Es war ein Novemberabend vor etwas mehr als 20 Jahren in Rom. Der Autor dieser Zeilen saß in der deutschen Nationalkirche Santa Maria dell'Anima und wartete auf die Abendmesse. Er war der einzige Besucher an diesem Abend. Das blieb auch so, als zu Beginn des Gottesdienstes sechs bis acht Priester in liturgischer Kleidung einzogen und sich hinter dem Altar aufstellten. Dieser Eindruck, als "Gemeinde" einer Konzelebrationswand ausgesetzt zu sein, erzeugt seitdem immer einen negativen Beigeschmack, wenn es um das Thema der Konzelebration geht, zumal damals auch zum Friedensgruß keiner der Priester den Altarraum verließ.
In Erinnerung kam diese Situation erneut, als am vergangenen Sonntag der neue Rektor des Campo Santo Teutonico in Rom eingeführt wurde. Zu sehen ist der Augsburger Bischof Bertram Meier mit vielen Konzelebranten, die sich um ihn herum hinter dem Altar aufgestellt haben. Zwar ist davon auszugehen, dass die Gemeinde auf der anderen Seite des Altars deutlich mehr als nur einen Gläubigen umfasste, aber dennoch bleibt das Bild "Wir hier – Ihr da" im Kopf bestehen und wirft die Frage auf, ob die oftmals praktizierte Form der Konzelebration nicht ein Ausdruck von Klerikalismus ist. Der Altar – in diesem Kontext auch gerne "Volksabwehraltar" genannt – wird zur ungewollten Trennlinie zwischen Klerus und Laien.
Betriebsausflug der Busfahrer
Im Dunstkreis der vor zwei Jahrzehnten in Rom Studierenden, die auch regelmäßig Vorlesungen des an der Gregoriana lehrenden Dogmatikprofessors Gisbert Greshake besuchten, kursierte damals folgendes, die Konzelebration betreffendes Gleichnis: Bei einem Betriebsausflug der Busfahrer kann nur einer von ihnen wirklich den Bus steuern. Damit aber alle Teilnehmer deutlich machen können, dass sie mit der Vollmacht, dieses Fahrzeug auch zu steuern, ausgestattet sind, bekommt jeder von ihnen zusätzlich ein Lenkrad in die Hand gedrückt. Auswirkungen auf die Fahrt an sich hat dies jedoch nicht.
Das Zweite Vatikanische Konzil stellt in seiner Liturgiekonstitution fest, dass die Konzelebration "in der Kirche des Ostens wie des Westens bis auf den heutigen Tag in Übung geblieben" ist und in ihr "passend die Einheit des Priestertums in Erscheinung" tritt (SC 57 § 1). Doch diese Übung war bis zum Konzil nur in einer sehr eingeschränkten Weise möglich. Seit dem Hochmittelalter ging der Anteil der in Konzelebration gefeierten Messen stetig zurück und blieb schließlich auf Bischofs- und Priesterweihen beschränkt. Grund dafür war die Zunahme von Seelsorgestellen mit nur einem Priester einerseits wie auch die vielen gestifteten Altäre, an denen Privatmessen zum Seelenheil der Stifter gefeiert wurden, andererseits.
Eucharistie als Handlung aller Getauften
Der Benediktiner und Liturgiewissenschaftler Angelus Häußling schreibt in seinem Artikel im Lexikon für Theologie und Kirche, dass sich Ende des 19. Jahrhunderts die Messe ohne Gläubige – die sog. "Privatmesse" – als einzige Form, als Priester an der Messe teilzunehmen, durchgesetzt hatte. Damit einher ging ein zur Norm erhobenes Verhaltensmuster und asketisches Empfinden, dass ein guter Priester täglich selbst die Heilige Messe feiert.
Mit der Liturgischen Bewegung kam der Charakter der Eucharistie als Handlung der ganzen Kirche, also aller Getauften, wieder stärker ins Bewusstsein. Zu Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzils wurde die Doppelung von Konvent- und Kommunitätsmessen mit Privatzelebration als Belastung empfunden. Bei Großveranstaltungen wie Wallfahrten, Katholikentagen und Eucharistischen Kongressen fiel auf, dass Priester wegen ihrer Bindung an die Privatmesse von den großen Eucharistiefeiern, die alle vereinen sollten, als einzige Gruppe ausgeschlossen blieben.
