Lage zwischen Papst und Meloni wegen Migration angespannt

Der Honeymoon ist vorbei

Im Juni, beim G7-Treffen, schienen Giorgia Meloni und der Papst noch eng verbunden. Doch dann sprach Franziskus von der "schweren Sünde", die jeder begeht, der Flüchtlinge zurückdrängt. Der Beziehungsstatus ist seither kompliziert.

Autor/in:
Ludwig Ring-Eifel
Ein Bild aus früheren Tagen: Giorgia Meloni und Papst Franziskus / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Ein Bild aus früheren Tagen: Giorgia Meloni und Papst Franziskus / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

Italiens Innenminister Matteo Piantedosi strahlte. Um 60 Prozent sei im ersten Halbjahr die Zahl derer zurückgegangen, die aus Afrika kommend ohne Erlaubnis an Italiens Küsten landeten, teilte er im italienischen Fernsehen mit. Die Verträge, die Melonis Regierung mit afrikanischen Staaten ausgehandelt hat, wirkten, von Nordafrika bis zur Elfenbeinküste. Aus letzterem Land sei die Zahl der Flüchtlinge schon fast auf Null gesunken.

Das war im Juli. Wenige Wochen später, bei einer seiner ersten Generalaudienzen nach der Sommerpause, wird die Miene von Papst Franziskus bei seiner Ansprache an Zehntausende Gläubige auf dem Petersplatz düster. Er spricht, nicht zum ersten Mal, von den vielen Menschen, die auf ihrer Wanderung Richtung Norden verdursten oder ertrinken, und wiederholt die traurige Feststellung, das Mittelmeer sei zu einem Friedhof geworden. Und dann sagt er ein paar neue Sätze:

Papst Franziskus empfängt Giorgia Meloni, Ministerpräsidentin von Italien / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus empfängt Giorgia Meloni, Ministerpräsidentin von Italien / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

"Eines muss ganz klar gesagt werden: Es gibt Menschen, die systematisch und mit allen Mitteln versuchen, Migranten abzuwehren. Und das ist, wenn es bewusst geschieht, eine schwere Sünde."

Lob des Papstes für die Seenotretter

Der Kontrast zur Politik der Regierung von Giorgia Meloni war unübersehbar. Doch die war klug genug, nicht unmittelbar auf den Papst zu reagieren. Lediglich einige Politiker der rechtspopulistischen Lega schrieben in Sozialen Netzwerken voller Sarkasmus, dass der Vatikan ja nun sicher auch viele Migranten auf dem Gebiet des Kirchenstaats aufnehmen werde.

Damit reagierten sie auf die Einlassungen des Papstes, aber auch auf Nachrichten aus den Tagen davor, als das Flüchtlingsrettungsschiff "Mare Jonio" mitsamt einem kirchlichen Begleitboot in Trapani (Sizilien) in See stach. Das Team der Nichtregierungsorganisation "Mediterranea Saving Humans" rettete, gemeinsam mit Italiens Küstenwache, in drei Tagen etwa 180 Menschen vor dem Ertrinken. Zahlen, die jetzt die "Erfolgsbilanz" des Innenministers wieder eintrüben werden. Doch der Papst lobte auf dem Petersplatz ausdrücklich die "guten Samariter", die sich bei dieser NGO engagieren.

Änderung des Einbürgerungsrechts 

Migration ist nur eines von mehreren politischen Themen, bei denen Italiens rechte Regierungsparteien und die katholische Kirche derzeit auseinanderliegen. Das zweite hängt eng damit zusammen und hat als eine Art Sommertheater im Juli und August die italienische Innenpolitik beflügelt, die ansonsten in der bleischweren Hitze nur wenig Aufregendes zu bieten hatte. 

Überfülltes Flüchtlingsboot auf dem Mittelmeer / © Francesco Pistilli/Emergency.it (KNA)
Überfülltes Flüchtlingsboot auf dem Mittelmeer / © Francesco Pistilli/Emergency.it ( KNA )

Es firmiert unter dem lateinischen Begriff "ius scholae". Dahinter verbirgt sich der Vorschlag, die Einbürgerung von Migrantenkindern zu beschleunigen und zu erleichtern. Das Bürgerrecht soll demnach künftig am Schulbesuch, und nicht mehr bloß an der blutsmäßigen Abstammung ("ius sanguinis") festgemacht werden.

