EKD-Präses rechtfertigt Waffenlieferungen an Ukraine

"Keine perfekte Antwort"

Frieden ist ein Kernthema der Kirchen. Mit Blick auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine befinde man sich daher in einem Dilemma, sagt die EKD-Präses Heinrich, denn die Ukrainer haben das Recht zur Verteidigung.

Ein nachgebauter Panzer mit Blumen und einem Plakat mit der Aufschrift 'Stop the war' beim Ostermarsch 2022 in Hannover. / © Julian Stratenschulte (dpa)
Ein nachgebauter Panzer mit Blumen und einem Plakat mit der Aufschrift 'Stop the war' beim Ostermarsch 2022 in Hannover. / © Julian Stratenschulte ( dpa )

Die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anna-Nicole Heinrich, hält Waffenlieferungen an die Ukraine für gerechtfertigt. Das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine sei unbestritten, sagte Heinrich im Interview der Woche (Sonntag) Im Deutschlandfunk. Gerade ihrer Generation falle es schwer, in Worte zu fassen, was derzeit in der Ukraine passiere. Auch die christliche Friedensethik stehe nun vor Diskussionen.

Anna-Nicole Heinrich, Präses der Evangelischen Kirche in Deutschland / © Thomas Lohnes (epd)
Anna-Nicole Heinrich, Präses der Evangelischen Kirche in Deutschland / © Thomas Lohnes ( epd )

Zum ökumenischen Dialog zwischen EKD und der Russischen Orthodoxen Kirche sagte Heinrich: "Nein, wir brechen Gespräche zur Ukrainischen Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats und auch zur Russischen Orthodoxen Kirche nicht ab." Der Moskauer Patriarch Kyrill I. hatte sich hinter Russlands Präsident Wladimir Putin gestellt und den Krieg als Verteidigung "traditioneller christlicher Werte" befürwortet. Zuletzt waren Forderungen laut geworden, die Russisch Orthodoxe Kirche aus dem Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) auszuschließen.

Hintergrund: Abwärtstrend der Kirchenmitglieder in Deutschland

Experten haben hochgerechnet, dass zur Zeit weniger als die Hälfte der deutschen Bevölkerung Mitglied in der evangelischen und katholischen Kirche in Deutschland ist. "Es ist eine historische Zäsur, da es im Ganzen gesehen, seit Jahrhunderten das erste Mal in Deutschland nicht mehr "normal" ist, Kirchenmitglied zu sein", sagt Sozialwissenschaftler Carsten Frerk von der Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (Fowid).

Kirchenaustritte (Symbolbild) / © Wolfgang Radtke (KNA)
Kirchenaustritte (Symbolbild) / © Wolfgang Radtke ( KNA )

Zur Debatte um eine Neugestaltung der evangelischen Friedensethik als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine sagte Heinrich: "Wir hatten ja bis jetzt auch keine perfekte Antwort, sondern es ist immer eine Spannungsbeschreibung. Und ich glaube, genau darin liegt ja auch der Wert einer christlichen Reflexion von solchen Situationen, dass wir nicht die perfekte Antwort liefern, sondern eher dabei helfen, in aller Spannung irgendwie handlungsfähig zu bleiben."

Nicht auf dem Weg in die Nische der Gesellschaft

Zu den sinkenden Mitgliederzahlen der Kirchen erklärte die Synoden-Präses, sie habe die Hoffnung, dass die Kirchen nicht auf dem Weg in die Nische der Gesellschaft seien. Es sei wichtig, klar zu benennen, dass Kirchenmitgliedschaft einen Mehrwert habe. Die evangelische Kirche müsse sich die Frage stellen, wie Menschen an der Kirche teilhaben könnten, ohne zwingend Mitglied zu sein. Auch in anderen Institutionen seien feste Bindung nicht mehr zeitgemäß.

Mit Blick auf die Corona-Pandemie lobte Heinrich die "riesige Leistung" der Kirche und vor allem auch der Diakonie während dieser Krisenzeit. Diese hätten professionell auf die Situation reagiert, auf "die wir auch nicht vorbereitet waren". Heinrich: "Ich glaube, das hat vor allem still stattgefunden."

Zum Klimawandel sagte Heinrich, kirchliche Akteure hätten in den 1970er und 80er Jahren die Debatte maßgeblich mit angestoßen. "Aktuell sind wir als Kirche nicht mehr Teil der Spitze dieser Gesamtbewegung." Dies sei aber auch nicht schlimm, denn es gebe starke Akteurinnen und Akteure, "die diese Rolle jetzt ausfüllen, und wir als Kirche haben jetzt die Chance, eine neue Rolle zu finden."

Quelle:
epd