Klerikalisierung des Gottesdienstes
So dehnte die Liturgiekonstitution des Konzils die Konzelebration auf mehrere Anlässe aus. Darunter waren die Chrisammesse, die der Ortsbischof zusammen mit dem Klerus seiner Diözese feiert, aber auch die Abendmahlsmesse vom Gründonnerstag, Messen bei Konzilien, Bischofszusammenkünften und Synoden, aber auch die Messe bei der Abtsweihe. Zusätzlich soll der jeweilige Ortsbischof die Möglichkeit haben, die Erlaubnis zur Konzelebration in Konvents- und Hauptmessen in jenen Kirchen zu erteilen, in denen "das geistliche Wohl der Christgläubigen nicht die Einzelzelebration aller anwesenden Priester verlangt" sowie "bei den verschiedenartigen Zusammenkünften von Welt- und Ordenspriestern" (SC 57 § 1.2ab). Dennoch sollte weiterhin jedem Priester die Freiheit bleiben einzeln zu zelebrieren, jedoch nicht zur selben Zeit in derselben Kirche während einer Konzelebration oder am Gründonnerstag. Diese Weisungen des Konzils wurden 1965 mit dem Generaldekret "Ecclesiae semper" umgesetzt und ein neuer Konzelebrationsritus geschaffen. Auch das Kirchenrecht adaptierte bei seiner Erneuerung 1983 weitestgehend den Wunsch des Konzils.
Die Praxis hat sich seit der verstärkten Wiedereinführung der Konzelebration tiefgreifend verändert. Doch gingen und gehen die Erwartungen an diese Form des Eucharistiefeierns auseinander. Häußling bemängelt das Unterbleiben der theologischen und spirituellen Aufarbeitung und Klärung, was denn nun die richtige Form der Konzelebration ist. Geht es allein um die Vereinigung von Privat- und Kommunitätsmesse? Ist eine in Konzelebration gefeierte Messe feierlicher? Befördert sie bei übergroßer Anzahl von Konzelebranten eine Klerikalisierung des Gottesdienstes?
Konzentration auf die Wandlungsworte
Als problematisch sehen einige Liturgiewissenschaftler die Vorschrift an, dass die Konzelebranten die Einsetzungsworte mitsprechen müssen, um als Priester zu handeln. Diese in der scholastischen Theologie begründete Konzentration auf die Wandlungsworte wird beispielsweise von Häußling als "binnenliturgischer, ja binnensakramentaler Klerikalismus" kritisiert. Auch Greshake bezeichnet diese Form der Konzelebration als "problematisch" und noch darauf wartend, "sinnvoll verwirklicht zu werden". Indem in der Eucharistiefeier beim Sprechen der Konsekrationsworte "ein meist nicht sehr wohllautender 'Bardenchor' mehr oder minder synchroner Stimmen" einsetzt, erscheine dieser nicht mehr als verkündetes Evangelium, sondern als eine "quasimagische Beschwörungsformel".
Dabei ist Greshake kein prinzipieller Gegner der Konzelebration, die er überall dort als sinnvoll erachtet, "wo sich wirklich eine Ortskirche in der Eucharistiefeier als solche in voller Zeichenhaftigkeit darstellt". Zwar würde sich in der konzelebrierten Eucharistie das kirchliche Amt faktisch im "sakramentalen Gegenüber" zur Gemeinde und damit auch die Hierarchie der Kirche darstellen. Mit mindestens gleichem Gewicht aber sei der kirchliche Amtsträger in der Gemeinde als "Gleicher neben Gleichen". Greshake führt hier als Beispiel den Priester an, der beim Beichtehören in einer Pause seinen Beichtstuhl verlässt und sich zusammen mit Gläubigen an einem anderen Beichtstuhl anstellt, um dort das Sakrament der Versöhnung zu empfangen – ein Bild, das bei Papst Franziskus regelmäßig zu sehen ist.
Synodaler Weg ohne Konzelebration
Ein Beispiel aus unseren Tagen, das die Problematik der Konzelebration thematisiert, sind die Gottesdienste, die im Rahmen der Versammlungen des Synodalen Weges im Tagungssaal gefeiert worden sind. Hätte man hier auf die allgemein übliche Form der Konzelebration zurückgegriffen, wäre ein Block von Bischöfen und Priestern den Nicht-Klerikern gegenübergestanden, was der Grundintention des Reformprojekts völlig zuwider gewesen wäre. So beschränkte man sich hier auf den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz als einzigen "Zelebranten", der dann allerdings auch kein Messgewand trug. Die übrigen Bischöfe und Priester, die den Saal nicht verlassen hatten, saßen zusammen mit den Laien auf ihren Plätzen und "konzelebrierten" mit diesen von dort aus mit. Denn Konzelebration – so Greshake – ist die "Darstellung der Kirche, nämlich ihrer Einheit in der Vielfalt ihrer Ämter und Funktionen". Jeder konzelebriert also.
