Fall Williamson belastet Beziehungen Israel-Vatikan

Zerbrochenes Geschirr

Die Rücknahme der Exkommunikation für den traditionalistischen Bischof Richard Williamson belastet weiter das Verhältnis zwischen der katholischen Kirche und dem Judentum beziehungsweise dem Staat Israel. Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtete am Samstag unter Berufung auf den israelischen Minister für Religionsangelegenheiten, Jizchak Cohen, sein Land erwäge die diplomatischen Beziehungen zum Vatikan abzubrechen.

 (DR)

Er empfehle, «die Verbindungen mit einer Körperschaft, in der Holocaust-Leugner und Antisemiten Mitglied sind, vollständig abzubrechen», zitierte das Hamburger Blatt.

Vatikansprecher Federico Lombardi wollte sich gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) nicht zu den Worten des Ministers äußern. In Vatikankreisen wurde die Vermutung laut, es handele sich möglicherweise um ein innerisraelisches Kommunikationsproblem oder über unterschiedliche Positionen innerhalb der Regierung. Noch am Freitag hatte der israelische Vatikan-Botschafter Mordechay Lewy bei einer Buchvorstellung in der Vatikanischen Bibliothek die große Bedeutung der kulturellen Zusammenarbeit zwischen Israel und dem Vatikan unterstrichen. «Wir wären viel ärmer, wenn wir unsere Beziehungen nur auf die politische oder religiöse Dimension begrenzen würden», sagte er «Radio Vatikan». «In einen positiven Geist der Zusammenarbeit lässt sich viel erreichen, auch in der Zukunft», fügte er hinzu

Unterdessen bekräftigte der römische Oberrabbiner Riccardo di Segni seine Einladung an Papst Benedikt XVI. zu einem Besuch in der römischen Synagoge. Ein solcher Besuch wäre «eine konkrete Geste der Versöhnung» nach den Turbulenzen und Verstimmungen, die die Zurücknahme der Exkommunikation für die traditionalistischen Bischöfe vor einer Woche in den Beziehungen zwischen katholischer Kirche und dem Judentum ausgelöst hätten, sagte Di Segni der Wiener Tageszeitung «Der Standard». Er habe den Papst zu einem Besuch eingeladen, «aber bisher keine Antwort erhalten», so der Oberrabbiner, die wichtigste religiöse Autorität der Juden in Italien.

Williamson hatte in einem TV-Interview die Ermordung von sechs Millionen Juden durch die Nazis bestritten, die Existenz von Gaskammern leugnete er. Der Vatikan erfuhr nach Angaben des zuständigen Kurienkardinals erst nach der Aufhebung der Exkommunikation von diesen Äußerungen des Bischofs. Am Freitag veröffentlichte der in Argentinien lebende Williamson einen Brief an Kardinal Dario Castrillon Hoyos, in dem er sich für den Ärger entschuldigte, den er dem Papst bereitet hatte; mit keinen Wort erwähnte er jedoch den Holocaust.

Kurienkardinal Giovanni Battista Re wertete die Äußerung als ersten, aber nicht ausreichenden Schritt. Williamson müsse auch noch zu seinen Behauptungen über den Holocaust Stellung nehmen, sagte der Präfekt der Bischofs-Kongregation der italienischen Zeitung «La Repubblica». Der Papst habe sich dazu in aller Klarheit geäußert, so der Kardinal, der vor einer Woche mit einem Dekret die Exkommunikation der vier Traditionalisten-Bischöfe zurückgezogen hatte. Mit der Entschuldigung Williamsons sei der Fall keineswegs beigelegt, sagte der Kardinal. Eine Aussöhnung mit den Lefebvristen werde noch lange Zeit in Anspruch nehmen, betonte Re. «Der Weg hat erst begonnen». Bis zur vollen Einheit sei noch ein weiter Weg. Von Seiten der Traditionalisten dürfe es keine Unklarheit bezüglich der Annahme des Zweiten Vatikanischen Konzils geben. «Um katholisch zu sein, muss man alle Konzilien akzeptieren», unterstrich der Kardinal.

Wie die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» unter Berufung auf argentinische Medien berichtete, soll Williamson die Leitung des Priesterseminars der Lefebvre-Bruderschaft Pius X. in La Reja nahe Buenos Aires abgeben.

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Hans Joachim Meyer, äußerte in einem Interview der «Süddeutschen Zeitung» die Hoffnung, dass das ZdK einen Beitrag leisten könne, das «beschädigte Verhältnis zum Judentum zu heilen». Es sei auch wichtig gewesen, dass der Papst «persönlich die antisemitischen Äußerungen des Bischofs in aller Schärfe verurteilt» habe und von den Traditionalisten ein Bekenntnis zu den Beschlüssen des Zweiten Vatikanischen Konzils gefordert habe, betonte Meyer. Dazu gehöre der Respekt vor dem Judentum. Zur Motivation Benedikt XVI. für sein Entgegenkommen gegenüber den Traditionalisten meinte der
ZdK-Präsident: «Der Papst will die Wunde der Kirchenspaltung heilen.
Ich kann dieses Motiv verstehen, aber ich fürchte, dass diese Entscheidung nicht von einer realistischen Sicht der Dinge ausgeht». Zugleich betonte Meyer, dass für den Papst «ein gutes Verhältnis zum Judentum eine Herzenssache» sei.

Der emeritierte katholische Theologe Hans Küng, dem 1979 die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen worden war, bezeichnete in einem Beitrag für die «Süddeutschen Zeitung» die derzeitige Stimmung in der katholischen Kirche als «bedrückend». Um die «'Versöhnung' mit einem Häuflein erzreaktionärer Traditionalisten» voranzubringen, riskiere der Papst den Vertrauensverlust von Millionen von Katholiken, die dem Zweiten Vatikanischen Konzil die Treue hielten.
«Nachträgliche Entschuldigungen können das zerschlagene Porzellan nicht kitten», meinte Küng, der eine «Kursänderung» des Papstes forderte.


Mehr zum Thema