Diakonie Katastrophenhilfe zur Arbeit kirchlicher Hilfswerke in Krisenzeiten

"Es wird einem angst und bange"

In Venezuela sind die Gesundheitssysteme desolat, in Nordsyrien sind sie gar nicht existent, berichtet die Diakonie Katastrophenhilfe. Im Interview erklärt der Leiter Martin Keßler die derzeitige schwierige Situation in den Entwicklungsländern. 

Bürgerkrieg in Syrien / © Anas Alkharboutli (dpa)
Bürgerkrieg in Syrien / © Anas Alkharboutli ( dpa )

DOMRADIO.DE Welche Notlagen verlieren wir im Moment aus dem Blick?

Martin Keßler (Leiter Diakonie Katastrophenhilfe): Die Medien werden zurzeit sehr stark dominiert durch Corona, das ist ja auch ganz klar. Es betrifft uns alle ganz konkret. Aber wir haben natürlich auch das Leid von Millionen von Menschen, von Flüchtlingen, auf der gesamten Welt im Blick. Da haben wir natürlich sehr große Sorgen, ob die medizinische Versorgung adäquat sein kann.

DOMRADIO.DE Welche Länder sind denn besonders betroffen?

Keßler: Die größten Sorgen macht mir Syrien momentan, weil in Nordsyrien derzeit circa vier Millionen Menschen eingeschlossen sind. Die medizinische Versorgung ist praktisch nicht existent – im Gegenteil, das Gebiet wurde ja bombardiert von allen kämpfenden Parteien. Wenn Menschen auf so engem Raum hausen, auch nachts in großer Kälte, dann können sie sich ja ausmalen, was da passieren kann. Da haben wir sehr große Sorgen.

DOMRADIO.DE Sind die Menschen dort gut genug aufgeklärt, was zum Beispiel Ansteckungswege angeht und all diese Dinge?

Keßler: Nun ja, ich persönlich glaube, die Durchdringung des Internets ist selbst in Krisengebieten noch relativ groß und die Informationen sind im Internet vorhanden. Ich glaube, das ist so eine Sache, dass der Coronavirus sicherlich in den Hintergrund tritt, wenn man nichts mehr zu essen hat und Angst vor Cholera oder solchen Dingen. Aber die Informationen müssten theoretisch vorhanden sein.

DOMRADIO.DE Wie genau kann die Diakonie Katastrophenhilfe denn aktuell helfen? Wo sind Sie unterwegs?

Keßler: Wir sind von unserem Programm her auch in der Aufklärung tätig, wir haben hier und da Aufklärungskomponenten in den Projekten. Gegenwärtig sehen wir bei unseren Projekten zu, dass wir bestimmte Anteile für Aufklärungsarbeit nutzen. Grundsätzlich sind wir keine medizinische Organisation, die beispielsweise Krankenhäuser ausstattet.

Das ist, glaube ich, auch das Kernproblem, dass wir in vielen Ländern eben nicht diese Kapazitäten haben. In Venezuela beispielsweise sind die Gesundheitssysteme desolat, in Nordsyrien sind sie gar nicht existent. Wenn man sich dann überlegt, was jetzt in Italien passiert ist, einem sehr hoch entwickelten Land, dann wird einem angst und bange.

DOMRADIO.DE Wie sieht denn aktuell die finanzielle Situation der Diakonie Katastrophenhilfe aus? Sinkt die Spendenbereitschaft in Krisenzeiten wie diesen?

Keßler: Es ist sicherlich so, dass wir fürchten, dass es auch mit den Spenden bergab gehen wird. Die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland wird ja schon stark diskutiert und steht ja in diesen Zeiten eher unter negativen Vorzeichen. Von daher befürchten wir natürlich auch, dass die Spenden sich nach unten entwickeln.

Zurzeit können wir das noch nicht beobachten und wir hoffen natürlich auch weiterhin, dass wir das Leid der Menschen in vielen Teilen der Welt weiterhin im Blick behalten werden.

Das Interview führte Verena Tröster.


Martin Keßler (Leiter der Diakonie Katastrophenhilfe) (Diakonie Katastrophenhilfe)
Quelle:
DR
Mehr zum Thema