DOMRADIO.DE: Sie haben gerade die "Europa-Etappe" in Prag beendet. Es gibt unterschiedliche Meinungen zwischen Ost und West, Nord und Süd. Wie haben Sie diese Spannungen erlebt?
Jean-Claude Kardinal Hollerich (Generalrelator der Weltsynode und Erzbischof von Luxemburg): Spannungen sind normal in der Kirche. Man darf sich nicht über Spannungen wundern. Es gibt ja auch innerhalb jeder Einzelkirche Spannungen, von der deutschen Kirche ganz zu schweigen. Also Spannungen sind normal.
Aber wir konnten auch die Communio, die Gemeinschaft der Kirche erfahren. Wir haben einander geschätzt und einander zugehört. Das ist auch sehr wichtig. Wir vertreten ja nicht Meinungen, die wir für absolut halten, sondern wir sind im Austausch, wir hören zu. Und das Zuhören kann ja auch im eigenen Herzen etwas bewegen, etwas ändern. Und ich finde, es war das erste Mal, dass wir in Europa so frei sprechen konnten und dass jeder seine Ansicht darlegen konnte und von den anderen mit Respekt gehört wurde.
DOMRADIO.DE: Deutschland haben Sie angesprochen. Was ist aus Ihrer subjektiven Sicht die Rolle, die die Deutschen beim Treffen in Prag gespielt haben?
Hollerich: Die deutsche Kirche hat natürlich probiert den Synodalen Weg darzustellen. Einige Länder haben da Gemeinsamkeiten entdeckt, andere waren ganz erschrocken. Aber ich glaube es hat der deutschen Delegation gut getan, die Vielfalt der Meinungen zu sehen; dass wir uns in einer solchen Situation befinden und miteinander gehen müssen. Also ich persönlich möchte nicht kuschen. Sondern man soll ruhig den Weg gehen. Und wenn es vom Heiligen Geist kommt, wird der Heilige Geist es zum Durchbruch bringen.
DOMRADIO.DE: Eines der wirklich drängenden Themen ist die Rolle der Frau in der Kirche. Da wünschen sich deutsche Stimmen, das ist bekannt, eine Frauenweihe. Papst Franziskus hat dieser Bitte eine klare Absage erteilt. Treffen dann bei der Synode in Rom nicht zwei verschiedene Positionen aufeinander, die nicht miteinander vereinbar sind?
Hollerich: Die Synode in Rom hat das Thema Synodalität. Es geht nicht um Frauenweihe. Das heißt, wir beraten darüber, wie wir die Kirche auf lokaler, diözesaner, nationaler und auch auf internationaler Ebene mehr synodal gestalten können. Alle Getauften haben etwas zu sagen. Ich glaube, dass der Heilige Geist in allen Getauften wirkt.
Wenn diese Synodalität durchkommt, stehen in der Zukunft vielleicht auch andere Entscheidungen an. Wir haben dann eine Art und Weise, wie Entscheidungen in der Kirche getroffen werden können. Das wird immer Zeit brauchen. Der synodale Prozess braucht Zeit, kann es so aber fertig bringen, dass alle dahinter stehen. Und das ist doch sehr wichtig. Alle Getauften spielen eine Rolle in der Kirche. Aber welche? Da gehen die Meinungen auseinander.
DOMRADIO.DE: Das heißt, diejenigen, die jetzt die großen Reformen erwarten, haben ein falsches Erwartungsmanagement?
Hollerich: Kardinal Grech und ich haben bereits einen Brief geschrieben, um noch einmal zu betonen, was das Thema der Synode ist. Die Synode wird über dieses Thema gehen: Synodalität. Wie kann die Synodalität in der Kirche gelebt werden? Auf allen Niveaus von der Pfarrei bis zur Weltkirche. Natürlich sind da auch andere Themen, die anklingen oder das Thema der Synode tangieren. Und als solche werden sie auch ernst genommen.
