DOMRADIO.DE: Wenn in der Bibel von Palmen die Rede ist, sind wahrscheinlich Dattelpalmen gemeint, oder?

Antje Peters-Reimann (Gartenhistorikerin): Dann sind Dattelpalmen gemeint, genau. Das sind die typischen Palmen, die in dieser Region intensiv wachsen.
DOMRADIO.DE: Die Dattelpalme spielt im Land der Bibel eine herausragende Rolle. Warum?
Peters-Reimann: Das liegt daran, dass das Land und die ganze Region sehr karg sind. Man muss überlegen, wie man über die Runden kommt, von was man sich ernährt.
Da ist die Palme, die Dattelpalme speziell, eine wirklich tolle Sache. Die Früchte sind sehr zuckerhaltig, geben schnell Energie und lassen sich aufgrund des hohen Zuckergehalts auch lange lagern. Und man nutzt eben nicht nur die Datteln selber, das wissen die wenigsten Leute, sondern die ganze Palme ist ein Tausendsassa.
Aus den Palmwedeln zum Beispiel kann man Zäune, Matten, Körbe und Besen flechten. Die Dattelkerne werden zerkleinert zu Viehfutter verarbeitet. Aus dem Stamm kann man Bau- und Brennholz gewinnen. Aus den Fasern macht man Säcke und Seile und sogar die jungen Palmblätter kann man wie eine Art Salat essen. Sie sehen, man kann alles mit der Dattelpalme machen und sie ist eine wichtige Oasenpflanze.
DOMRADIO.DE: Palmen sind scheinbar wahre Alleskönner. Was können die noch?
Peters-Reimann: Sie werden auch bei ganz vielen Festen verwendet, zum Beispiel beim jüdischen Sukkot, dem Laubhüttenfest. Dabei werden Palmwedel verwendet, um die Laubhütten zu bauen. Gerade im Nahen Osten werden die Hütten mit Palmzweigen gedeckt.
DOMRADIO.DE: Wofür steht die Palme allgemein in der Bibel?
Peters-Reimann: Die Palme ist eine ganz alte Symbolpflanze. Sie finden wir nicht nur bereits zu biblischen Zeiten, sondern auch in anderen Religionen und Kulturen. Sie war immer ein Zeichen des Sieges. Bei den Römern war es etwa so, dass man mit Palmzweigen heimkehrende Sieger empfangen hat, die nach einer siegreichen Schlacht nach Hause kehrten. Das war in der ganzen Region so üblich, auch im Raum Israel.
Wenn Sie sich vorstellen, dass Jesus mit Palmzweigen als der kommende König oder Messias begrüßt wird, dann haben die Römer und viele Juden, die Jesus nicht als Messias sehen konnten oder wollten, das natürlich als große Provokation empfunden. Er war sozusagen eine Konkurrenz zum Kaiser in Rom.
DOMRADIO.DE: In der christlichen Tradition werden bestimmte Heilige auch mit Palmzweig dargestellt. Warum?
Peters-Reimann: Die Palme ist auch ein Zeichen des ewigen Lebens. Sie soll schon im Paradies entstanden sein. Wenn man in der christlichen Kunst Heilige sieht, die einen Palmzweig tragen, dann ist das in der Regel ein Symbol dafür, dass sie als Märtyrer in den Himmel gekommen sind. Sie ist also eine Beigabe als Märtyrer-Symbol.
Aber es gibt auch bestimmte Heilige, die mit Palmzweigen dargestellt werden. Ich habe mal ein bisschen geforscht: Der Heilige Onophrios war ein Einsiedler in Ägypten und hat 30 Jahre unter dem Schatten eines Palmbaums gelebt und sich nur von Palmfrüchten ernährt. Wenn Sie also mal einen Heiligen unter einer Palme sehen, dann könnte das der Heilige Onophrios sein.
DOMRADIO.DE: In Deutschland haben wir keine Palmwedel, wir müssen für Palmsonntagsprozessionen auf andere grüne Varianten ausweichen. Auf was zum Beispiel?
Peters-Reimann: Das ist regional ganz unterschiedlich und manchmal importiert man tatsächlich Palmzweige. Aber häufig wird Buchsbaum verwendet, weil er immergrün ist und man eben das nutzt, was im Frühjahr schon grün ist. Das könnten auch früh austreibende Ahorn- und Buchenzweige sein, oder auch Weidenkätzchen. Es ist aber regional sehr unterschiedlich, welcher Brauch üblich ist.
Das Interview führt Hilde Regeniter.