Liturgiewissenschaftler Stuflesser betont Wert der Eucharistie

Selbstverständlich für den Sonntag

Ein neuer Erklärfilm will den Gläubigen den Inhalt der Eucharistiefeier näherbringen. Liturgiewissenschaftler Martin Stuflesser war maßgeblich an der Entstehung beteiligt. Er wirbt für mehr Wertschätzung dieser Gottesdienstform.

Autor/in:
Jan Hendrik Stens
Priester beim Brotbrechen im Pilotfilm "Wandlung!" (JMU)
Priester beim Brotbrechen im Pilotfilm "Wandlung!" / ( JMU )

DOMRADIO.DE: "Heilige Zeichen" – das klingt zunächst einmal nach einem Buch von Romano Guardini. Was ist mit diesen Heiligen Zeichen gemeint, die die Überschrift zu diesem Projekt bilden?

Prof. Dr. Martin Stuflesser (JMU)
Prof. Dr. Martin Stuflesser / ( JMU )

Prof. Dr. Martin Stuflesser (Lehrstuhl für Liturgiewissenschaft an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Würzburg): Wenn Sie das Buch von Romano Guardini von 1927 erwähnen, dann sind wir schon eigentlich auf der richtigen Spur. Guardini versucht damals mit den Mitteln eines kleinen Bändchens Liturgie zu erklären, die Symbole, die Riten, die Zeichen der Liturgie Menschen näher zu bringen. Für Pater Christof Wolf, der vom Medium Film herkommt, und für mich, der von der Liturgiewissenschaft herkommt, war die Frage, wie wir diese Zeichen der Liturgie besser zum Sprechen bringen können. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe.

Da Liturgie selbst etwas Visuelles ist, was mit sinnlichen Eindrücken arbeitet, darüber hinaus natürlich neben den Wahrnehmungen über unsere Augen auch an das Gehör oder den Geruchssinn appelliert – denken Sie an Weihrauch –, kann man das nur visuell darstellen. Wir müssten eigentlich das Medium Film dafür nutzen.

So ist dieses Projekt entstanden: das, was Romano Guardini vor knapp 100 Jahren mit dem Medium eines Buches versucht hat, mit einem neuen zeitgenössischen Medium, nämlich einem Film auf YouTube, rüberzubringen.

DOMRADIO.DE: Sie starten mit dem Pilotfilm, der die Eucharistie, das Eucharistische Hochgebet zu Inhalt hat. Das Zweite Vatikanische Konzil spricht von der Eucharistie als "Quelle und Höhepunkt" des christlichen Lebens. Mit Blick auf die leeren Kirchenbänke scheint das auf die vielen abwesenden Gläubigen gar nicht zuzutreffen. Macht sich die Kirche hier etwas vor, wenn sie von "Quelle und Höhepunkt" spricht?

Stuflesser: Zunächst einmal es ist ja ein Anspruch. Ich arbeite gerade an einem Projekt mit, wo es um einen internationalen Kommentar zu diesen Konzilstexten geht, wo wir noch einmal gerade an diesen Abschnitten aus der Liturgiekonstitution gearbeitet haben. Da geht es ja eigentlich um eine Zielvorgabe. Es ist eine liturgietheologische Zielvorgabe. 

Martin Stuflesser

"Man müsste eigentlich im Konjunktiv sagen, es wäre sehr schön, wenn unsere Feiern wirklich Quelle und Höhepunkt wären."

Man müsste eigentlich im Konjunktiv sagen, es wäre sehr schön, wenn unsere Feiern wirklich Quelle und Höhepunkt wären. Theologisch sind sie es – ohne Frage! Kirche lebt aus der Eucharistie. Das ist eine Binsenweisheit. Aber natürlich ist die Realität, wie Sie sie gerade beschrieben haben, völlig zutreffend.

Was bedeutet das, wenn nur noch knapp 5 Prozent der getauften Katholiken am Sonntag an dieser Eucharistiefeier teilnehmen? Dafür gibt es sicher viele Gründe, die sicher auch in den pastoralen Verhältnissen begründet liegen, die wir haben: immer größer werdende Gemeinden, Priestermangel und so weiter. Uns hat weniger dieses kirchenpolitische Ansinnen interessiert, sondern für uns war eigentlich der Punkt zu sagen, wie wir Menschen dazu bringen bewusster mitzufeiern.

