Die Zeit nach seiner Entlassung aus dem Vatikan hat der langjährige Papstsekretär, Erzbischof Georg Gänswein, als das schwierigste Jahr seines Lebens bezeichnet.
"Ich bin versöhnt"
"Aber ich bin versöhnt", sagte der 68-Jährige der "Bild am Sonntag". "Gehadert habe ich zum Glück nicht, auch wenn ich andere Pläne hatte, die sich alle nicht erfüllten." Es habe Zeit und Geduld gebraucht, damit "schmerzende Wunden" hätten verheilen können.
"Ich gebe zu, die Enttäuschung bei mir war groß", bekannte Gänswein. Aber es sei die Entscheidung von Papst Franziskus gewesen, und diese allein zähle. Gänswein unterstrich die Bedeutung von Ehrfurcht und Gehorsam gegenüber Päpsten. "Dieses Versprechen habe ich gehalten. Ob ich das gerne tat, steht auf einem anderen Blatt."
Seit seiner Entlassung aus dem Vatikan seien bei ihm auch Tränen geflossen - nicht zuletzt weil er auch den Tod des früheren Papstes Benedikt XVI. zu verarbeiten gehabt habe. "Papst Benedikt fehlt mir. Optisch und physisch ist er zwar abwesend, aber geistig ist er geradezu omnipräsent." Wie bereits zuvor der "Badischen Zeitung" sagte Gänswein auch jetzt, dass ihm das Gebet geholfen habe.
Neue Aufgabe als Papstbotschafter für die baltischen Staaten
Nach einem Jahr in Freiburg geht Gänswein in wenigen Wochen nach Vilnius - als Papstbotschafter für die baltischen Staaten. Dort wolle er nicht nur mit Politikern, Diplomaten und Bischöfen ins Gespräch kommen, "sondern auch mit möglichst vielen Gläubigen", sagte er. Momentan bereite er sich auf die neue Aufgabe vor, auf die er sich freue.
"Ich bin dabei, mich mit der Geschichte der baltischen Länder vertraut zu machen und Litauisch zu lernen", sagte der 68-Jährige der "Bild am Sonntag".
Lettisch und Estnisch möchte er später auch lernen, "da der Nuntius für alle drei baltischen Staaten zuständig ist". Sein neues Amt sei eine schöne Herausforderung, mit der er nach dem letzten Jahr nicht gerechnet habe: "Als die Ernennung durch den Heiligen Vater kam, freute ich mich."
Franziskus hatte Gänswein Ende Juni zum Botschafter des Heiligen Stuhls in den baltischen Ländern Litauen, Estland und Lettland ernannt. Seinen Sitz hat der apostolische Nuntius in der litauischen Hauptstadt Vilnius.
Gänswein lebte seit seiner Entlassung aus dem Vatikan im Sommer 2023 ohne offizielle Aufgabe in Freiburg. Zuvor war er 19 Jahre lang Privatsekretär von Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. Zunächst behielt er diesen Posten auch unter Papst Franziskus. Nach internem Streit beurlaubte Franziskus den Deutschen. Er blieb aber im Vatikan.
Buch sorgte für Schlagzeilen
Nach dem Tod Ratzingers 2022 rückte Gänswein wieder verstärkt in die Öffentlichkeit. Sein Buch "Nichts als die Wahrheit" sorgte für Schlagzeilen, weil es Details über inhaltliche Konflikte zwischen Franziskus und Benedikt enthält. Papst Franziskus kritisierte die Veröffentlichung. Er warf Gänswein einen Mangel an Anstand und Menschlichkeit vor und entband ihn von allen vatikanischen Aufgaben.
Zu Medienberichten über Spannungen zwischen ihm und Papst Franziskus sagte Gänswein: "Freilich, ich habe Fehler gemacht, auch in der Zusammenarbeit mit Papst Franziskus. Diese habe ich eingesehen und sie auch ein- und dann ausgeräumt. Das Verhältnis zwischen dem Oberhaupt der Kirche und mir ist entspannt und gesund."
Enger Begleiter des emeritierten Papstes Benedikt XVI
Gänswein war bis zu dessen Tod 2022 ein enger Begleiter des emeritierten Papstes Benedikt XVI., der bürgerlich Joseph Ratzinger hieß und wie Gänswein selbst aus Deutschland stammte. Als Privatsekretär begleitete Gänswein Ratzinger schon bevor dieser 2005 zum Papst gewählt wurde.
Kurz vor seinem Amtsverzicht 2013 ernannte Benedikt XVI. Gänswein außerdem zum Erzbischof und zum Präfekten des Päpstlichen Hauses. Dieses Amt hatte Gänswein zunächst auch noch unter Papst Franziskus inne, der ihn Anfang 2020 jedoch von diesen Aufgaben entband.
Gänswein stammt aus Riedern im Südschwarzwald und hat in Freiburg und Rom Theologie studiert. 1984 wurde er zum Priester geweiht.