Beim "ius scholae" ergab sich im Lauf des Sommers eine Art ideelle Koalition zwischen der kleinen liberalen Regierungspartei Forza Italia und den linken Oppositionsparteien. Beflügelt wurde die Debatte von den sportlichen Erfolgen "bunter" Mannschaften mit hohen Migrantenanteilen bei der Fußball-EM und den Olympischen Spielen.

Inzwischen scheint eine Änderung des Einbürgerungsrechts von der liberalen Mitte bis ganz links mehrheitsfähig - gegen die beiden rechten Regierungsparteien unter Führung von Meloni, die ohne ihren liberalen Partner keine Mehrheit haben.

Kirche unterstützt eine rasche Einbürgerung

Auch die Kirche äußerte sich dazu: In zustimmenden Kommentaren katholischer Intellektueller wie Sant'Egidio-Gründer Andrea Riccardi; aber auch in Gestalt des neuen Vorsitzenden der regionalen Toskanischen Bischofskonferenz, Kardinal Augusto Paolo Lojudice, der die Idee des "ius scholae" ebenfalls explizit unterstützte.

Ein drittes Konfliktfeld tut sich beim Streit um die Finanzierung der italienischen Regionen auf. Hier geht es um ein Lieblingsprojekt der aus dem reichen Norditalien stammenden Regierungspartei Lega unter ihrem Vorsitzenden Matteo Salvini. Nachdem vor allem die Region Sizilien Steuergelder aus Rom unter anderem dazu nutzte, das Regionalparlament und den regionalen Beamtenapparat kräftig aufzublähen, sollen laut dem am 26. Juni in Kraft getretenen Gesetz künftig die Regionen mehr finanzielle Autonomie erhalten - die sie freilich auch stärker selber finanzieren müssen.

Das betrifft auch Bereiche wie den Denkmalschutz und die Gesundheitsversorgung. Hier könnte sich künftig der Graben zwischen dem reichen Norden und dem armen Süden weiter vertiefen. Die Italienische Bischofskonferenz, in der die Süditaliener wegen der vielen kleinen Bistümer im Süden traditionell stark vertreten sind, hat sich gegen die "Autonomia differenziata" ausgesprochen. Sie warnt vehement vor einem Ende des Solidarprinzips im italienischen Nationalstaat. Gegen das Autonomiegesetz wird derzeit eine von den linken Oppositionsparteien und von einigen Regionen unterstützte Volksabstimmung vorbereitet.

Weniger Geld für die Kirche?

Und noch ein Thema belastet derzeit die Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und Italiens Regierungsmehrheit. Es geht um viel Geld, laut italienischen Medienberichten sind es bis zu 200 Millionen Euro jährlich. Um diese Summe könnten die Steuereinnahmen der katholischen Kirche in Italien schrumpfen, wenn Regierungspläne für einen neuen Verteilungsschlüssel des "Otto per mille" (auf Deutsch: 0,8 Prozent) umgesetzt würden. 

Seit 1985 können Italiens Steuerzahler wählen, ob sie eine Religionsgemeinschaft oder den Staat als Empfänger von 0,8 Prozent ihrer Einkommenssteuer sehen wollen. Rund 40 Prozent (Tendenz sinkend) der Steuerzahler kreuzen alljährlich die katholische Kirche als Empfänger an, knapp 10 Prozent entscheiden sich für den Staat, der mit diesem Geld dann wiederum "gute Zwecke" wie Katastrophenschutz oder Entwicklungshilfe finanziert.

Das Geld derer, die nichts ankreuzen, wird bislang gemäß denselben Quoten verteilt, wie sie sich bei den Ankreuzenden ergeben. Und so erhält die katholische Kirche stets zweimal 40, also etwa 80 Prozent dieser Steuer. Hier steht nun eine Änderung zur Debatte. Sie könnte dazu führen, dass der Staat jährlich 200 Millionen mehr, und die Kirche entsprechend weniger erhält. Die wichtigste Einnahmequelle der Kirche würde damit um 20 Prozent schrumpfen.

Dass die drohende Kürzung in den traditionell gut geölten politischen Kontakten zwischen Italiens Regierung und Bischofskonferenz derzeit ein Thema ist, ist wahrscheinlich. Sollte es zu dem drastischen Einschnitt kommen, dürfte der Ton zwischen der Regierung Meloni und der katholischen Kirche wohl noch etwas rauer werden.

Quelle:
KNA