Im Advent vom Kloster Stille lernen

"Sich selbst begegnen"

Trotz weltweiter Unruhen und Alltagsstress finden die Schwestern im Bergkloster Bestwig durch besondere Rituale Momente der Ruhe und Besinnlichkeit. In der Vorbereitung auf Weihnachten spielt Stille eine ganz wichtige Rolle.

Zum Gebet gefaltete Hände / © Harald Oppitz (KNA)
Zum Gebet gefaltete Hände / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wie ist das bei Ihnen und Ihren Mitschwestern im Bergkloster Bestwig im Sauerland? Haben Sie in diesen Adventswochen genug Stille?

Schwester Theresita Maria Müller SMMP (Ordensgemeinschaft der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel im Bergkloster in Bestwig/Sauerland): Nein, haben wir nicht. Aber wir tun etwas dafür. Wir haben bestimmte Rituale, zum Beispiel mehr Kerzen oder ein gewisses Ritual jeden Samstag vor der Vesper, im Gebet an den Adventssonntagen, wo wir in der dunklen Kirche mit nur Kerzen einen ruhigen Text vorlesen, dann ruhige Harfenmusik spielen und die Adventskerze anzünden. Wir wiederholen dann noch einmal den Text und machen langsam das Licht an und dann beginnt die Vesper. Und solche Rituale helfen uns schon ein bisschen die innere Stille zu finden.

DOMRADIO.DE:  Im Moment erreichen uns schlimme Nachrichten aus der ganzen Welt, in Kombination mit Alltagssorgen. Das lässt viele nicht zur Ruhe kommen. Was macht das mit den Menschen? 

Sr. Theresita: Ich glaube, wenn wir nie zur Ruhe kommen, dann geraten wir in Gefahr, uns selbst ein Stück zu verlieren und uns von dieser Hektik und Unruhe sehr stressen und negativ berühren zu lassen. Wenn ich in mir eine gewisse Ruhe, eine gewisse Stille habe, dann kann ich mir selber begegnen und auch auf den Grund der Dinge besser schauen. Das ist die Erfahrung in der Meditation. 

Ich bin innerlich ein bisschen belastbarer und resistenter gegen diesen Druck und diese Hektik von außen. Das macht mich dann nicht mehr so fertig. Darum finde ich Stille so wichtig.

DOMRADIO.DE: Sie haben Rituale. Was raten Sie uns anderen, die nicht im Kloster leben? Was können wir vielleicht selbst tun für ein Stück inneren Frieden, gerade jetzt im Advent?

Sr. Theresita: Bewusst dafür sorgen, sich wenigstens jeden Tag ein paar Minuten zum Beispiel zurückzuziehen und die Gedanken ein Stück ruhen zu lassen, was nicht so einfach ist. Oder sich zum Beispiel vorzustellen, das mache ich oft und es gelingt gut, ich bin einfach da und stelle mir vor, ich atme Licht und Frieden ein. 

Ich atme ganz tief ein. Ich stelle mir vor, wie sich mein Inneres mit Licht und mit Frieden füllt und beim Ausatmen schicke ich dieses Licht und diesen Frieden dann in meine Umgebung. Durch diese Konzentration darauf kommen dann auch die Gedanken zur Ruhe und ich werde innerlich und äußerlich auch ein Stück friedvoller und heller, wenn ich das so sagen kann. 

Symbolbild Betende Frau / © d.ee_angelo (shutterstock)

Für den Frieden muss ich aktiv sorgen. Den lerne ich nicht mit den Kinderschuhen, wie ich als Baby essen, trinken, laufen und so weiter gelernt habe, sondern Friede ist eine Gabe. Wir Christen sagen eine Gabe von Gott und dafür muss ich mich auch ein Stück öffnen. Ich muss das wollen und mich innerlich bereit machen, diesen Frieden zu empfangen. 

DOMRADIO.DE: In den Wochen vor Weihnachten gilt, genauso wie sonst auch, damit unser Gespräch mit Gott, unser Gebet kein Monolog wird, sondern ein Dialog, müssen wir Stille halten und Stille aushalten. Warum ist das eigentlich notwendig?

Sr. Theresita: Ich denke, das kann man vergleichen mit dem Gespräch unter Freunden und Verwandten, mit wem auch immer. Wenn ich jemanden besuchen komme und rede ununterbrochen und gehe dann wieder, dann ist das kein Dialog. Es ist ein Monolog meinerseits. Genau so ist das auch im Gespräch mit Gott. 

Wenn ich in die Kirche komme und fange an meine Bitten vorzutragen und gehe wieder, lasse ich Gott gar nicht zu Wort kommen, sozusagen. Und ich muss innerlich still werden, um auch Gott in mir und damit auch in der Welt wieder zu Wort kommen zu lassen. Denn Gott redet schon sehr leise, der tönt nicht laut vom Himmel "macht das und das", sondern er spricht mit ganz leiser Stimme in mir durch meine Gedanken, die mir dann kommen, wenn ich mich auf Gott ausrichte. Zuhören geht nur, wenn ich selbst meinen Mund verschließe.

DOMRADIO.DE: Im Advent wollen wir uns eigentlich auf Weihnachten vorbereiten, auf die Begegnung mit dem menschgewordenen Gott in der Krippe. Welche Rolle spielt Stille, speziell jetzt?

Sr. Theresita: Man merkt es, glaube ich, überall, dass Menschen eine ganz große Sehnsucht nach Stille, nach Ruhe haben, weil sie das als Freiheit von Stress und Hektik und diesem Getriebensein erfahren. Überall bereiten wir uns die ganze Adventszeit über auf Weihnachten vor. 

Der Weihnachtsmarkt in Essen-Steele ist einer der ersten in Deutschland, der seine Pforten öffnet. / © Oliver Kelch (DR)
Der Weihnachtsmarkt in Essen-Steele ist einer der ersten in Deutschland, der seine Pforten öffnet. / © Oliver Kelch (DR)

Die Straßen sind geschmückt, die Weihnachtsmärkte überall mit weihnachtlicher Musik und wunderschönen Illumination. Wir putzen das Haus und bereiten es vor. Und so denke ich, müssen wir uns auch unser Inneres, unsere Seele vorbereiten. 

Wenn Weihnachten geschehen soll, das heißt, wenn Jesus wieder neu zur Welt kommen soll, dann muss ich ihm auch in mir einen Ort bereiten, wo er zur Welt kommen soll. Und da das, was an Weihnachten geschehen ist, vor mehr als 2000 Jahren ganz still geschehen ist, in einem Dorf abseits von der großen Stadt Jerusalem, abseits vom Dorfbetrieb in Bethlehem, ganz still und nachts, so kommt der Retter der Welt zur Welt. Nicht mit Machtgehabe, mit Bohei und Pomp, Gott sei Dank, sondern ganz still. Und so will er auch in mir wieder neu zur Welt kommen, an Weihnachten, in jedem von uns. 

Dazu muss er einen Ort in mir finden, wenn ich das denn will und zulasse. Wo es still ist, wo ich dann seine Ankunft vorbereiten und erfahren kann. Das hört sich durchaus fromm ab, aber es ist, glaube ich, realisierbar.

Das Interview führte Hilde Regeniter.

Quelle:
DR
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