Das Konzil will ganz klar auch eine "participatio conscia", also eine bewusste Teilnahme an der Feier. Ich habe als Motto hier am Lehrstuhl "Wissen, was du glaubst". Von daher finde ich es wichtig, dass man gerade bei Liturgie auch weiß, was man feiert. Ich glaube, wenn wir Menschen dazu führen können bewusster mitzufeiern, dann kann das aus meiner Sicht vielleicht auch dazu führen, dass mehr Menschen bewusst diese Feier vollziehen.

Priester und Gemeinde im Pilotfilm "Wandlung!" (JMU)
Priester und Gemeinde im Pilotfilm "Wandlung!" / ( JMU )

DOMRADIO.DE: Im Film agieren Sie als Priester, der der Eucharistiefeier vorsteht, aber auch Dinge aus dem Off erklärt. Einerseits beinhaltet der Film sehr viele moderne Elemente, wie zum Beispiel den umgestalteten Gottesdienstraum oder auch große Brothostien, die für die gesamte Gemeinde gebrochen werden. Andererseits feiern Sie die Liturgie auch recht konventionell, indem sie zum Beispiel das Messbuch benutzen, dessen Sprache für manche Gläubigen wiederum fremd ist. Manche Priester verwenden daher andere, teilweise auch selbstgeschriebene Texte. Ist das nicht auch ein Weg, die Eucharistie verständlicher zu machen?

Stuflesser: Ich weiß nicht, ob verständlich die Hauptkategorie ist. Ich bin gerade etwas zusammengezuckt bei Ihren beiden Alternativen zwischen modern und was Sie dann als modern charakterisiert haben, und dem, was dann konventionell ist. Ich weiß gar nicht, ob das überhaupt die Alternativen sind. Zunächst einmal stelle ich mich, wenn ich Eucharistie feiere, ja in eine Gemeinschaft, die nicht nur heute auf der ganzen Welt diese Eucharistie feiert – immerhin tun das über 1 Milliarde Katholiken Sonntag für Sonntag –, sondern die das ja auch durch 2000 Jahre Geschichte getan hat.

Martin Stuflesser

"Lassen Sie uns doch Liturgie so feiern, wie sie eigentlich vorgesehen ist."

Ich erfinde hier also nichts neu, sondern ich begebe mich bewusst in diese lebendige Tradition hinein. Deshalb muss ich jetzt auch nicht Gebete neu erfinden. Das Thema Gebetssprache wäre eine eigene Frage. Da gab es ja neulich auch neue Initiativen, noch einmal eine Revision des deutschsprachigen Messbuchs vorzunehmen. Aber zunächst einmal würde ich sagen: Lassen Sie uns doch Liturgie so feiern, wie sie eigentlich vorgesehen ist.

Das heißt zum einen, dass ich mich erst einmal an die Texte halte, so wie sie sind, und versuche, diese zunächst einmal sinnvoll zu beten und sinnvoll zu sprechen. Ich versuche mit solchen Projekten wie dem Film, diese Texte auch theologisch zu erschließen, also Menschen bei diesen wirklich hochkarätigen Texten Hilfestellungen zu geben. Aber das heißt natürlich auch, dass ich die Zeichenhandlungen ernst nehme.

Wir haben sehr lange überlegt – das war ein langer Prozess über vier, fünf Jahre – diese Kirche umzugestalten für einen älter werdenden Konvent hier in Würzburg. Wir haben sehr viel überlegt, was die konkreten liturgietheologischen Aussagen des Konzils eigentlich für die Gestaltung eines Raums im Hinblick auf tätige Teilnahme sagen, im Hinblick auf Partizipation ermöglichen.

 Mutterhauskirche der Erlöserschwestern in Würzburg (JMU)
Mutterhauskirche der Erlöserschwestern in Würzburg / ( JMU )

Wir haben dann noch einmal überlegt, wie wir dann in diesem konkreten Raum sinnvoll Liturgie feiern. Dazu gehört zum Beispiel, dass man die Zeichen einfach ernst nimmt. Brotbrechen nannten die ersten Christen immerhin diese Feier. Also muss ich auch Hostien haben, die ich brechen kann.

Der Fundamentaltheologe Hermann Josef Pottmeyer aus Bochum hat einmal gesagt, dass es ein größerer Glaubensakt sei, in dem, was wir da bei der Eucharistie verwenden, Brot zu erkennen als die Realpräsenz von Jesus Christus. Ich finde, das ist ein wahrer Satz. Brotbrechen ist ein zentrales Element bei dem entsprechenden Element des Lamm Gottes. Genauso heißt es, dass wir alle aus dem einen Kelch trinken.

