DOMRADIO.DE: Wie haben Sie die vergangenen Tage und Wochen erlebt?
Dr. Mareike Blischke (Pfarrerin im Pfarrbereich Berga-Kelbra, evangelischer Kirchenkreis Eisleben-Sömmerda): Seit Weihnachten leben wir eigentlich in einem Zustand ständiger Anspannung und Sorge, weil die Flüsse, die in unserem Pfarrbereich fließen, zuerst die Thyra, die durch meinen Ort Berga fließt, und jetzt die Helme, die vom Stausee Berga-Kelbra kommt, Hochwasser führen. Schon am Heiligabendgottesdienst hörten wir von Gemeindegliedern, die Bekannte im Ort Windhausen haben, dass dieser Ort komplett unter Wasser steht.
In Berga selbst hat die Thyra enormes Hochwasser geführt. Es mussten Sandsäcke geschippt werden. Dann gab es einen kurzen Moment der Entspannung am 25., wo wir dachten, es kommt doch nicht so schlimm. Und am 26. nachmittags dann die Evakuierungsaufforderung für einen Ort, der an der Helme liegt und dann auch für den Ort Roßla, in dem ich lebe. Da fuhr die Feuerwehr am Nachmittag durchs Dorf und rief die Einwohner auf, sich auf eine Evakuierung vorzubereiten. Und das erschreckt einen dann natürlich sehr.
Im Moment ist es aber so, dass wir ein kleines bisschen aufatmen können, weil die Niederschläge nachgelassen haben und man nun das Gefühl hat, man hat die Situation im Griff.
DOMRADIO.DE: Sie sind Pfarrerin. Gab es da in Ihrer Gemeinde Einschränkungen? War Ihnen da überhaupt zum Feiern zumute?
Blischke: Ja, es war eine Gratwanderung. Heiligabend haben wir noch so begangen, wie wir es gewohnt sind, auch mit fröhlichen, großen Gottesdiensten. Am zweiten Weihnachtstag ging man schon mit Sorge los. Und dann kamen ja die Silvester-Neujahr-Gottesdienste und jetzt das Sternsingen, wo man sich auch immer fragte, eigentlich werden ja die Menschen bei den Sandsackabfüllstationen gebraucht. Wenn wir jetzt große Gottesdienste anbieten, ist das eigentlich richtig? Können wir das machen?
Auf der anderen Seite war auch klar, dass Gottesdienst nicht zu feiern auch keine Option ist, weil wir die Fürbitte im Gottesdienst, das Gebet und sich seelsorgerlich mit den Menschen treffen zu können, unheimlich wichtig ist in dieser Zeit. Aber es war eben immer bei allem eine Gratwanderung.
DOMRADIO.DE: Der Kanzler hat bei seinem Besuch am Donnerstag von einer großen Solidarität gesprochen. Erleben Sie das auch so, diesen besonderen Zusammenhalt?
Blischke: Ja. Man muss sagen den größten Anteil haben wirklich unsere Freiwilligen Feuerwehren in den Orten, wo die Männer von Weihnachten an im Grunde bis jetzt durchgängig in Zwölf-Stunden-Schichten im Einsatz waren. Unser ältester Sohn, der 18 Jahre alt ist, der ist auch bei der Freiwilligen Feuerwehr. Wir haben ihn im Grunde seit Weihnachten nur wenig gesehen. Die haben da wirklich Enormes geleistet. Die hatten ja keine Erfahrung mit Hochwasser und mussten plötzlich Bescheid wissen, wie man die Deiche sichert.
Die Familien, die zu den Feuerwehren gehören, die Verpflegung organisiert haben und die Einwohner unserer Dörfer sind gekommen, Weihnachten, Silvester und haben stundenlang Sandsäcke gefüllt, und das von Hand, teilweise. Das ist wirklich ein enormer Einsatz von allen, um hier zusammenzuhalten. Das ist ganz großartig, das zu sehen. Und da hat man auch das Gefühl, man sieht, wie Menschen auch einander zu Segen werden können.
DOMRADIO.DE: Was muss Kirche in solchen Momenten leisten? Wie können Sie die Menschen begleiten?
Blischke: Tatsächlich ist uns das in dieser Krisensituation schwergefallen. Wir kannten ja schon die Krisen durch die Coronazeit und auch durch die Energiekrise. Da war das viel einfacher, weil wir Angebote schaffen konnten, wo Menschen sich auch mit Abstand sehen konnten. Da fiel uns die Begleitung leichter. Jetzt war es eben so, dass tatsächlich Menschen gebraucht wurden, die mit den Händen anpacken. Unsere Kerngemeinden sind sehr alt, also wir sind hier Diaspora. Der Anteil an Christen in unseren Dörfern beträgt so 10 Prozent vielleicht.
Aber unsere Stärke lag dann eben doch darin, mit Menschen zu sprechen, Menschen auch aufzusuchen, die gerade in großer Sorge und in Not sind. Manche Angst vielleicht auch zu nehmen. Und mein Mann und ich, wir sind auch davon überzeugt, dass Beten in allen Situationen hilft. Wir haben dann in unserer Kirche in Roßla, wo wir wohnen, regelmäßig Gebetszeiten wieder eingeführt. Beten ist auf keinen Fall das Schlechteste, was man tun kann. Aus der Coronazeit hatte ich noch ein Onlineformat, das Glaubenslicht. Da habe ich auch eins gemacht, mit dem ich versucht habe, die Sorgen der Menschen ein bisschen aufzugreifen. Das ist, glaube ich, auch ganz gut angekommen.
Das Interview führte Elena Hong.