Journalist zieht Bilanz der Papstreise nach Kasachstan

"Dieser Papst hat Pläne"

Der Papst hat seine Kasachstan-Reise beendet, bei der er den Kongress der Führer der Weltreligionen besucht hatte. In der gemeinsamen Abschlusserklärung wurde Gewalt im Namen der Religion verurteilt. Was bleibt noch von der Reise?

Muslim und Papst Franziskus (Archiv) / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Muslim und Papst Franziskus (Archiv) / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Der Papst war Gast auf dem "Kongress der Führer der weltweiten und traditionellen Religionen". Alle drei Jahre findet der Kongress in Kasachstan statt. Jetzt soll er zu einer globalen interreligiösen Dialog-Plattform ausgebaut werden. Was bedeutet das für den Dialog zwischen den Religionen?

Jürgen Erbacher, ZDF-Kirchenexperte / © Rico Rossival (zdf)
Jürgen Erbacher, ZDF-Kirchenexperte / © Rico Rossival ( zdf )

Jürgen Erbacher (Katholischer Theologe und Leiter der ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch"): Ich glaube, es sind vor allen Dingen die Bilder wichtig, die von so einem Kongress ausgehen. Man sieht diesen großen Veranstaltungssaal, einen großen runden Tisch, um den herum sich 80 Delegationen unterschiedlichster Religionen versammeln.

Das zeigt: Wir können hier an einem Tisch sitzen und können respektvoll miteinander umgehen. Wir können miteinander Dialog führen, wobei man da schon mal gucken muss, ob es wirklich ein Dialog ist oder ob es zunächst einfach mal ein Zuhören ist. Das zeigt aber, dass jeder die Chance hat, dem anderen zu sagen, wie er auf Religion, Welt und die Herausforderungen der Welt blickt. Das allein hat durchaus einen Wert.

Auch wenn viele immer fragen: Ist da außer Spesen nichts gewesen? Das eine sind die Bilder, das andere sind die Themen, die in der Abschlusserklärung angesprochen werden. Da gibt es eine klare Verurteilung von Gewalt im Namen der Religion und die klare Forderung, dass sich die Religionen für die Gleichberechtigung der Frau einsetzen müssen. Also da stehen schon Dinge drin, bei denen man sich vielleicht ein bisschen wundert, dass der eine oder andere zustimmen konnte.

Man muss ehrlicherweise sagen, dass es am Ende der Erklärung heißt, die Mehrheit der Anwesenden habe dem zugestimmt. Ich habe auf dem Rückflug den vatikanischen Außenminister gefragt, ob er mir denn sagen könne, wer zugestimmt hat und wer nicht zugestimmt hat. Nein, hieß es. Da hüllt man sich in Schweigen. Aber ich glaube, es ist einfach wichtig, dass diese Bilder da sind, sodass man sehen kann: Wir können trotz aller Unterschiede vernünftig und respektvoll miteinander umgehen.

Vollversammlung des VII. Kongresses von Welt- und traditionellen Religionen mit Papst Franziskus und Religionsführern / © Paul Haring/CNS photo (KNA)
Vollversammlung des VII. Kongresses von Welt- und traditionellen Religionen mit Papst Franziskus und Religionsführern / © Paul Haring/CNS photo ( KNA )

DOMRADIO.DE: Es ist aber nichts darüber bekannt, dass es verärgerte Gesichter gab, weil manche Religionsvertreter das vielleicht nicht unterschrieben haben, richtig?

Erbacher: Nachdem eine anglikanische Bischöfin diese recht lange Erklärung verlesen hat, gab es freundlichen Applaus. Ich konnte dann nur einen Ausschnitt sehen. Der Vertreter des russisch-orthodoxen Patriarchats hat applaudiert, und auch der Großscheich der Al-Azhar Universität in Kairo hat applaudiert. Der Papst und die beiden Rabbiner, die da rund um den Papst saßen, haben auch applaudiert. Das ist schon mal Zustimmung aus sehr unterschiedlichen Ecken.

Was das nachher konkret bedeutet, sind natürlich die Hausaufgaben jedes Einzelnen, wenn er zurückkommt und sich dann wieder mit seinesgleichen trifft. Aber ich glaube, für Franziskus ist es einfach wichtig, immer wieder solche Veranstaltungen zu machen und immer wieder zu sagen, dass man sich darauf verpflichtet, dass Religionen nicht Teil von Problemen, sondern die Lösung von Problemen sind.