In der Tat sind in größeren Städten mit umfangreicheren Gottesdienstangeboten und mehreren Priestern immer wieder Geistliche zu beobachten, die nicht konzelebrieren, sondern den Gemeindegottesdienst wie alle Gläubigen mitfeiern. Zu ihnen gehört Pater Stephan Kessler, Pfarrer der Kunst-Station Sankt Peter Köln: "Ich selbst halte mich bei der Konzelebration besonders an Werktagen, an denen ich keine eigene Gottesdienstverpflichtung habe, normalerweise zurück. Ich besuche gerne die Messe in einer der vielen Kölner Innenstadtkirchen. Dabei halte ich mich an die Tradition der Orden: Benedikt geht in seiner Regel davon aus, dass Priester oft nur kommen, um ihren amtlichen Vorrang und sich aufzuspielen. Die Gefahr besteht in der Tat." Die Feier der Messe ohne Volk hält er nicht für unmöglich, aber für defizitär.
Weihe als Selbstschutz
Andere wiederum meiden Konzelebrationen, da sie darin ihr priesterlich sakramentales Wirken nur ungenügend verwirklicht sehen und finden den Ausgleich in der Einzelzelebration ohne Gemeinde. Die Feier der Messe aus der Bank heraus kommt für einige auch nicht infrage, da sie sich nicht den privaten Vorlieben und Abneigungen ihrer Mitbrüder im Zelebrationsstil ausgesetzt fühlen möchten – hier sind Priester gegenüber Laien klar im Vorteil (Weihe als Selbstschutz). Doch Orte außerhalb von Privaträumen, wo die Zelebration des Priesters ohne Gemeinde möglich ist, gibt es wenige. Der Kölner Dom zählt zu ihnen. Wer frühmorgens das Gotteshaus betritt, sieht im Kapellenkranz immer wieder Domgeistliche, die neben den offiziellen Gemeindemessen in der Marienkapelle – ganz wie im Mittelalter – einzeln die Heilige Messe zelebrieren.
Der Bonner Liturgiewissenschaftler Andreas Odenthal weiß, dass dieses Phänomen nicht unumstritten ist. Gleichzeitig wendet er aber ein, dass es im Mittelalter weder um Klerikalismus, noch um die private priesterliche Frömmigkeit, sondern um den Heiligen Ort gegangen sei. "Er zieht die Feier der Eucharistie auf sich, die der Priester stellvertretend für die gesamte Kirche feiert." Und obwohl heute das Konzil die Gemeindemesse als Norm sehe, seien die eher privaten Messfeiern nicht ausgeschlossen, so Odenthal.
Prominenz in Kölner Kirchenbänken
Die Feier der Messe ohne Gläubige ist auch für den Dompropst Guido Assmann nicht die erste Wahl, da sie zu einer Zersplitterung des Volkes Gottes führen kann. Sie soll daher begründbare Ausnahme bleiben, weshalb die im Dom abgehaltenen Zelebrationen eines Priesters alleine den älteren Geistlichen oder solchen mit Verpflichtungen zu Zeiten der angesetzten Gemeindemessen vorbehalten sind. Für Assmann ist die tägliche Messfeier ein wichtiges Anliegen. Das geht aber auch durchaus ihm Rahmen der Konzelebration, weshalb man ihn häufig an Werktagen im Kölner Dom zusammen mit anderen Priestern am Altar stehen sieht. "Als Dompropst konzelebriere ich gerne im Dom, um meine Verbundenheit zum Domkapitel und zu den Gläubigen in der Kathedrale zum Ausdruck zu bringen." Weihbischof Rolf Steinhäuser hingegen besucht – ebenso wie Pater Kessler – Gemeindemessen in der Kölner Innenstadt. Dort wurden übrigens in den Kirchenbänken auch schon prominente Kirchenmänner wie die emeritierten (Kurien-)Erzbischöfe Werner Thissen und Paul Josef Kardinal Cordes gesichtet.
Auf kurz oder lang wird sich ohnehin die Frage stellen, ob mehrere Priester hinter dem Altar angesichts des dramatischen Rückgangs an Geistlichkeit überhaupt noch ein geeignetes Signal sind. Allerdings lichten sich auch die Reihen diesseits des Altars immer deutlicher. Platz genug also auch für Priester, die einmal die Blickrichtung auf den Herrn zu wechseln bereit sind.