im Verborgenen - aber keineswegs ohne Charme. So gab es etwa in diesem Jahr erstmals in Tunis "Sternsinger unter Palmen". Die Kinder der deutschsprachigen Gemeinde zogen zwar nicht durch die Straßen, aber brachten doch zumindest allen befreundeten Familien ihren Segen.
Und was die Seelsorge angeht, so berichtet Schwester Maria, da seien die Tunesier ziemlich tolerant: "Hier sind wir alle 'Baba Santa' (heiliger Vater) - egal ob Frau oder Mann."