DOMRADIO.DE: Die Zahlen, die uns aus der Türkei und aus Syrien erreichen, sind erschütternd. Mehr als 16.000 Menschen kamen, Stand jetzt, dabei ums Leben. 23 Millionen Menschen sind von der Katastrophe wohl mehr oder weniger betroffen. Hinter diesen Zahlen stecken natürlich unendlich viele persönliche Schicksale. Das Erzbistum Köln stellt jetzt 300.000 € für Betroffene zur Verfügung und hat Kontakte zu Franziskanern in Aleppo in Syrien. Das Gebiet ist auch von dem Erdbeben betroffen. Welche Kontakte haben Sie da?
Nadim Ammann (Leiter der Diözesanstelle Weltkirche-Weltmission im Erzbistum Köln): Das sind Kontakte, die schon lange anhalten, weil wir schon seit vielen Jahren in der Region tätig sind, was die Flüchtlingshilfe wegen des Krieges angeht. Die Franziskaner sind immer vor Ort geblieben, die sind in Aleppo. Wir haben auch jetzt konkret ganz viele Betroffene aufgenommen. Es sind mehrere Tausend, die sich bei ihnen befinden und die sie jetzt versorgen müssen.
DOMRADIO.DE: Was brauchen jetzt die Franziskaner ganz dringend?
Ammann: Der Winter schlägt anders zu als bei uns. Es schneit, es ist kalt. Man braucht also ganz dringend Decken, Heizmaterial und Verpflegung.
DOMRADIO.DE: Wie kommen Hilfsgüter dann dahin? Syrien ist noch im Kriegszustand, es gibt Sanktionen. Es gibt die Befürchtungen, dass Damaskus, dass das Assad-Regime eventuell Hilfsgüter abzweigen könnte. Wie kriegt man Hilfsgüter in das Land?
Ammann: Je offizieller man es macht umso wahrscheinlicher ist es, dass was abgezweigt wird. In den Jahren des Krieges hat sich allerdings ein Parallelsystem aufgebaut. Die Hilfe wird meistens über den Libanon eingeführt. Man kann ganz gut zwischen Libanon und Syrien reisen. Viele der Partner in Syrien haben gute Kontakte in den Libanon und unsere Hilfe während des Krieges ging also fast zu 100 Prozent über den Libanon. Auch jetzt werden wir das so organisieren.
DOMRADIO.DE: Es gibt ja auch Kirchen dort in Syrien. Sind die offen und unbeschädigt geblieben? Können die als Notunterkunft genutzt werden?
Ammann: In Latakia zum Beispiel, der maronitischen Diözese Latakia, haben wir auch schon Bilder gesehen, haben Menschen Zuflucht in den Kirchen gesucht. Es liegt ein bisschen südlicher, das ist nicht ganz so stark betroffen, aber hat das Erdbeben natürlich gespürt. Die Häuser sind aber erhalten geblieben. Auch die Kirchen sind erhalten geblieben. Da haben die Menschen Zuflucht gefunden.
Auch in Aleppo hält sich die Zerstörung in Grenzen. Und auch da sind die Menschen in den Pfarreien aufgenommen worden. Der Nuntius hat sich vor Ort begeben, hat die Menschen besucht und auch dazu aufgerufen zu helfen. Die Not ist groß.
In Syrien macht man sich große Sorgen. Man kriegt ja mit, was in der Türkei schon passiert und wie geholfen wird. Man merkt auch, dass die Hilfe in Syrien schleppender anläuft. Man kann nur hoffen, dass Grenzen geöffnet werden und dass unkonventionelle Wege gefunden werden, um auch in Syrien entsprechend helfen zu können. Allein die Kräne, die notwendig sind und das Material, was man sieht, in der Türkei, wie da der Schutt auf die Seite geschoben wird, das ist in Syrien viel schwieriger zu organisieren, weil es eben auch Rebellengebiet ist.
DOMRADIO.DE: Auch zur Türkei hat ja ihre Abteilung Weltkirche Weltmission Kontakte. In der Stadt Iskenderun soll auch die Kathedrale eingestürzt sein. Was wissen Sie denn darüber?
Ammann: Ich war 2019 zuletzt da und kenne die gesamte Infrastruktur. Die Kathedrale ist komplett eingestürzt, aber auch die ganze diözesane Verwaltung ist betroffen. Glücklicherweise gab es da keine Toten. Aber es ist für mich nur so ein Sinnbild, weil das massive Gebäude sind. Ich frage mich, wie geht es den Menschen, deren Wohnhäuser, deren Existenzen kaputt sind?
Die Kirche ist vor Ort und sehr aktiv. Natürlich kann man sich da einfach organisieren, weil man von Ankara, von Istanbul auch schon Hilfe bekommen. Die kirchlichen Partner, die Salesianer zum Beispiel waren sofort dabei, Hilfen zu organisieren. Die internationalen Verbindungen, die gerade die großen Orden haben, die sind da sehr hilfreich.
DOMRADIO.DE: Die brauchen wahrscheinlich auch noch Spenden?
Ammann: Die brauchen Spenden. Das wäre gut, wenn da auch weiterhin gespendet wird. Wir machen mit 300.000 Euro einen Anfang. Es wird sicher nicht dabei bleiben. Aber was natürlich auch ganz wichtig ist: Wir als Christen sind im Gebet vereint und unsere Partner bitten uns immer darum, dass wir sie eben nicht vergessen und auch für sie beten.
Das Interview führte Heike Sicconi.