Aachen, Essen, Paderborn, Trier, Fulda, Mainz – die Aufzählung der Nachbarbistümer, aus denen an diesem hohen Kölner Feiertag ebenfalls sehr zahlreich Gäste in die Rheinmetropole gekommen sind, ist am Ende des feierlichen Gottesdienstes mit Erzbischof Woelki fast schon ein Ritual, auf das die mehreren tausend Dombesucher mit Schmunzeln reagieren. Denn wird ihre Diözese vom Kardinal namentlich aufgerufen, recken sich im ganzen Dom wie auf Knopfdruck Arme in die Höhe, die signalisieren: Ja, auch wir sind wieder mit dabei – heute an diesem besonderen Fest.
Woelki steht hinter den leuchtend bunten Sternsingern der Kölner Domsingschule, mit denen er vor dem Auszug immer noch ein kurzes Zwiegespräch führt und schließlich das Lied "Adeste fideles – Nun freut euch, ihr Christen" anstimmt. Freundlich – trotz merklich angeschlagener Gesundheit – schaut er bei diesem fröhlich-bunten Bild in die Runde vor dem Altar und heißt noch einmal alle willkommen, die das für das Erzbistum Köln so bedeutsame kirchliche Hochfest im Dom mitgefeiert haben. Und er würdigt die vielen kleinen "Majestäten", die eine tolle Botschaft mitgebracht hätten, wie er sagt, während die Acht- und Neunjährigen in den Kostümen von Kaspar, Melchior und Balthasar unter zustimmendem Applaus ihre Texte vortragen. "Ja, hier haben wir tatsächlich Hoffnungsträger", stellt der Kardinal dankbar fest, "nicht nur weil sie aufgrund ihres Alters noch viel Hoffnung vor sich haben, sondern sie vielen Kindern weltweit mit ihrem Engagement Hoffnung schenken."
"So etwas gibt es eben nur in Köln", zeigt sich Christa Janßen sichtlich bewegt. Zum 30. Mal ist die alte Dame am Dreikönigstag mit dabei. Und immer in der ersten Reihe. Dafür stellt sie sich schon zeitig in die Einlassschlange, ist oft schon stundenlang vorher da. Die Hauptsache, sie hat freie Sicht auf den Altar und die kleinen Sternsinger in ihren bunten Gewändern, die am Ende die Menschen dazu einladen, sich solidarisch mit den Kindern in anderen Teilen der Erde zu erklären, denen es an vielem mangelt, und für eine Spende tief in die Tasche zu greifen.
"Es macht mich unbeschreiblich glücklich, an diesem Festtag hier zu sein. Ich möchte diese Messe nicht missen und bete, dass ich im nächsten Jahr wieder kommen kann", sagt Janßen und packt ihr Tablet wieder ein, mit dem sie die Prozession aufgenommen hat, um bleibende Erinnerungen für daheim zu schaffen.
Dreikönigenschrein bildet Herzstück des Doms
Selbst eine Dreiviertelstunde vor Messbeginn kann es bereits zu spät sein, um noch einen Sitzplatz zu ergattern. Geschweige denn einen in den ersten Reihen des Mittelschiffs mit unverstelltem Blick auf den Altarraum, die mit Lichtern geschmückten Tannenbäume und – in der Sichtachse – den golden funkelnden Dreikönigenschrein, der an diesem Tag einmal mehr das Herzstück des Domes bildet.
Am Fest der Heiligen Drei Könige – auch Hochfest der Erscheinung des Herrn oder griechisch Epiphanie genannt – finden sich traditionell Tausende in Kölns Kathedrale ein, und da muss man schon früh auf den Beinen sein. Denn die Besucher kommen von überall her: nicht nur aus allen Teilen des Bistums und anderen Diözesen, sondern selbst aus den angrenzenden Benelux-Staaten. Auch Menschen aus der Ukraine sind mit dabei, die sich unter die große Domgemeinde mischen.
"Wir sind neugierig, haben von diesem besonderen Feiertag gehört und wollen ihn hier, wo die Heiligen Drei Könige begraben liegen, nun auch einmal mitfeiern", erklärt Okesandra, die mit ihren beiden kleinen Kindern gekommen ist. "Wenn wir schon nicht Weihnachten zuhause bei unseren Familien sein können, dann wollen wir uns doch wenigstens auf diese Weise mit ihnen im Herzen verbinden."