Wir feiern Communio, wir feiern Gemeinschaft, wir haben Teil an dem einen Leib Christi. Deshalb ist uns ganz wichtig, was auch hoffentlich im Film rüberkommt, dass wir diese Zeichenhandlungen sehr ernst nehmen und wirklich in den Mittelpunkt stellen.

DOMRADIO.DE: Sie haben eingangs erwähnt, dass es bei der Liturgie auch um die Sinne geht, grundsätzlich auch um Ästhetik. Da mögen vielleicht andere zusammenzucken. Welche Bedeutung hat in der Liturgie zum Beispiel der Gesang sowohl bei der Gemeinde als auch bei den Gebeten des Priesters?

Stuflesser: Ästhetik hat schnell etwas von Ästhetizismus. Davon würde ich das gern unterscheiden. Ästhetik heißt ja zunächst einmal nur Wahrnehmung. Wenn ich von der Ästhetik des Glaubens oder der Ästhetik der Liturgie spreche, heißt es zunächst einmal, dass das, was ich hier gefeiert habe, auch wirklich wahrgenommen wird. Also kommt die Botschaft, die vermittelt werden soll, rüber?

Martin Stuflesser

"Indem ich dieses Evangelium singe, bekommt das eine höhere Feierlichkeit."

Das heißt zum Beispiel, dass ich bestimmte Texte der Liturgie singe und sie damit bewusst verfremde. Ich könnte ein Evangelium vorlesen. Das ist vielleicht bei einem erzählenden Text im Vollzug sogar leichter. Aber indem ich dieses Evangelium singe, bekommt das eine höhere Feierlichkeit. Das unterstreicht noch einmal diesen Charakter, von dem das Konzil sagt, dass Jesus Christus selbst durch uns spricht, wenn die heiligen Schriften verkündet werden.

Genauso ist es bei den Präsidialgebeten des Priesters – also bei den Vorstehergebeten Tagesgebet, Gabengebet, Schlussgebet und beim Hochgebet – eigentlich sinnvoll, diese feierlichen Gebete wirklich zu singen, weil das ja ein Sprechgesang ist. Es geht ja jetzt nicht hier um irgendetwas Opernhaftes, sondern es geht ja darum, dass durch dieses Singen noch einmal der besondere Akzent der Wichtigkeit dieser Texte betont werden soll.

DOMRADIO.DE: Es geht in Ihrem Pilotfilm um die Eucharistiefeier. Aktuell gibt es dazu immer wieder die Diskussion um Wortgottesdienste mit Kommunionfeiern, die in manchen Gemeinden gefeiert werden, wenn eine Eucharistie nicht möglich ist, weil zum Beispiel kein Priester da ist. Für nicht wenige Gläubige scheint der Kommunionempfang am Sonntag besonders wichtig zu sein. Ist dies eine Konkurrenz zur Eucharistiefeier?

Stuflesser: Zunächst einmal spricht das Konzil davon, dass die Feier das eigentlich Entscheidende ist. Wir feiern unseren Glauben und wir feiern Leiden, Tod und Auferstehung Jesu Christi. Das können wir in unterschiedlichen Formen tun. Eucharistie, sagt das Konzil, ist die Höchstform. Aber das, was das Konzil Paschamysterium nennt, also genau diese Feier von Leiden, Tod und Auferstehung Jesu Christi ist auf vielfältige Art und Weise möglich.

Das haben wir jetzt auch in Corona-Zeiten erlebt, wo sich zum Beispiel auf einmal Menschen getroffen haben, gemeinsame Schriftlesung vorgenommen haben, geistliche Betrachtung gehalten haben, Morgengebet gebetet haben, Wort-Gottes-Feiern gehalten haben. Alles das sind ja Möglichkeiten, den Sonntag zu heiligen. Die Frage ist, ob es nicht eine gewisse Verunsicherung bei den Gläubigen gibt, wenn in einem Bistum diese Regelung gilt, im anderen Bistum eine andere Regelung. Diese Regelungen wurden durchaus auch von den Bischöfen mal so, mal so gehandhabt.

Martin Stuflesser

"Der Kommunionempfang ist wichtig, aber es müsste deutlich werden, dass dieser Kommunionempfang aus einer Feier der Eucharistie gespendet wird."

