DOMRADIO.DE: Heute geht es los mit Festtagen der Stadtpatrone Gereon und Ursula. Warum gibt es zum ersten Mal dieses gemeinsame Fest?
Dominik Meiering (Kölner Innenstadtpfarrer und Domkapitular): Weil die beiden Heiligen so nah beieinander sind. Wir haben in der Vergangenheit immer jedes Fest für sich gefeiert. Jetzt wollen wir sie gemeinsam in den Blick nehmen: in ihrer Bedeutung für die Stadt und die Stadtgeschichte, aber auch in der Tatsache, dass sie im vier Jahrhundert hier in Köln als Zeugen des Glaubens gewesen sind. Das verbindet sie sehr. Wir haben uns gedacht, wir feiern an den jeweiligen Tagen, an den jeweiligen Kirchen und am Sonntag dazwischen eine festliche gemeinsame Vesper.
DOMRADIO.DE: Während die Menschen früher ganz selbstverständlich die Patrone ihrer Stadt gekannt haben und sie um ihren Schutz gebeten haben, ist das heute längst nicht mehr so. Wie versuchen Sie denn jetzt, im Jahr 2023, zwei Figuren des frühen Christentums den Kölnerinnen und Kölnern von heute näher zu bringen?
Meiering: Vor allen Dingen eben durch die Gottesdienste, die Führungen, aber auch durch die Möglichkeit, die Kirchen zu besuchen. Menschen sind da und sind ansprechbar und kümmern sich. Ich glaube, dass die Geschichten, auch wenn sie natürlich legendär sind, aber doch mit ihrem historischen Kern sehr wichtig sind. Da sind Menschen gewesen, die Kraft und Mut gehabt haben, für ihren Glauben einzustehen, auch in schwierigen Zeiten, auch in Zeiten der Verfolgung. Denn beide Male handelt es sich ja um Opfer der Christenverfolgungen.
Auf jeweilige Art und Weise haben sie hier in Köln gewirkt. Gereon ist nach der Legende als römischer Soldat hier hergekommen und hat das Christentum auch mit nach Köln gebracht. Wir verdanken Gereon also unseren Glauben. Ursula war der Legende nach eine bretonische Königstochter und wurde hier auf der Rückfahrt von Rom von einer Pilgerfahrt von den Barbaren umgebracht. Das sind also zwei Persönlichkeiten, die mit ihren Legenden sehr schillernd sind. Und die Legenden werden wir wieder erzählen.
DOMRADIO.DE: Beide Stadtpatrone haben ja im Innenstadtbereich auch ihre Kirchen. Die gehören beide zu den großen romanischen Kirchen. Wie werden die jetzt einbezogen in diese Festtage?
Meiering: Die Kirchen glänzen und strahlen schon. Ich freue mich sehr heute Abend auf eine festliche Messe zum Patrozinium in Sankt Gereon. Da wird es mit dem Cantus Novus Köln eine wunderbare Messe von Palestrina geben. Die Kirche ist schon geschmückt.
Gestern Abend ist schon der Schrein der heiligen Ursula nach Sankt Gereon überführt worden und die beiden stehen jetzt also in der Kirche nebeneinander: die Büste des heiligen Gereon und der Schrein der heiligen Ursula. Ich freue mich sehr darauf, wenn die Kirche am Sonntag dann ganz besonders erschallt und erscheint, denn wir werden aus den oberen Rängen in der Vesper musizieren und wir werden die ganze Kirche mit vielen, vielen Kerzen illuminiert haben.
DOMRADIO.DE: Die Festtage beginnen heute und gehen bis zum 21. Oktober, die Gedenktage der beiden rahmen sozusagen die Festwoche. Was sollen die Leute da für sich, für ihr persönliches Leben mitnehmen?
Meiering: Das eine ist natürlich, das Gefühl zu entwickeln: Wir haben einen Schutz, wir haben Schutzpatrone in der Stadt. Dann aber auch Ermutigung zu erfahren, dass Ursula und Gereon sich couragiert für ihre Gefolgschaften und für die christlichen Werte trotz aller Widerstände eingesetzt haben.
Und dann natürlich auch, dass wir Impulse bekommen durch die eine oder andere Predigt. Am Sonntag bei der Vesper kommt die Bundesministerin a.D. Annette Schavan und wird die Predigt halten. Ich bin gespannt auf deren Impulse und auf deren Perspektive. Ich glaube schon, dass da viele neue Ideen auf den Tisch kommen werden.
DOMRADIO.DE: Wir sprechen in einem Moment, der wirklich schwierig ist. Der Krieg in der Ukraine, jetzt der neu eskalierte Nahostkonflikt. Haben die Schutzpatrone vor diesem Hintergrund vielleicht noch mal eine besondere Bedeutung?
Meiering: Menschen haben zu allen Zeiten immer wieder Heilige als Beschützer und als Helfer angerufen. Dahinter zeigt sich natürlich am Ende ein Grundvertrauen, dass Gott es gut meint mit dieser Welt und dass Gott ansprechbar ist und dass er nicht fern ist auch von den Leiden und von der Not der Menschen.
Natürlich lösen Gebete zu den Schutzheiligen keine Kriege und bewaffneten terroristischen Konflikte. Aber sie schaffen vielleicht ein Bewusstsein dafür, dass man doch am Ende nicht allein ist und dass es sich lohnt, für die eigenen Überzeugungen und für den eigenen Glauben einzustehen. Dafür sind sie Sinnbilder.
Das Interview führte Hilde Regeniter.