Es waren neue, versöhnliche Töne, die man so schon lange nicht mehr aus der katholischen Benediktinerabtei im "Tal der Gefallenen" nahe Madrid gehört hatte. Am Dienstag wurde der Mönch Alfredo Maroto zum neuen Prior ernannt. In seinem ersten Gottesdienst äußerte er die Hoffnung, dass die Basilika der umstrittenen Bürgerkriegs-Gedenkstätte zu einem "wahren Denkmal der Versöhnung" werden könnte.
Zumindest aus Sicht der spanischen Regierung wirkte indes die Benediktiner-Abtei im Valle de los Caidos bisher alles andere als versöhnend. Mehr noch: Der sozialistische Ministerpräsident Pedro Sanchez sah im bisherigen Prior Santiago Cantera einen regelrechten Unruhestifter und Störfaktor.
Doch der Reihe nach: 2022 verabschiedete die Linksregierung ein "Gesetz zur demokratischen Erinnerung". Damit will sie die Zeit der Franco-Diktatur (1939-1975) gemäß dem eigenen Geschichtsbild aufarbeiten. Landesweit wurden seitdem Tausende Denkmäler, Statuen und Straßennamen von Größen des Franco-Regimes entfernt. Eine "Verherrlichung" dieser Zeit kann fortan mit hohen Geldstrafen bis zu 150.000 Euro geahndet werden.
Suche nach anonymen Opfern
Auch die Suche und Bergung von Diktatur-Opfern wird durch das Gesetz unterstützt. Dies betrifft das Valle de los Caidos unmittelbar. Francisco Franco ließ das dortige rund 150 Meter hohe freistehende Steinkreuz und eine riesige in den Fels gehauene Kirche noch zu Lebzeiten errichten. Mit dem architektonisch eindrucksvollen Monument wollte er die "für Gott und Spanien" Gefallenen des Bürgerkriegs (1936-1939) bestatten und ehren. In Europa gibt es kein vergleichbares Grabdenkmal.

Dass bei den Bauarbeiten Tausende republikanische Zwangsarbeiter unter unmenschlichen Bedingungen schuften mussten, ist nur ein Teil des historischen Ballasts. Hinzu kommt, dass in einer Gruft immer noch die Gebeine Zehntausender Soldaten liegen.
Viele wurden anonym beerdigt. Längst nicht alle waren Franco-Anhänger. Unter den Toten sind auch zahllose Republikaner. Viele Hinterbliebene sehen dies bis heute als Demütigung.
Der "Caudillo", der Anführer selbst wurde bereits 2019 nach langem juristischen Tauziehen umgebettet. Mit dem Gesetz von 2022 benannte die Regierung das "Tal der Gefallenen" - zumindest nach offizieller Lesart - in "Tal von Cuelgamuros" um und begann mit der Bergung republikanischer Kriegsopfer. In diesem Jahr will die Regierung anlässlich des 50. Todesjahres des Diktators die Umwandlung der Basilika in ein Erinnerungs- und Dokumentationszentrum vorantreiben.

Widerstand der Benediktiner
Bisher gab es allerdings erheblichen Widerstand der Benediktiner, die seit 1958 für die Basilika zuständig sind. Denn die Pläne der Sozialisten sehen vor, dass die Mönche verschwinden, die an der Gedenkstätte unter anderem ein gut besuchtes Gästehaus betreiben.
Nur mit einer persönlichen Anordnung von Papst Franziskus seien sie bereit, ihre Abtei zu verlassen, stellte der bisherige Prior Cantera klar. Der resolute Ordensmann wehrte sich gegen sämtliche Versuche der Regierung, die Stätte als bloßen Faschistentreff zu diskreditieren.
Es sei ein Ort, an dem die Benediktiner stets für Frieden und Versöhnung gebetet hätten, betonte er. Francos Umbettung versuchte er bis zuletzt zu verhindern. Das Problem: Durch seine konfrontative Art geriet Cantera unter Verdacht, selbst dem Franquismus nachzutrauern.
Ex-Prior wird nicht nachgetrauert
Dass es nun einen neuen Prior im "Tal der Gefallenen" gibt, könnte den Weg zu einer Einigung ebnen. "Es ist eine sehr gute Nachricht,dass ein Prior, der sich nicht zu demokratischen Werten bekannte, das Tal zu diesem wichtigen Zeitpunkt verlässt", erklärte Justizminister Felix Bolanos.
Die katholische Kirche in Spanien hält sich mit Abschiedsworten für den Vorgänger zurück. Ein Großteil der Bischöfe teilte den Standpunkt Canteras nicht, der mit seiner unbequemen Haltung zusehends aneckte. Vielleicht wurde deshalb ein eher stiller, zurückhaltender und medienscheuer Mönch wie Alfredo Maroto zum neuen Prior gewählt.
Tauziehen geht weiter
Dennoch steht fest: Das Tauziehen zwischen der Kirche und der Regierung um die Gedenkstätte wird weitergehen. Wie die Benediktinermönche hat auch die Spanische Bischofskonferenz kein Problem damit, letzte Franco-Relikte zu entfernen und in der Kirche Platz für ein Erinnerungszentrum zu schaffen. Wohl aber ist man gegen die geplante Entweihung der Basilika und gegen eine Stilllegung des Klosters.
Eigentlich gehört das Grundstück dem spanischen Staat. Auch die Kirche wurde vom Staat beziehungsweise der damaligen diktatorischen Regierung errichtet. Doch Franco übertrug ihre Verwaltung der kirchlich-staatlichen "Stiftung des Heiligen Kreuzes im Tal der Gefallenen". Diese will die amtierende Regierung aber jetzt auflösen. Hinzu kommt die Rolle des Vatikans, dem Franco seinerzeit die Letztverantwortung für die Stätte übertrug. Ein Machtwort, an das sich alle Beteiligten des jahrelangen Streits gebunden fühlen, könnte daher wohl nur der Papst sprechen.