Dass das noch ein langer Weg ist, glaube ich, konnte man auch hören, wenn man die einzelnen Statements im Laufe der Konferenz von den unterschiedlichen Religionsvertretern gehört hat. Da gibt es schon noch sehr unterschiedliche Sichtweisen, zum Beispiel auf die Moderne und auch auf die Rolle der Frau. Aber der Papst wird nicht müde zu sagen: Leute, wir müssen da ran.

Papst Franziskus spricht beim VII. Kongresses von Welt- und traditionellen Religionen. Links daneben sitzt Yitzhak Yosef, sephardischer Oberrabiner von Israel. / © Paul Haring/CNS photo (KNA)
Papst Franziskus spricht beim VII. Kongresses von Welt- und traditionellen Religionen. Links daneben sitzt Yitzhak Yosef, sephardischer Oberrabiner von Israel. / © Paul Haring/CNS photo ( KNA )

DOMRADIO.DE: Der Papst hat auch gesagt, wie viele Entscheidungen des Todes vermieden werden würden, wenn Frauen im Zentrum der Entscheidungen stünden. Wie ordnen Sie diese Aussage vom Papst eigentlich ein? Also Frauen in der Politik, ja, und in der Kirche, nein, oder was meint der Papst?

Erbacher: Das ist genau so ein Knackpunkt. Der Papst hat immer wieder gesagt, dass die Frauen auch in der Kirche sichtbarer werden müssen und dass sie auch in Entscheidungspositionen müssen. Aber wenn es dann darum geht, das irgendwie in die Realität umzusetzen, dann merkt man bei ihm, dass da viele Worte sind, es aber dann doch an den Taten fehlt.

Deshalb sagen Kritiker, es wirft auch einen Schatten auf solche Forderungen, wenn Papst Franziskus das für den politischen Raum fordert oder wenn er das mit Blick auf andere Religionen fordert.

Hier muss man in der Tat sagen, so ein Wort aus dem Mund des Papstes ist gut, aber er müsste es dann auch durch entsprechendes Handeln decken. Da fehlt es trotz mancher erster Schritte doch, würde ich sagen, in großem Stil.

DOMRADIO.DE: Der Papst war auch viel im Rollstuhl unterwegs. Immer wieder wird spekuliert, dass er eventuell seinen Rücktritt planen könnte. Wie beeinflusst diese Kasachstan-Reise das Bild von dem zerbrechlichen Papst im Rollstuhl?

Erbacher: Man sieht einerseits diesen zerbrechlichen Papst. Es ist interessant zu sehen, wie sein Assistent ihn immer wieder aus dem Rollstuhl heraus wuchtet, er dann ein paar Schritte geht, um sich schließlich auf den Stuhl am Tisch der Religionen zu setzen. Das ist ein gebrechlicher Papst.

Wenn er dann aber andererseits anfängt zu reden, mit Nachdruck und auch mit Begeisterung für die Themen, die ihm wichtig sind, dann sind das zwei Pole.

Auf dem Rückflug aus Kasachstan hat der Papst in der Pressekonferenz etwa 45 Minuten mit uns Journalisten gesprochen. Da ist kein Anzeichen von Müdigkeit erkennbar und der Papst spricht auch als 85-jähriger über große Weltpolitik und auch teils über Details. Das sind zwei Dinge, die man auf so einer Reise durchaus erleben kann.

Der Vatikansprecher hat anschließend gesagt, man plane im Moment im November eine Papstreise nach Bahrain. Und der Papst selbst hat gesagt, wenn es irgendwie klappt, möchte er gern die Reise in den Südsudan und den Kongo im Februar nachholen. Dann gibt es ja noch das große Projekt des synodalen Prozesses auf Weltebene mit der Bischofssynode im Oktober nächsten Jahres. Dieser Papst hat also Pläne.

Das Interview führte Florian Helbig.

Kongress der Führer der weltweiten und traditionellen Religionen

Bereits zum siebten Mal veranstaltet die autoritäre Staatsführung Kasachstans einen "Kongress der Führer der weltweiten und traditionellen Religionen". Zu ihm werden in der Hauptstadt Nur-Sultan am 14. und 15. September rund 100 Delegationen aus 50 Ländern erwartet. Auch Papst Franziskus, der griechisch-orthodoxe Patriarch von Jerusalem, Theophilos III., Großscheich Ahmed al-Tayyib von der Al-Azhar-Moschee in Kairo und Israels sephardischer Oberrabbiner Yitzhak Yosef wollen kommen. Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I.

Papst Franziskus und Ahmad al-Tayyeb / © Paul Haring (KNA)
Papst Franziskus und Ahmad al-Tayyeb / © Paul Haring ( KNA )
Quelle:
DR
Mehr zum Thema