DOMRADIO.DE: Als kirchliches Entwicklungswerk bekommt auch Misereor - wie auch andere Nichtregierungsorganisationen - finanzielle Unterstützung durch das Bundesentwicklungsministeriums (BMZ). In den laufenden Haushaltsverhandlungen fordert die FDP nun Kürzungen und hinterfragt unter anderem die deutschen Ausgaben für Entwicklungshilfe. Wie besorgt sind Sie?
Erzbischof Stephan Burger (Erzbischof von Freiburg und Leiter der für Misereor zuständigen Kommission für Entwicklungsfragen der DBK): Wenn es so weit käme, würde ich das von tiefstem Herzen bedauern. Denn was Misereor mit seiner Arbeit, den Projekten und der Hilfe vor Ort leistet, ist für mich Fluchtursachenbekämpfung. Wir müssen dort beginnen, wo die Menschen herkommen, ihnen nahe zu sein und zur Seite zu stehen und nicht erst ein Europa bilden, das sich abschottet. So werden wir die Flüchtlingsströme niemals lenken können.
Wir müssen den Menschen vor Ort helfen, dass sie in ihrer Heimat, die sie wertschätzen und oftmals eigentlich auch nicht verlassen wollen, eine Zukunft haben, Brot und Erwerb haben und Familien aufbauen können. Das gilt es zu unterstützen und nicht einfach nur die Entwicklungshilfe zu kürzen, damit wir besser über die Runden kommen. Mit verhältnismäßig wenigen Mitteln können in anderen Ländern sehr viel und Großes bewirken. Und hoffe ich sehr, dass es nicht zu diesen Kürzungen kommt.
DOMRADIO.DE: Es gibt auch zahlreiche nicht-konfessionelle Hilfsorganisationen. Wie macht Misereor den Unterschied?
Burger: Misereor ist bei den Menschen, in den Problemvierteln, in den Lagern, bei allen, die mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Sei es, wenn es um die Existenzsicherung geht, mit Blick auf die ganzen gesellschaftlichen, politischen Verhältnisse. Misereor ist mittendrin und versucht dort den Menschen Perspektiven zu eröffnen, Hilfestellung zu geben, das Leben selbst gestalten zu können und nicht nur von Not und Elend geprägt zu sein.
DOMRADIO.DE: Was wäre mit Blick auf die aktuellen Haushaltsverhandlungen der Bundesregierung Ihr Appell Richtung Berlin?
Burger: Ich wünsche mir, dass so mancher Politiker diese Situation der Ärmsten in anderen Ländern wahrnehmen könnte, dass sie diese Not und das Elend existenziell erfahren. Dann würde es ganz anders aussehen. Denn wenn bei uns gekürzt wird, kann woanders Menschen in Not nicht mehr geholfen werden. Dann lassen wir sie im Stich. Und das kann es nicht sein.
Das Interview führte Alex Foxius.