Aber es ist keine Synode über Frauenweihe, auch keine Synode über Homosexualität. Es ist eine Synode über Synodalität, über Kirche, Communio, Partizipation und Sendung, Mission. Wenn wir da eine Verfasstheit der Kirche erleben, dann wissen wir, wie wir andere Probleme ansprechen können. Das kann dann auch geschehen. Wobei man auch immer sagen muss, dass die Europäer nicht alles bestimmen können. Wir sind eine große Weltkirche und Europa ist dabei ein ganz kleiner Haufen. Wir müssen bescheidener werden als Kirche.
DOMRADIO.DE: Sie nehmen auch an den anderen Kontinentaltreffen noch teil, zum Beispiel an dem, das jetzt in wenigen Tagen im Mittleren Osten beginnt. Was erwarten Sie von den anderen Kontinenten? Sind das da die gleichen Wünsche, die gleichen Themen, die da drängen? Oder was verstehen wir nicht aus unserem rein europäischen Blick?
Hollerich: Wenn ich jetzt im Mittleren Osten sein werde, ist wichtig zu wissen, dass die Patriarchate dieser alten Kirchen auch synodale Strukturen haben - viel mehr als die römische Kirche. Da heißt es zunächst einmal Zuhören: Wie wird diese Synodalität gelebt? Ist sie ausbaufähig? Was fehlt vielleicht daran? Was können wir von dieser Erfahrung lernen?
Und dann auch die Kirche in Asien und Lateinamerika, die von ihrer Lage, aus ihrer konkreten Erfahrung heraus sprechen. In Rom kommen anschließend alle Erfahrungen zusammen. Dann ist auch das Material gesammelt, um über eine Unterscheidung der Geister zu sprechen. Das wird eine sehr spirituelle Synode werden. Sie beginnt mit einem ökumenischen Taizé-Gebet auf dem Petersplatz, dann drei Tage Exerzitien und dann erst die Beratungen.
Der Papst hat in die Synode bereits eingeführt. Wir haben das auch in Prag praktiziert, dass nach ein paar Präsentationen von Meinungen eine Zeit der Stille, des Gebetes ist, wo man das Ganze verdauen und in seinem eigenen Herzen so aufbereiten kann. Das wurde auch sehr geschätzt. Das geistliche Gespräch als eine Form, wie man miteinander umgeht. Und ich glaube, diese Art des geistlichen Gespräches hat das Treffen in Prag vor Bösem bewahrt. Weil man im Gebet auf den anderen hören konnte und dem dann nicht die Tür vor der Nase zugeschlagen hat. Das wäre die falsche Lösung.
Wir brauchen Zeit. Der Heilige Geist kann zwar sehr schnell wirken, aber wir brauchen meistens Zeit, die Wirkung des Heiligen Geistes in unseren Herzen und in der Welt zu verstehen, zu begreifen und wahrzunehmen.
DOMRADIO.DE: Sie haben das Taizé-Gebet erwähnt, mit dem die Bischofssynode in Rom im Herbst eröffnet wird. Was ist das für ein Zeichen? Warum wird so ein wichtiges katholisches Treffen gerade mit einem ökumenischen Ritual eröffnet?
Hollerich: Die Basis der Synodalität ist das Getauftsein. Wir Katholiken sind nicht die einzigen Getauften auf dieser Welt. Da sind so viele andere Christen, die auch die Gnade der Taufe erleben, und wir sind ohne diese nicht vollständig. So hat der Papst sie gebeten, mit uns und für uns zu beten.
Und ich glaube auch, dass die Synode, bei der die Taufe das Zentrum ist, ein neuer ökumenischer Frühling werden kann. Bisher haben wir die Kommunion in das Zentrum gerückt, da kriegen wir theologische Probleme, da geht es nicht weiter. Ändern wir die Perspektive und schauen wir auf den gemeinsamen Schatz der Taufe!
Was der Papst im Südsudan mit der anglikanischen Kirche, mit der schottischen Kirche zusammen tun konnte, ist großartig. Es zeigt eine neue Ökumene auf, wie wir als Christen gemeinsam der Welt dienen können.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.