Ich fände es sinnvoll deutlich zu machen, dass selbstverständlich die Feier der Eucharistie den Sonntag ausmacht. Auch da gilt der Verweis auf die frühe Kirche, das Herrenmahl, die Eucharistie am Herrentag, am Sonntag. Wo das nicht möglich ist, muss man andere Formen finden. Der Kommunionempfang ist wichtig, aber es müsste deutlich werden, dass dieser Kommunionempfang aus einer Feier der Eucharistie gespendet wird.

Das heißt zum Beispiel, wie es in der DDR damals mit diesen Aussendungen in Gottesdiensten möglich war, dass man aus einer zentralen Eucharistiefeier die konsekrierten Hostien in andere Kirchen gebracht hat und die Gläubigen, denen es eben nicht möglich war, an dem zentralen Ort teilzunehmen, dann eine eigene Feier mit Kommunionspendung hatten. Das fände ich sinnvoll. Das ist ja anscheinend auch das Modell, was Köln gerade so ein bisschen favorisiert, dass man wenigstens den Bezug zur Feier doch wieder deutlich macht.

Altar mit liturgischem Gerät in der Mutterhauskirche der Erlöserschwestern in Würzburg (JMU)
Altar mit liturgischem Gerät in der Mutterhauskirche der Erlöserschwestern in Würzburg / ( JMU )

DOMRADIO.DE: Der Pilotfilm "Wandlung!" ist als Beginn dieser Reihe gedacht. Welchen liturgischen Fragen und Gottesdienstformen wollen Sie sich in "Heilige Zeichen" zukünftig zuwenden?

Stuflesser: Das ist völlig offen. Natürlich kostet so ein Projekt Geld. Wir müssen jetzt schauen, ob und wie wir weitere Filmteile finanziert bekommen. Es bietet sich natürlich an, an den Sakramenten und den Sakramentalien entlang zu gehen, aktuelle Themen aufzugreifen. Wie ist das zum Beispiel mit niedrigschwelligen Gottesdienstangeboten? Wie ist das mit freien Gottesdienstformen, die ja auch immer wichtiger werden. Denn wir haben immer mehr Leute, die nicht wollen, dass ihre Kirche ohne Priester und ohne Hauptamtliche zur liturgiefreien Zone wird und Gottesdienst feiern wollen. Was sind Möglichkeiten dafür?

Ich erinnere zum Beispiel an das Gotteslob, was ja schon ganz bewusst neben die volle Form der Vesper, des kirchlichen Abendgebets, eine Form eines freien Abendlobes stellt, das einfacher zu gestalten ist. Das ist speziell für Menschen, die nicht so vertraut etwa mit dem Gesang der Psalmen sind. Wir sind da sehr offen.

Das Problem ist schlicht und einfach, dass wir schauen müssen, wie sich so etwas realisieren lässt. Wir haben eine komplette Woche an diesem Film gedreht und jetzt ein halbes Jahr nur in der Nachproduktion, also Vertonung, Schnitt und so weiter daran gearbeitet. Das ist schon viel Arbeit. Sowohl Pater Christof Wolf als auch ich haben noch durchaus einen Hauptberuf. Wir machen das ja nebenher.

Alle Themen, die im weitesten Sinn mit Gottesdienst und Liturgie zu tun haben, würden unter dieses Label "Heilige Zeichen" passen. In einer Zeit, wie wir sie gerade erleben, wo ja doch das Wissen um christliche Glaubensinhalte und überhaupt Christentum in unserer Gesellschaft weniger werden, finde ich es wichtig, dass wir einfach alle Medien nutzen, die uns zur Verfügung stehen, um hier neue Wege der Glaubenskommunikation zu beschreiten.

Das Interview führte Jan Hendrik Stens.

Liturgie

Liturgie bezeichnet im Christentum und Judentum das Verständnis und die Ordnung der Zeremonien des Gottesdienstes. Der Begriff stammt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich übersetzt öffentlicher Dienst. Neben der Heiligen Messe gehören dazu beispielsweise Taufe, Trauung oder Bestattung. Die Formen, Regeln und Vorschriften der römischen Liturgie haben sich im Lauf der Jahrhunderte verändert; grundsätzlich legt der Papst sie fest. Dazu zählen etwa die Vorgabe bestimmter Gebete oder Regeln zum Ablauf des Gottesdienstes sowie Form und Farbe von Messgewändern.

Hochgebet auf deutsch / © Harald Oppitz (KNA)
Hochgebet auf deutsch / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR