Dompropst Guido Assmann erklärte, dass Jesus die Schriftgelehrten scheinheilig nannte. Denn sie lebten im Privaten nicht so, wie sie es nach außen zeigten, wie sie es lehrten und die Schriften verlangten.
Deswegen rief Assmann dazu auf, authentisch und ehrlich zu leben, "nicht nur vor der Haustür, sondern auch in der eigenen Wohnung." Mit der Liebe zu Gott ist die Liebe zum Nächsten unmittelbar verbunden. Das sollte nicht nur verkündigt, sondern auch gelebt werden. Dann verlange man von anderen nicht, was man selbst nicht tun kann. So sei man sich auch der eigenen Begrenzung bewusst. "Das sehen die Menschen und nehmen es ernst."
Die Gläubigen würden sich nach dem Evangelium fragen: "Gebe ich von dem was mir Verfügung steht, alles?" Im Vertrauen zu Gott würden sie die Antwort finden. Jeder habe eine Idee, wie man sich einsetzen könne, "weil das Herz es sagt", erklärte Assmann zum Abschluss.
DOMRADIO.DE übertrug im Internet-TV am zweiunddreißigsten Sonntag im Jahreskreis das Kapitelsamt – für die lebenden und verstorbenen Mitglieder des Zentral-Dombau-Vereins – aus dem Kölner Dom mit Dompropst Guido Assmann.
Der Kölner Domchor sang unter der Leitung von Eberhard Metternich die Missa Trium Regum von Friedrich Koenen sowie "Os justi" von Anton Bruckner und "Gott hat mir längst einen Engel gesandt" von Thomas Gabriel. An der Orgel: Winfried Bönig.
„Jesus sah zu, wie die Leute Geld in den Opferkasten warfen. Viele Reiche kamen und gaben viel. Da kam auch eine arme Witwe und warf zwei kleine Münzen hinein. Er rief seine Jünger zu sich und sagte: Amen, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Opferkasten hinein-geworfen als alle andern. Denn sie alle haben nur etwas von ihrem Überfluss hineingeworfen; …“ (Mk 12,41 ff.)
Impuls zum Evangelium Mk 12,38-44
Hier die Schriftgelehrten, da die Witwe. Hier die Vornehmen, da die Bedeutungslose. Hier die Reichen, da die Arme. Im Prinzip ist es für alle klar, dass Jesus auf der Seite der Witwen, der Bedeutungslosen und der Armen steht. Uns ist das klar. Wir wissen es, weil es so selbstverständlich zum Glauben gehört, dass eine andere Haltung unvorstellbar wäre.
So selbstverständlich war es nicht immer. Jesus rief die Seinen eigens zu sich, um ihnen die Witwe mit ihren beiden kleinen Münzen zu zeigen. Sie macht nichts her im Vergleich zu den gut gekleideten und weltgewandten Schriftgelehrten. Sie trägt nichts zum Bestand des Tempels bei, während die Schriftgelehrten mit ihren Gaben dafür sorgen, dass der Bestand der Gemeinde gesichert bleibt. Jesus musste die Jünger erst daran erinnern, dass Gott die Witwen und Waisen liebt. Er wies sie darauf hin, dass die Witwe mehr getan hat als die anderen.
Sein Lob der Witwe erinnert an die Perspektive Gottes, die Israel von den ersten Tagen an vor Augen hatte: Die scheinbaren Verlierer sind wichtiger für das Ganze des Lebens als die strahlenden Gewinner. Diese Lektion ist schwer zu begreifen und noch schwerer zu beherzigen. Aber durch Jesus ist sie aus unseren Köpfen und Herzen nicht mehr wegzudenken.
Katharina Wiefel-Jenner. Aus: TeDeum – Das Stundengebet im Alltag, November 2024, www.tedeum-beten.de