In einem "Pflege-Psalm" klagt der katholische Saarbrücker Klinikseelsorger Hermann-Josef Mayers mit deutlichen Worten über die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte. In seinem Gebetstext mit dem Titel "Klagelied - nicht nur eines einzelnen" formuliert er Hilflosigkeit, Überlastung, verlorene Ideale und Druck in der Pflege. Zwei Verse wiederholen sich: "Gott, ich laufe wie ein Hamster im Rad und komme nicht mehr heraus. Je schneller ich laufe, umso schneller dreht sich das verdammte Rad."
"Gott – wenn man nicht mehr weiß, an wen man sich sonst wenden kann"
Die Form des Psalms habe er gewählt als Möglichkeit, sich an Gott zu wenden, "wenn man nicht mehr weiß, an wen man sich sonst wenden kann", sagt der Theologe der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Ein Psalm ist ein poetischer religiöser Text, der oft als Klage, Bitte oder Lob Gefühle wie Angst, Verzweiflung oder Dankbarkeit ausdrückt. Das Buch der Psalmen im Alten Testament der Bibel enthält 150 solcher Gedichte, Lieder und Gebete.
Der Tag der Pflege am Donnerstag sei kein Tag für Lobeshymnen auf den Pflegeberuf, sagt Mayers. "Das ist ein Tag, um aufzuschreien und den Pflegenden, die gerne mundtot gemacht werden, eine Stimme zu geben", so der Seelsorger. "Der Pflegenotstand ist menschengemacht und politisch gewollt, um Kosten zu minimieren." Nach 20 Jahren als Klinikseelsorger sei er "mehr als frustriert zu sehen, dass sich auf politischer Ebene einfach nichts bewegt".
Es beunruhige ihn, dass sich die Situation in der Pflege immer weiter zuspitze und zugleich die politische Debatte um Verbesserungen in der Pflege erlahmt sei. Mit der Corona-Pandemie sei die Pflegesituation in Kliniken zwar kurz diskutiert worden, spiele inzwischen in der öffentlichen Wahrnehmung und der Politik aber kaum noch eine Rolle. Täglich erlebe er als Klinikseelsorger, dass in Folge der angespannten Situation der Mensch - Patienten ebenso wie Pflegekräfte - aus dem Blick gerate.
In Mayers Psalm heißt es: "Sie haben mich zu einer Maschine gemacht, mir meine Seele gestohlen." Nur Funktionieren zähle: "Ich laufe und hetze", die Handgriffe säßen gekonnt, seien aber mechanisch und leer. Eindrücklich beschreibt er die Entfremdung vom Beruf. Dem Anspruch und Wunsch, etwas Sinnvolles zu tun, Menschen aufzurichten und zum Leben zu ermutigen, sei Ernüchterung gewichen. "Ich habe meine Ideale verloren, und sie sagen mir, das muss so sein." Zu weich, zu sensibel, das gehe nicht. "So ist das heute eben, sei hart und schnell, das ist professionell."
Insbesondere von den christlichen Krankenhausträgern zeigt sich Mayers enttäuscht. Sie machten sich gemein mit dem "Spar- und Konkurrenzkampf" anderer Kliniken. "Ich erwarte von einem christlichen Träger, dass er sich politisch lautstark bemerkbar macht und sich einsetzt, um den Pflegenotstand zu beheben und die Mitarbeitenden und die Patienten zu schützen." Er fordert, die kirchliche Grundordnung abzuschaffen, damit Pflegende für bessere Arbeitsbedingungen streiken dürften.
Stimme erheben und Missstände benennen
"Was ist nur aus meinem Beruf und aus mir geworden?", fragt Mayers im Psalm. Weiter heißt es: "Manchmal sehe ich sie noch, die alte Frau, die ängstlich und verwirrt wartet, / dass ich stehen bleibe, sie an der Hand nehme und ihr ein gutes Wort gebe. / Manchmal rede ich noch mit dem Mann, der weint, weil er bei Visite gehört hat, dass der Krebs, den man bei ihm gefunden hat, unheilbar ist."
Die Realität des Berufes stehe in eklatantem Widerspruch zu den Hochglanz-Werbeplakaten, auf denen junge strahlende Gesichter für den Pflegeberuf werben. Ebenso zu den Werbesprüchen, mit denen Unternehmen sich als familienfreundliche, mitarbeiterorientierte und innovative Arbeitgeber präsentierten und so versuchten, neue Mitarbeitende in der Pflege zu gewinnen.
Mayers sagte, er wolle sich angesichts der Notsituation in der Pflege mit seinen Möglichkeiten für bessere Bedingungen einsetzen - und das bedeute, die Stimme zu erheben und allgemeine Missstände zu benennen. Denn Auswege und Lösungsvorschläge gebe es, die Situation könne politisch gelöst werden, sagt der Klinikseelsorger. Das kostete aber eben Geld. Derzeit sei niemand bereit, es in die Hand zu nehmen.