Mehrheitlich aber sind es vor allem die Kölner selbst, die diesem Feiertag von derart großer Lokalbedeutung Jahr aus Jahr ein die Treue halten. Schließlich stehen am 6. Januar die drei Weisen aus dem Morgenland im Zentrum, deren Gebeine in dem größten und künstlerisch anspruchsvollsten Goldschrein des Mittelalters ruhen, der der Nachwelt erhalten ist und den der Goldschmied Nikolaus von Verdun zwischen 1190 und 1225 als überaus kostbares Gefäß für die Reliquienverehrung in Köln geschaffen haben soll. Schließlich lässt sich nirgendwo sonst authentischer dieses kirchliche Hochfest zelebrieren. Denn hier befindet sich – unbestritten – das Original.
Pilger der Hoffnung
In seiner Predigt hatte Kardinal Woelki zuvor dazu aufgerufen, gerade in einer Zeit, in der die Hoffnung auf Frieden, auf eine gerechtere, solidarischere Welt, auf ein besseres, versöhntes Miteinander, auf ein gutes, bezahlbares Leben, sowie auf Fortschritte im Kampf gegen den Klimawandel zunehmend schwinde, dennoch den Auftrag anzunehmen, Hoffnungsträger zu sein und sich ein Beispiel an den Heiligen Drei Königen zu nehmen. Denn diese Magier, wie sie im Evangelium genannt würden, seien "Pilger der Hoffnung" gewesen. "Sie hatten einen wundersamen Stern gesehen, ein Lichtblick hatte sie aufbrechen lassen – und zum Ziel geführt. Nicht nur an einen geographischen Ort, sondern an das Ziel ihrer Hoffnung."
So sei ihnen der Stern zum Vorboten des neuen Tages geworden. Das griechische Wort "Epiphanie" bringe zum Ausdruck, so Woelki, dass Gott erscheine, aufleuchte – "und zwar aus den düsteren und verwirrenden Verhältnissen unserer Welt, aus aller Hoffnungslosigkeit, weil er sich mitten in sie hineinbegeben hat". Und das neu geborene Kind im Stall von Bethlehem sage nicht nur, dass es den morgigen Kalendertag geben werde, sondern überhaupt ein Morgen, eine Zukunft, eine Hoffnung.
"Wenn also die Magier dem Stern zur Krippe folgen, dann gehen sie der Zukunft entgegen", betont der Kölner Erzbischof. Doch als Aufbrechende und Erwartende hätten sie zur eigenen Orientierung immer auf den Stern blicken müssen. Was aber diene heute zur Orientierung? "Aus welchem Morgenland kommen wir? Wie gehen wir auf unser Morgen zu?", ruft er seinen Zuhörern im Dom fragend entgegen.
Auch wenn die Zukunft nicht restlos abzusichern sei, alles offen bleibe, müssten Christen ja eigentlich grundsätzlich sagen können, dass die Gewissheit, nach der sie sich sehnten, das Kind in der Krippe sei. "Es ist Gottes Hoffnungsträger für uns!" Nicht zuletzt sichere sein Name Immanuel – Gott ist mit uns – seine immerwährende Gegenwart zu. Gott sei Zukunft und Hoffnung auf ewig, auch für ihn persönlich, so der Kardinal. "Komme, was da kommen mag."
Weihnachten habe Gott Menschennatur angenommen und sei Mensch geworden. "Seitdem hängt alles davon ab, dass wir ihn in unser Leben aufnehmen." Ihn in das eigene Leben zu lassen, ändere alles: "Wir werden Kinder Gottes. Wir erhalten vertrauten Umgang mit Gott. Wir dürfen ihn nicht nur Vater nennen, nein, er ist es auch." Und aus eigener Erfahrung, so bekennt Woelki, könne er sagen, dass diese Vertrautheit mit Gott eine Geborgenheit schenke, die durch keine Erschütterung zerstört werde. "Aus der Nähe zu Gott erwächst ein tiefer Friede, der alle Unrast und allen Streit überstrahlt."
Darüber hinaus bedeute Vertrautheit mit Gott, selbst zu einem Hoffnungsträger zu werden. "Das geht ganz konkret – nämlich dann – wenn wir unser Herz öffnen für die, in denen Jesus heute auf uns zukommt. Wenn wir unser Brot teilen mit den Hungrigen, wenn wir den Dürstenden Wasser reichen, wenn wir die Tränen aus den Augen eines Kindes wischen, wenn wir mit einem Lächeln Hoffnung wecken, wenn wir Samen der Liebe säen, wenn wir mit anderen Brücken zum Frieden bauen." So einmal Gottes Hoffnungsträger zu werden – inmitten einer hoffnungslosen Welt – würde zeigen: Christus wird geboren. Auch heute noch."